«Spannend, abwechslungsreich und lehrreich»
15.10.2024 Region, Aktuell, PolitikSeit 16 Jahren ist die Sumiswalderin Claudia Rindlisbacher für das Regierungsstatthalteramt Emmental tätig. Zu Beginn als wissenschaftliche Mitarbeiterin angestellt, übernahm Claudia Rindlisbacher wenig später die Stellvertretung ihres Amtvorgängers Markus Grossenbacher. Die letzten acht Jahre amtete sie schliesslich selbst als Emmentaler Regierungsstatthalterin. Als solche vertrat sie die Kantonsregierung im Verwaltungskreis Emmental. Ende Jahr ist damit Schluss – Claudia Rindlisbacher gab im Frühling dieses Jahres ihre Demission bekannt. Im Gespräch mit der Zeitung «D’REGION» blickt die 46-Jährige auf ihre Amtszeit zurück.
«D’REGION»: Sie treten per Ende Jahr nach acht Jahren als Emmentaler Regierungsstatthalterin zurück und verlassen das Regierungsstatthalteramt nach gesamthaft 16 Jahren. Wie geht es Ihnen nun, kurz vor Ende der Tätigkeit?
Claudia Rindlisbacher: Ich habe momentan ein lachendes und ein weinendes Auge. Zum einen identifiziere ich mich sehr mit der Arbeit als Regierungsstatthalterin und mit dem Regierungsstatthalteramt. Schliesslich habe ich praktisch mein ganzes Berufsleben auf Regierungsstatthalterämtern verbracht. Dadurch fühlt sich mein Rücktritt an, als würde ich eine langjährige Beziehung beenden. Zum anderen kommt mit dem Rücktritt nun die Chance, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Ich kann einen Zwischenstopp einlegen und mir Gedanken darüber machen, was mich interessiert und was ich in der Zukunft machen möchte. Für mich schwingt mit dem Abschied das Gefühl einer Aufbruchstimmung mit.
«D’REGION»: Im Jahr 2003 absolvierten Sie ein Praktikum beim damaligen Regierungsstatthalteramt Trachselwald. Im Jahr 2009 traten Sie eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin an. Hätten Sie damals je daran gedacht, einst selbst Regierungsstatthalterin zu sein? Was gab den Ausschlag, Regierungsstatthalterin werden zu wollen?
Claudia Rindlisbacher: Nein, das hätte ich damals nie im Leben gedacht (lacht). Das damalige Praktikum absolvierte ich im Rahmen meiner Ausbildung zur Rechtsanwältin direkt nach dem Studium. Gerichte und Statthalterämter haben mich schon zu Beginn meiner Ausbildung interessiert. Das hat sich beim Praktikum auf dem damaligen Regierungsstatthalteramt Trachselwald sowie bei weiteren Gerichtspraktika bestätigt. Als ich von der Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team meines Vorgängers Markus Grossenbacher erfuhr, war für mich daher klar, dass ich mich darauf bewerben wollte.
Diesen Entscheid habe ich nie bereut, da ich mich auf dem Regierungsstatthalteramt stets sehr wohlgefühlt habe. Im Gespräch mit Studienkolleginnen merkte ich, dass ich – anders als einige von ihnen – mit meinem beruflichen Werdegang und meiner Arbeit von Beginn weg sehr zufrieden und glücklich war.
«D’REGION»: Ein Jahr nach Ihrem Stellenantritt als wissenschaftliche Mitarbeiterin übernahmen Sie die Stellvertretung von Markus Grossenbacher, Ihrem Amtsvorgänger. Was gab daraufhin den Ausschlag für Ihren Entscheid, seine Nachfolge antreten zu wollen?
Claudia Rindlisbacher: Wie gesagt faszinierte mich die Arbeit als Regierungsstatthalterin schon seit längerer Zeit. Die Arbeit und die Aufgaben sind enorm breit gefächert, was eine spannende Abwechslung mit sich bringt. Ich vergleiche es gerne mit einem ‹Gemischtwarenladen›. Unter meinem Vorgänger Markus Grossenbacher erhielt ich zudem die Möglichkeit, einen detaillierten Einblick in die Tätigkeit als Regierungsstatthalterin zu erhalten.
«D’REGION»: Was macht für Sie die Tätigkeit als Regierungsstatthalterin aus?
Claudia Rindlisbacher: Die Tätigkeit bringt viel Abwechslung und Spannung mit sich. Zudem faszinierte mich das Zusammenspiel zwischen Politik und Verwaltung und damit verbunden die Möglichkeit, etwas aufbauen und bewegen zu können.
«D’REGION»: Gibt es Ereignisse oder Herausforderungen, welche Ihnen speziell in Erinnerung geblieben sind?
Claudia Rindlisbacher: Wenn ich auf die gesamten 16 Jahre beim Regierungsstatthalteramt zurückblicke, gibt es doch einige spezielle Ereignisse, die mir noch in bester Erinnerung sind. Zum Beispiel das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest (ESAF) 2013 in Burgdorf. Ich konnte dabei sehr viel lernen und mitnehmen, da ich sah, wie die Organisation eines solchen Grossanlasses abläuft. Aber mir bleiben auch weniger schöne Ereignisse in Erinnerung, wie das Unwetter im Jahr 2014 in Schangnau, welches viel Leid und Schaden mit sich brachte. So traurig das Ereignis damals war, habe ich da für meine spätere Arbeit als Regierungsstatthalterin extrem viel lernen können.
Als Regierungsstatthalterin empfand ich die Digitalisierung mit allen Facetten, die dahinterstecken, als grosse Herausforderung. Diese hatte grossen Einfluss auf die Arbeits- und Organisationsweise.
«D’REGION»: Was hat sich mit Blick auf Ihre Anfangszeit vor acht Jahren und auf heute, dem Zeitpunkt wo sie das Regierungsstatthalteramt verlassen, verändert? Ist es die angesprochene Digitalisierung?
Claudia Rindlisbacher: Die Digitalisierung ist natürlich ein wichtiger Aspekt im Hinblick auf Veränderungen. Ich glaube aber, dass heutzutage viele Dinge viel schneller und komplexer ablaufen. Ich stelle eine gewisse Schnelllebigkeit fest. Alles muss schneller ablaufen und abgewickelt werden. Das Leben, so glaube ich, ist generell komplexer und komplizierter geworden, auch wenn die Digitalisierung dem entgegenwirken soll.
«D’REGION»: Als Regierungsstatthalterin hatten Sie von Zivilpersonen über Einsatzkräfte von Blaulichtorganisationen bis zu Politikern mit vielen Ansprechpartnern zu tun. Wie gingen Sie mit der grossen Bandbreite an Menschen, mit denen Sie zu tun hatten, um?
Claudia Rindlisbacher: Ich empfand diese von Ihnen angesprochene Bandbreite immer als sehr spannend. Ich mag den Kontakt mit Menschen, was für meine Arbeit stets eine wichtige Voraussetzung war. Als Regierungsstatthalterin hatte ich mit den unterschiedlichsten Individuen in den unterschiedlichsten Lebenssituationen zu tun. Es ist etwas ganz anderes, ob ich bei einem Brandplatz mit den Einsatzkräften spreche oder ob ich mich in Bern an einer Sitzung mit dem Regierungsrat befinde, wo es um Gemeindefusionen geht.
«D’REGION»: Benötigt man als Regierungsstatthalterin eine dicke Haut? Wie gingen Sie mit Kritik und entgegengebrachtem Unverständis um?
Claudia Rindlisbacher: Nebst den vielen schönen Momenten und Erlebnissen – ob beim ESAF oder bei der passenden Lösungsfindung für ein Problem – bilden beispielsweise Brände mit zerstörten Häusern und Todesfällen oder das bereits angesprochene Unwetter die Schattenseite des Jobs. Dafür ist eine etwas dickere Haut schon nützlich.
Betreffend Unverständnis versuchte ich den Leuten immer verständlich zu machen, warum eine Situation oder Handlung so ist, wie sie ist. Die Ansprüche und Anforderungen sind generell nicht kleiner geworden. Ich habe mich stets darum bemüht, Sachverhalte wenn nötig herunterzubrechen und verständlich darzulegen. Ich habe mir angewöhnt, in entsprechenden Fällen mein Gegenüber zu fragen, ob meine Ausführungen oder Erklärungen verständlich waren.
«D’REGION»: Was war Ihnen in Ihrer Tätigkeit als Regierungsstatthalterin, gerade auch mit Blick auf die beschriebenen sehr abwechslungsreichen Situationen, wichtig? Worauf achteten Sie bei der Ausführung des Amtes?
Claudia Rindlisbacher: Für mich war es immer wichtig, die Menschen mit ihren Bedürfnissen und ihrer individuellen Lage wahrzunehmen. Umso entscheidender war das, wenn ich mit Leuten zu tun hatte, die sich in sehr schwierigen Lebenssituationen befanden.
«D’REGION»: Gibt es einen konkreten Tipp, welchen Sie Ihrer Nachfolgerin Alexandra Grossenbacher geben möchten?
Claudia Rindlisbacher (überlegt): Ich glaube, es gibt keinen spezifischen Tipp. Letzten Endes muss man in dieses Amt hineinwachsen können. Der Job hat viel mit Vernetzung, Wissen und Erfahrungen zu tun. All das muss man sich aneignen und sammeln können.
«D’REGION»: Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Claudia Rindlisbacher: Ich weiss es nicht (lacht). Nach den 16 Jahren beim Regierungsstatthalteramt benötige ich nun etwas Zeit, um das Kapitel abschliessen zu können und davon Abschied zu nehmen. Ich werde nicht sofort wieder einen neuen Job beginnen, sondern gönne mir eine Verschnaufpause und möchte meinen Horizont «öffnen» und erweitern. Denn so schön die Zeit als Regierungsstatthalterin auch war, möchte ich in Zukunft doch auch Neuem Platz in meinem Leben geben. Ob das ein Sprachkurs ist oder ob ich das Aquarellieren erlerne, steht noch in den Sternen.
Die Auszeit wird mir sicherlich auch die Möglichkeit geben, über die vergangenen 16 Jahre nachzudenken und diese zu verarbeiten. Zudem bin ich durch und durch eine Emmentalerin und hier verwurzelt. Das wird so bleiben und so werde ich mit Sicherheit auch künftig an gewisse Erlebnisse als Regierungsstatthalterin erinnert werden.
«D’REGION»: Können Sie nach diesem Gespräch und mit Blick auf die vergangenen 8 beziehungsweise 16 Jahre ein Fazit ziehen?
Claudia Rindlisbacher: Das ist eine schwierige Frage. Aber ich glaube, ich kann meine Tätigkeit zusammenfassend als sehr spannend, abwechslungsreich und lehrreich bezeichnen. Zudem verfügt das Regierungsstatthalteramt Emmental über ein unglaublich tolles und gut funktionierendes Team, das sich gegenseitig den Rücken freihält und sich unterstützt. Dieses Fazit lässt sich meiner Meinung nach auf das gesamte Emmental ausweiten. Eine tolle Zusammenarbeit und ein starker Zusammenhalt ist den Menschen hier sehr wichtig. Das ist extrem wertvoll und dafür war und bin ich sehr dankbar.
Joel Sollberger