«Die schwarze Spinne» – ein Stück Weltliteratur

  11.04.2016 Aktuell, Lützelflüh, Region, Kultur, Gesellschaft

Kurator Heinrich Schütz und Werner Eichenberger, Kommunikationsverantwortlicher des GZEL, erläuterten den Anwesenden die Konzeption und den Aufbau der Ausstellung. Privatdozent Christian von Zimmermann, Leiter der Forschungsstelle Jeremias Gotthelf an der Universität Bern, bettete die Erzählung in seinem Referat in ihren historischen, politischen und theologischen Entstehungskontext ein. «Die schwarze Spinne» lasse sich als eine Auseinandersetzung mit dem Freiheitsbegriff, als eine Reflexion über die Natur des Menschen und über den Weg zur Mündigkeit lesen. Der Teufelspakt und die Spinnenplage können als Folge der menschlichen Schwäche und Sündhaftigkeit gedeutet werden. Die Novelle transportiert die didaktische Botschaft, dass sich das Böse, das in jeder Seele schlummert, nur mithilfe einer christlich-sittlichen Lebensführung überwinden lässt. Im Anschluss besichtigten die rund 70 Gäste die Sonderausstellung und tauschten beim Apéro ihre Eindrücke aus.

Kunstvoll komponierte Novelle
«Die schwarze Spinne» erschien im Jahr 1842 im ersten Bändchen der Sammlung «Bilder und Sagen aus der Schweiz». Kunstvoll verwob Gotthelf Überlieferungen von Pestepidemien, historische Erzählungen, Sagen sowie das Motiv des Teufelspakts zu einem sprachgewaltigen Werk, das durch seine raffinierte Komposition besticht. Die Novelle beginnt mit der ausführlichen Schilderung eines Tauffests und eines üppigen Festmahls im Emmental des 19. Jahrhunderts. Diese Rahmenerzählung wird mit zwei Binnenerzählungen verknüpft. Die Taufgesellschaft wundert sich, was es mit dem seltsamen, alten schwarzen Fensterpfosten im neuen Bauernhaus auf sich hat. Daraufhin schildert der Grossvater die Geschichte vom zweimaligen Erscheinen der teuflischen schwarzen Spinne, welche Tod und Schrecken im Tal verbreitete. Nur durch Selbstaufopferung und mittels einer christlich-sittlichen Gesinnung gelang es, das Böse zu besiegen und die todbringende Spinne jeweils in den Pfosten einzusperren.


Die Ausstellung vermittelt die düstere Atmosphäre der Novelle
Wer die Sonderausstellung im Gotthelf Zentrum besucht, wird unweigerlich in die düstere Atmosphäre der Novelle versetzt. Eine mystische, nebel- und wolkenverhangene Emmentaler Landschaft nimmt den ganzen Raum ein. Mittels schummrigen Lichteffekten wird eine unheimliche Stimmung erzeugt, wie sie Gotthelf mit Worten meisterhaft beschreibt. Inmitten des Raumes steht ein geheimnisvoller dunkler Bystal wie in der Erzählung. In solche Pfosten schloss man früher Seuchen und Pest symbolisch ein. Faszinierende, bedrohlich wirkende Holzschnitte des Schweizer Künstlers Bruno Gentinetta sind auf einer Bildschirmschau zu bewundern. «Mit unserer Ausstellung beabsichtigen wir, das dunkle Kolorit der Novelle einzufangen», erläutert Heinrich Schütz. «Wir gestalteten den Raum wie eine Theaterbühne, um der Sugges­tionskraft von Gotthelfs Meisterwerk gerecht zu werden.» Selbstverständlich bietet die Ausstellung auch zahlreiche Hintergrundinformationen über die Motive, die Gotthelf inspirierten, über die Rezeptionsgeschichte der Novelle, die der deutsche Schriftsteller Thomas Mann als ein Stück «Weltliteratur» bezeichnet, über die Handlung und ihren Aufbau. Ein weiterer Höhepunkt bildet die Hörstation: Die berühmte Film- und Theaterschauspielerin Maria Becker (1920 – 2012) liest Passagen aus «Die schwarze Spinne» vor. Fazit: Die Wechselausstellung vermittelt spannende Einsichten in die faszinierende, düster-unheimliche Novelle des Lützelflüher Pfarrers und Schriftstellers.
Markus Hofer
www.gotthelf.ch.


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