Zwei «Würmchen» schlängeln sich ins Leben
21.08.2024 UtzenstorfDer Berner Wildhüter war sich nicht ganz sicher, ob seine Artbestimmung richtig war, als er die drei sich windenden und leise fiepsenden «Würmchen» telefonisch in der Wildstation Landshut ankündigte. So nackt wie echte Würmer waren sie zwar nicht, aber wie sie mit ihren schlängelnden Bewegungen versuchten, vorwärtszukommen, erinnerten sie wirklich an kleine Würmchen oder Schlangen.
Doch was waren es nun für seltsame Tiere, die da im «Wildtierspital» in Utzenstorf abgegeben wurden? Kurzes silbrig-graues Fell, ein lang gestreckter Körper, die Augen noch geschlossen und um die 25 Gramm schwer – der Wildhüter hatte recht, es waren tatsächlich drei noch sehr junge Iltisse.
Jungtiere ohne Mutter
Der Iltis wurde 2024 zum Tier des Jahres gewählt. Er gehört zur Familie der Marderartigen, ist geschützt und lebt bevorzugt in reich strukturierten Kulturlandschaften mit vielen Versteckmöglichkeiten. Erwachsene Tiere sind leicht an der weissen Zeichnung rund um die Nase und entlang der Ohrränder zu erkennen. Aufgrund seiner Vorliebe für Frösche und Kröten als Nahrung ist der Iltis oft in Gewässernähe zu finden. Der Rückgang geeigneter Lebensräume sowie die drastische Abnahme der Amphibienbestände machen dem Iltis das Leben schwer.
Warum die drei kleinen Iltisgeschwister in Not gerieten, ist schwer zu sagen. Fest steht, dass sie mutterlos auf einer Heubühne gefunden wurden. Als sie in der Wildstation ankamen, waren die Winzlinge stark unterkühlt und dehydriert. Zum Glück wurden keine Verletzungen gefunden, aber der Allgemeinzustand war nicht sonderlich gut und die Tiere waren noch sehr jung – eine Prognose, ob die kleinen Raubtiere überleben würden, war schwierig. Leider starb einer der Winzlinge schon kurz nach seiner Ankunft in der Wildstation. Das engagierte Team tat alles, um die zwei noch verbliebenen Iltisbabys zu retten. Sie erhielten eine kuschelige Unterkunft mit einer Wärmequelle, wurden alle zwei bis drei Stunden von morgens um 06.00 Uhr bis um Mitternacht mit Ersatzmilch versorgt, bekamen nach dem Füttern eine «Bauchmassage», damit sie Kot und Urin absetzen konnten (diese Aufgabe übernimmt in der Natur das Muttertier), und wurden natürlich auch täglich gewogen und medizinisch beurteilt.
Viel zu tun für die Wildstation
Eine Mammutaufgabe – vor allem, wenn man noch so viele andere Pfleglinge versorgen muss. Allein im Juli dieses Jahres wurden mehr als 680 Tiere als Notfälle in die Wildstation eingeliefert. Egal, ob Vogel, Fledermaus, Eichhörnchen, Igel oder Ringelnatter – in der Stiftung Wildstation Landshut erhalten alle einheimischen Wildtiere die fachgerechte Betreuung, die sie benötigen. Hierfür sorgt das Team der Wildstation mit seinen zwei Tierärzten, einer Biologin und mehreren Wildtierpflegern sowie einem mittlerweile über 50-köpfigen Freiwilligenteam.
Um die jährlich bis zu 3000 Tiere auch weiterhin professionell versorgen zu können, hat die rein spendenfinanzierte Wildstation vor Kurzem ein Crowdfunding gestartet, denn der Tierannahme- und -behandlungsbereich muss dringend saniert werden. Eine moderne Praxiseinrichtung soll die Wildstation fit für die Zukunft machen. Die Wildtierpflege und -rehabilitation ist für alle Mitarbeitenden der Stiftung eine Herzensangelegenheit und in Verbindung mit dem zweiten Standbein der Wildstation – der Umweltbildung mit dem stationseigenen Naturlehrpfad und einem vielfältigen Angebot – eine zutiefst befriedigende und sinnvolle Tätigkeit. Eine nachhaltige Investition in die Zukunft.
Von «Würmchen» zu «Rackern»
Um die beiden kleinen «Würmchen» steht es mittlerweile nicht schlecht, sie haben sich von den anfänglichen Strapazen erholt, nehmen gut zu und werden sich hoffentlich nach und nach von kleinen «Würmchen» zu grossen «Rackern» entwickeln. So wie der bereits gut herangewachsene «Halbstarke», der ebenfalls als hilfloses Jungtier aufgefunden wurde. Er wird langsam selbstständig und kann bald wieder in die Natur zurückkehren. Mission geglückt!
zvg
Crowdfunding unter www.lokalhelden.ch/einheimische-wildtiere.
Mehr Informationen unter www.wildstation.ch.