Wenn verschiedene Welt- bzw. Essansichten aufeinanderprallen

  12.03.2025 Fotoalben, Aktuell, Kultur, Vereine, Fraubrunnen, Region

Vor langer Zeit waren sie Studienkolleginnen, seit 25 Jahren kommen sie zur Weihnachtszeit zusammen, um gemeinsam einen knusprigen Gänsebraten zu geniessen: Vera, die Inhaberin einer erfolgreichen Werbeagentur ist, Nathalie, die über einen Doktortitel verfügt und in einem Labor arbeitet, und Brigitte, die ihren Lebensunterhalt als Fotografin verdient. Immer eine der drei Frauen, die mittlerweile in den Mittfünfzigern sind, lädt zum Weihnachtsschmaus ein. Dieses Jahr ist Vera an der Reihe – und weil sie seit einem halben Jahr vegan lebt, kreiert sie einen 2,7 kg schweren Vogelbraten gänzlich ohne tierische Inhaltsstoffe. Die beiden anderen, die sich auf ein saftiges Stück Fleisch gefreut haben, sind allerdings über dieses vegane Experiment wenig erfreut und äussern dies mehr oder weniger deutlich, was wiederum bei Vera schlecht ankommt. Und es kommt, wie es kommen muss: Die anfangs noch weihnächtlich-fröhliche Stimmung kippt immer mehr. Kleine und grosse Ängste, Komplexe und Gemeinheiten aus Vergangenheit und Gegenwart brechen auf; die über Jahrzehnte zelebrierte Freundschaft bekommt immer grössere Risse, bis eine der Frauen schliesslich sogar zum Messer greift. Wie die Sache trotzdem zu einem guten Ende kommt – so wie es sich in einer Komödie gehört –, sei hier aber nicht verraten…

Gute berndeutsche Bearbeitung
Mit dem «Gänseschmaus» von Thomas Rau hat sich Regisseur Simon Burkhalter an ein thematisch höchst aktuelles, aber nicht ganz einfaches Stück gewagt – ein Stück, das sich im Originaltext zuweilen konversationstechnisch bis an die Grenze des Erträglichen bewegt. Durch eine gelungene berndeutsche Bearbeitung, die trefflich Monologe aufteilt, Längen kürzt und dem Spielort Rechnung trägt, glückt es Simon Burkhalter jedoch, dem Stück Dichte und Drive zu geben. Pointierte Dialoge und Situationskomik regen immer wieder zum Lachen an – wobei dieses durchaus auch manchmal im Halse stecken bleibt. Dadurch, dass die drei Frauen in ihrer Weltanschauung, aber auch in ihrer konstruktiven Dialog(un-)fähigkeit überzeichnet dargestellt werden, bleibt genügend Distanz, dass man sich als Publikum den Spiegel vorhalten lassen kann, ohne eine innere Abwehr zu entwickeln. Man wird dennoch zum Nachdenken angeregt, egal, welcher «Partei» man sich zugehörig fühlt…

Ausgezeichnete Leistung der Spielerinnen
Auch die drei Spielerinnen sind von Simon Burkhalter gut ausgewählt worden: Das Trio Rebekka Rohrbach (Vera), Danièle Themis (Nathalie) und Marianne Hiltbrunner (Brigitte) setzten diese wohldurchdachte, stimmige berndeutsche Bearbeitung mit grosser Präzision, mit starker Bühnenpräsenz und einem feinen Gespür für das Komödiantische um. Jede der Figuren war in ihrem Charakter, ihrer Haltung, ihren Abgründen glaubhaft, kantig und doch liebevoll dargestellt – eine echt eindrückliche Leistung, die sich durch das gesamte Stück zog.
Fazit: Wer bissig-witzige Komödien mit Tempo und Tiefgang liebt, dem sei das Theater Schlosskeller Fraubrunnen von Herzen empfohlen!


Andrea Flückiger
 

 


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