«Prävention ist einfacher als Therapie»

  22.10.2024 Burgdorf, Aktuell, Gesellschaft

Osteoporose wird meist erst nach einem Knochenbruch diagnostiziert, dabei beginnt der Knochenschwund schon viel früher unbemerkt und schmerzlos. Im Vortrag vom 31. Oktober (Burgdorf) respektive 7. November 2024 (Langnau) zeigen die Fachpersonen der Diabetologie / Endokrinologie und der Ernährungsberatung auf, wie es zu Osteoporose kommen kann, welches die Risikofaktoren für Knochenschwund sind und was der Knochen braucht, um stabil und stark zu bleiben.

«D’REGION»: Was genau ist Osteo­porose?
Catherine Lamm: Die Osteoporose ist eine Erkrankung der Knochen, bei der sich die Knochensubstanz im Laufe der Jahre übermässig abbaut. Dies führt zu einem dünneren und spröderen Knochen, der leichter brechen kann.

«D’REGION»: Was sind die Haupt­ursachen für den Knochenschwund und welche Faktoren erhöhen das Risiko, an dieser Erkrankung zu leiden?
Catherine Lamm: Osteoporose hat viele Risikofaktoren. Zu den Faktoren, die wir beeinflussen können, zählen das Rauchen, übermässiger Alkoholkonsum, Vitamin-D-Mangel, Kalziummangel oder ein sehr tiefes Körpergewicht.Weiter gibt es Medikamente, die den Knochen schädigen. Dazu gehören Cortison-Tabletten, über lange Zeit eingenommene Magenschoner und einige Antidepressiva, aber auch einige Medikamente gegen Epilepsie oder Krebs. Nicht veränderbare Risikofaktoren sind die familiäre Belastung für Osteoporose und das frühe Auftreten der Wechseljahre bei Frauen (vor dem 45. Lebensjahr). Auch gehen chronische Darmerkrankungen, bei welchen der Darm die Nährstoffe nicht mehr gut aufnehmen kann, sowie rheumatische Erkrankungen mit einem erhöhten Risiko für eine Osteoporose einher.

«D’REGION»: Welche frühen Anzeichen und Symptome deuten auf Osteo­porose hin und wie können sie von anderen Beschwerden unterschieden werden?
Catherine Lamm: Die Osteoporose ist heimtückisch und wird meist erst erkannt, wenn es zu Brüchen gekommen ist. Frühe Beschwerden gibt es eigentlich keine. Gelegentlich wird eine Abnahme der Körpergrösse beob­achtet. Wobei hier zu berücksichtigen ist, dass wir alle im Alter etwas kleiner werden. Eine Grössenabnahme von 4 bis 6 Zentimetern und mehr ist aber schon auffällig.

«D’REGION»: Welche Auswirkungen kann die Erkrankung auf den Alltag der Betroffenen haben?
Catherine Lamm: Schlussendlich führen die Brüche von Wirbelkörpern, Schenkelhälsen, Oberarmen oder Becken zu Problemen und Einschränkungen. Die Brüche können bei an Osteoporose Erkrankten oft schon in Alltagssituationen ohne grosse Einwirkung von aussen auftreten, wie zum Beispiel beim Heben eines schweren Gegenstandes. Die Folgen sind Schmerzen, Operationen, Bettlägerigkeit, lange Erholungszeiten, Muskel­abbau und Schwäche.

«D’REGION»: Welche Massnahmen können Betroffene ergreifen, um ihre Lebensqualität trotz der Diagnose Osteoporose zu erhalten oder zu verbessern?
Catherine Lamm: Mit Osteoporose lässt es sich meistens gut leben. Wenn Brüche auftreten, müssen diese zuerst behandelt werden. Dies übernehmen die Fachpersonen der Orthopädie. Ziel ist eine schnelle Heilung, damit keine Schmerzen mehr vorhanden sind und man schnell wieder auf den Beinen ist.  
Dann kommen wir mit der «Osteo­porosetherapie» ins Spiel. Mit dieser Therapie verfolgen wir das Ziel, möglichst einen weiteren Bruch zu verhindern. Hierzu sind präventive und medikamentöse  Massnahmen notwendig. Zum Beispiel ist es wichtig, dass man Stürze vermeidet. Dafür brauche ich kräftige Muskeln, gute Reflexe, ein trainiertes Gleichgewicht. Ein allfälliges Hindernis muss ich erkennen können, das heisst, meine Augen sollten gut sehen (korrigierte Brille) und die Umgebung sollte gut ausgeleuchtet sein. Stolperfallen sollten entfernt oder markiert werden. Für kräftige Muskeln und starke Knochen benötige ich eine ausgewogene, kalzium- und proteinreiche Ernährung. Zudem sollte alles vermieden werden, was für den Knochen schädlich ist. So ist es der richtige Zeitpunkt, um zum Beispiel mit dem Rauchen aufzuhören. Schliesslich gibt es Medikamente, die den Aufbau und Abbau der Knochen beeinflussen können. Diese werden nach individuellen Bedürfnissen vom Hausarzt oder dem Spezialisten eingesetzt.
Zusammen führen all diese Massnahmen dazu, dass weitere Brüche vermieden werden können. Ich brauche gerne das Bild von einem Tisch mit vier Beinen. Ein Bein steht für die eingesetzten Medikamente. Ein Tisch mit nur einem Bein ist jedoch nicht stabil. Je mehr Beine dazukommen, desto stabiler wird er. Die vier Tischbeine sind: 1. Ernährung mit genügend Kalzium, Vitamin D und Eiweiss; 2. Bewegung, Krafttraining und Sturzprophylaxe; 3. Sachen vermeiden, die für den Knochen schädlich sind; 4. Medikamente.

«D’REGION»: Welche diagnostischen Methoden werden zur Erkennung der Osteoporose eingesetzt?
Catherine Lamm: Mit der Knochendichtemessung kann man eine Osteo­porose schon erkennen, bevor es zu Brüchen gekommen ist. Mit dieser speziellen Art der Röntgenuntersuchung wird die Dichte des Knochens beziehungsweise dessen Mineralsalzgehalt gemessen. Diese Untersuchung ist weltweit standardisiert.

«D’REGION»: Wann beginnt die Prävention der Osteoporose?
Catherine Lamm: Die Knochengesundheit sollte schon bei Kindern und dann lebenslang ein Thema sein. In jeder Lebenssituation sollte man versuchen, sich gesund, ausgewogen, kalzium- und proteinreich zu ernähren, viel Bewegung in den Alltag einzubauen und regelmässig  Sport zu treiben. Das Rauchen sollte man gar nie anfangen.

«D’REGION»: Ab welchem Alter sollten Vorsorgeuntersuchungen beginnen?
Catherine Lamm: Vorsorgeuntersuchungen für die Osteoporose werden in der Schweiz nicht empfohlen. Wir raten dazu, das Thema «Osteoporose» in einer hausärztlichen Sprechstunde anzusprechen. Dort kann das Osteoporoserisiko thematisiert und berechnet werden und es besteht die Möglichkeit, zu klären, ob eine Knochendichtemessung sinnvoll ist. Hier gilt es zu beachten, dass diese Untersuchung leider nicht immer von der Krankenkasse bezahlt wird.  

«D’REGION»: Welche praktischen Tipps haben Sie für Betroffene, um Stürze und Knochenbrüche im Alltag zu vermeiden und die Knochengesundheit zu fördern?
Catherine Lamm: Seien Sie neugierig und haben Sie keine Angst vor Veränderungen. Manchmal muss man verschiedene Sportarten oder Menüs ausprobieren, bis man das findet, was einem schmeckt und zu einem passt. Es ist aber nie zu spät, sich einen Rucksack mit kräftigen Knochen und Muskeln fürs Alter zuzulegen. Sie haben es in der Hand. Prävention ist einfacher als Therapie.

zvg

Vortrag in Burgdorf: Donnerstag, 31. Oktober 2024, 19.00 Uhr (Kurslokal Spital Emmental, Oberburgstrasse 54, EG); Vortrag in Langnau: Donnerstag, 7. November 2024, 19.00 Uhr (Spital Emmental, Dorfbergstrasse 10).

 


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