André Müller liebt die Arbeit mit Holz. Das wird bei einem Besuch in seiner Werkstatt in Utzenstorf schnell klar. Aus meist grossen, alten Bäumen, die gefällt wurden, drechselt und schreinert er einzigartige Kunstwerke. Dabei ist es nicht nur das fertige Kunstwerk, das Ändus grosse Leidenschaft ausmacht: «Aus alten, grossen Bäumen etwas herzustellen, die der Gesellschaft in unterschiedlichster Weise etwas geben, macht für mich die Faszination aus. Bäume verfügen über eine teils jahrhundertelange Geschichte. Diese zu verwerten und ihre Geschichte so gewissermassen weiterzuschreiben, ist wohl der Grund für meine grosse Leidenschaft», erzählt der 59-Jährige.
Aufgewachsen in Münsingen, kommt er im dortigen Freizeithaus erstmals in Kontakt mit dem Schreinern und Drechseln. «Das war eine tolle Beschäftigung und seit dieser Zeit schätze ich die Arbeit mit Holz», erinnert er sich. Zur Faszination fürs Holz gesellt sich eine fantasievolle Kreativität. «Eigentlich wollte ich Friseur werden, da ich meine Kreativität ausleben wollte. Letztlich absolvierte ich dann eine Mechanikerlehre – das genaue Gegenteil. Als Mechaniker gibt es keinen kreativen Spielraum und man arbeitet exakt nach Plänen», meint der heutige Lokführer schmunzelnd.
Vor rund 30 Jahren begann André Müller in einer eigenen kleinen Werkstatt, seine Kreativität wieder vermehrt auszuleben. Nach und nach wurde der Platz für seine Arbeiten, die Maschinen und das gesammelte Holz immer enger. «So kam es, dass ich eine grössere Werkstatt mieten musste.» Bis Ende Jahr ist diese noch an der Schlossstrasse in Utzenstorf, danach folgt der Umzug in eine noch grössere Räumlichkeit, verrät der Utzenstorfer.

Kein Stück Holz ist wie das andere
Für seine Kunstwerke verwertet Ändu primär Holz aus der Region. Die Baum­arten sind dabei so unterschiedlich wie die daraus entstehenden Kunstwerke. «Es sind vor allem die grossen Bäume, die ich verwerten möchte.» Ob es sich dabei um eine Eiche, eine Pappel, eine Buche, einen Kirsch- oder einen Nussbaum handelt, ist für ihn zweitrangig. So oder so kann der leidenschaftliche Drechsler dem Holz etwas abgewinnen. «Jedes Stück Holz hat seine eigene Geschichte. Entsprechend ist auch die Bearbeitung und das Verhalten des Holzes unterschiedlich.  Die Leidenschaft für Holz ganz allgemein macht aus André Müller folglich auch einen leidenschaftlichen Holzsammler. Begeistert erzählt er die Geschichte einer alten Mooreiche aus Biberist: «Ich habe den Baumstamm einem Dentrachronologen gegeben. Dieser datierte den Ursprung des Baumes auf das Jahr 1450», hält Ändu immer noch staunend fest. Ein Blick in die Werkstatt zeigt die mögliche Zukunft der alten Mooreiche. Ob eine beeindruckend gedrechselte, kunstvolle Kugel, ein imposanter Tisch oder eine Geburtsschale, die den Besitzenden während des ganzen Lebens begleitet, ist alles möglich. Mit dem Wissen und Können von André Müller gibt es für sein Schaffen keine Grenzen.

Geschichten werden weitergeschrieben
Für seine Leidenschaft investiert André Müller sehr viel Zeit. «Ich verbringe pro Woche -zig Stunden in der Werkstatt oder sammle Holz», so der vierfache Familienvater. Die Früh- und Spätschichten seiner Arbeit als Lokführer kämen ihm dabei entgegen, meint er. «Und in rund drei Jahren möchte ich in Pension gehen. Von da an werde ich mir noch mehr Zeit für mein Hobby nehmen und möglichst viele meiner Ideen verwirklichen», so André Müller vielversprechend. Er will beispielsweise künftig seine Holzarbeiten mit Gesteinen ergänzen. «Steine verfügen über eine ähnlich faszinierende und langjährige Geschichte wie Holz. Ich habe noch ganz viel Grindelwalder Marmor und diverse Findlinge, ich kann es kaum erwarten, diese zu verarbeiten.» Man darf folglich gespannt sein, welche Kunstwerke Ändu noch herstellen wird. Sicher ist, dass er künftig weiter an den Geschichten der einzelnen Naturprodukte – sei es Holz oder Gestein – schreiben wird.

Joel Sollberger