«Viele Brustkrebspatientinnen haben heute gute Heilungschancen»

  15.10.2024 Burgdorf, Aktuell, Gesellschaft

Dank Früherkennung und besseren Behandlungsmöglichkeiten haben sich die Heilungschancen bei Brustkrebs enorm verbessert. Entscheidend ist die interdisziplinäre Behandlung an einem Brustzentrum, wo verschiedene Fachrichtungen Hand in Hand zusammenarbeiten. Seit Anfang Jahr führen das Spital Emmental und das Spital Region Oberaargau (SRO) ein gemeinsames Brustzentrum mit zwei Standorten. In ihrem Vortrag am Donnerstag, 17. Oktober 2024, zeigen die Spezia­listinnen und Spezialisten des Brustzentrums Emmental-Oberaar­gau auf, welche Fachpersonen in die Behandlung von Brustkrebs involviert sind, welche vielfältigen Therapiemethoden zur Verfügung stehen und wie die Erkrankten vor, während und nach der Behandlung unterstützt werden. Dr. med. Thomas Eggimann, Standortleiter Burgdorf und stellvertretender Chefarzt der Frauenklinik des Spitals Emmental, und Dr. med. Daniele Bolla, Standortleiterleiter Langenthal und Chefarzt Frauenklinik SRO, geben im Interview
Auskunft zu ihrer Zusammenarbeit und zeigen auf, wie vielfältig die modernen Behandlungsmethoden sind.  

«D’REGION»: Seit einigen Monaten betreiben die beiden Frauenkliniken in Burgdorf und Langenthal das Brustzentrum Emmental-Oberaar­gau, um Patientinnen mit Brustkrebs eine wohnortsnahe Betreuung zu bieten. Mit welcher Absicht geschieht das?
Daniele Bolla: Das Ziel ist es, die jahrelangen Erfahrungen und das Know-how der Spezialistinnen und Spezia­listen beider Spitäler zusammenzuführen. Das fördert den Austausch und sorgt an zwei Standorten für die bestmögliche Qualität in der Brustkrebsbehandlung. Davon profitieren unsere gemeinsamen Patientinnen.
Thomas Eggimann: Wenn man die Krankheit von Anfang an interdisziplinär angeht, wirkt sich das positiv auf die Behandlungsqualität und die langfristige Genesung aus. Das zeigen die Erfahrungen zertifizierter Brustzentren.


«D’REGION»: Wie genau sieht die Zusammenarbeit aus?
Daniele Bolla: Wir untersuchen die Patientinnen an einem der beiden wohnortsnahen Standorte und versuchen, möglichst rasch zu einer Diagnose und zur passenden Behandlung zu kommen. Sämtliche Fälle besprechen wir am Tumorboard mit Spezialistinnen und Spezialisten aus den Bereichen Onkologie, Radiologie, Radio-Onkologie, Pathologie und bei Bedarf plastischer Chirurgie, um gemeinsame Behandlungsstrategien zu definieren. Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit ist ein grosser Mehrwert des Brustzentrums.
Thomas Eggimann: Wenn eine Frau bei sich einen möglichen Brustkrebs entdeckt, kommt häufig grosse Angst auf. Deshalb ist es wichtig, dass wir rasch einen Termin zur Abklärung anbieten können. Erhärtet sich der Verdacht, haben wir mit dem Brustzentrum die Möglichkeit, Patientinnen an beiden Standorten engmaschig zu begleiten.

«D’REGION»: Welche frühen Anzeichen und Symptome deuten auf Brustkrebs hin und wie können Frauen diese selbst erkennen?
Daniele Bolla: Brustkrebs bereitet am Anfang leider keine Beschwerden. Mögliche bösartige Veränderungen können durch die regelmässige Selbst­untersuchung der Brust festgestellt werden. Bei Frauen mit Regelblutungen ist der beste Zeitpunkt in den ersten Tagen nach der Periode. Frauen nach der Menopause sollten sich selbst einen festen Termin alle vier Wochen setzen.
Mögliche Anzeichen für einen bösartigen Tumor in der Brust können sein: plötzlich auftretende Knoten und Verhärtungen (selten verbunden mit Schmerzen), Veränderungen an der Haut oder der Brustwarze, Rötungen, plötzliche Grössenunterschiede oder Unterschiede im Aussehen der Brüste, tastbare Lymphknoten in der Achselhöhle oder Ausfluss aus einer Brustwarze. Wenn Sie eines dieser Symp­tome bemerken, ist es ratsam, sich im Spital abklären zu lassen. Die senologischen Voruntersuchungen (Praxis/Spital) bleiben weiterhin ein wichtiger Bestandteil zur Erkennung und Behandlung von Brusterkrankungen.

«D’REGION»: Welche Behandlungsmöglichkeiten für Brustkrebs stehen derzeit zur Verfügung?
Thomas Eggimann: Früher gab es fast nur die Chirurgie zur Behandlung der Krankheit, oft eine komplette Brustentfernung. Heute gibt es viele medikamentöse Therapien wie Immuntherapie, Hormontherapie oder Chemotherapie. Im Vergleich
zu früher haben heute viele Brustkrebspatientinnen gute Heilungs­chancen.

«D’REGION»: Wie wird entschieden, welche Methode die richtige für eine Patientin ist?
Thomas Eggimann: Am interdisziplinären Tumorboard, das wir gemeinsam einmal pro Woche durchführen, werden die Behandlungsempfehlungen gemeinsam festgelegt. Dabei sind Tumortyp und -grösse, Alter der Patientin und allfällige Zusatzbefunde und Nebendiagnosen entscheidend, um ein individuelles Therapiekonzept zu erarbeiten.
Die Empfehlungen werden den Betroffenen ausführlich erklärt und begründet. Die Patientinnen entscheiden danach, ob sie den Empfehlungen folgen wollen. Aus Erfahrung tun das die allermeisten, aber es gibt immer mal wieder Betroffene, die einen abweichenden Weg bevorzugen. Wir begleiten diese Frauen genauso gut und engmaschig.

«D’REGION»: Welche Nebenwirkungen haben diese Therapien?
Daniele Bolla: Je nach Therapie kann es beispielsweise zu Gelenkbeschwerden oder Hitzewallungen kommen. Aber das hängt von vielen Faktoren wie vom Alter oder dem Stadium der Krankheit ab. Haarausfall, Übelkeit, Erschöpfung – die stärksten Nebenwirkungen hat die Chemotherapie. Aber auch diese Nebenwirkungen können gelindert werden.
Thomas Eggimann: Trotz der meist nur wenigen Nebenwirkungen: So eine Therapie ist kein Zuckerschlecken. Brustkrebs bringt viele Herausforderungen mit sich für die Betroffenen und deren Familien. Es braucht Ausdauer und Geduld. Da ist es wichtig, dass die Patientinnen optimal betreut und begleitet werden – nicht nur von uns Ärztinnen und Ärzten, sondern auch vom speziell ausgebildeten Pflegepersonal.

«D’REGION»: Welche praktischen Tipps haben Sie für Brustkrebspatientinnen, um die Behandlung und den Alltag besser zu bewältigen?
Daniele Bolla: Leider gibt es keine allgemeine Strategie oder ein Rezept, wie Brustkrebspatientinnen sich am besten verhalten sollen, um die Behandlung und den Alltag besser zu bewältigen. Wichtig ist, sich nicht zurückzuziehen: Sie sind nicht alleine – tauschen Sie sich aus, suchen Sie sich Unterstützung bei Ihren Freunden und Ihrer Familie. Auch Ihr Brustteam ist stets für Sie da.
Thomas Eggimann: Nehmen Sie sich Zeit für sich, lassen Sie sich nicht drängen und versuchen Sie, Dinge zu tun, die Ihnen guttun. Sport und eine ausgewogene Ernährung tragen zum Wohlbefinden bei, stärken das Immunsystem und können den Verlauf einer Krebserkrankung positiv beeinflussen.

zvg


Vortrag Burgdorf: Donnerstag, 17. Oktober 2024, 19.00 Uhr (Kurslokal Spital Emmental, Oberburgstrasse 54, EG); Vortrag Langenthal: Mittwoch, 30. Oktober 2024, 19.00 Uhr (im Haslibrunnen, Untersteckholzstrasse 1).


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