«Ich bin bereit, mich den kommenden Herausforderungen zu stellen»
30.10.2024 Burgdorf, Aktuell, Gesellschaft, Politik«D’REGION»: Welche Gründe waren für Sie ausschlaggebend, nach acht Jahren als Stadtpräsident erneut für dieses Amt zu kandidieren?
Stefan Berger: Die Arbeit als Stadtpräsident bereitet mir nach wie vor sehr viel Freude. Ich bin motiviert und voller Energie. Zahlreiche Projekte wie zum Beispiel die Schulraumplanung, die digitale Transformation oder die Verwaltungsraumplanung gelangen nun in ihre Umsetzungsphase. Wir haben diese Projekte in den letzten acht Jahren angestossen. Gerne würde ich nun auch die Umsetzung begleiten. Auch andere Herausforderungen wie die Auswirkungen des Klimawandels werden grösser. Darauf Antworten zu finden und Massnahmen umzusetzen, reizt mich. Ich bin bereit, mich diesen Herausforderungen zu stellen, gemeinsam Ideen zu entwickeln und für die Stadt sowie die Bürgerinnen und Bürger gute Lösungen zu finden und zu realisieren.
«D’REGION»: Ist das Amt als Stadtpräsident von Burgdorf ein Privileg oder bringt die Aufgabe auch Schattenseiten mit sich?
Stefan Berger: Es ist ein grosses Privileg, Stadtpräsident von Burgdorf sein zu dürfen, denn das Amt bringt sehr viele Gestaltungsmöglichkeiten mit sich, was ich ungemein schätze. Natürlich ist die Arbeit fordernd und zeitintensiv. Man ist nicht nur während den Bürozeiten Stadtpräsident, sondern 24 Stunden am Tag. Für unsere wunderbare Stadt und ihre Entwicklung bin ich aber sehr gerne unterwegs.
«D’REGION»: Über welche Charaktereigenschaften sollte ein Stadtpräsident ihrer Meinung nach verfügen?
Stefan Berger: Er sollte offen sein, gut zuhören können, gerne mit Menschen zusammenarbeiten und Gestaltungswillen aufweisen. Man muss Visionen haben, Ideen entwickeln, Trends erahnen, über Organisationstalent verfügen und Projekte leiten können. Als Stadtpräsident muss man mit Menschen aus verschiedensten Ecken zusammenarbeiten können, denn für den Erfolg ist eine fruchtbare Zusammenarbeit unabdingbar.
«D’REGION»: Ein politisches Dauerthema ist die finanzielle Lage der Stadt Burgdorf. Die Schulden belaufen sich auf rund hundert Million Franken. Wie beurteilen Sie die Situation und mit welchen Massnahmen lässt sich die Problematik in den Griff kriegen?
Stefan Berger: Oftmals wird nur einseitig das Fremdkapital betrachtet. Dabei wird ausser Acht gelassen, was sich auf der Gegenseite befindet: Die Stadt Burgdorf verfügt über Liegenschaften und Grundstücke und ist alleinige Aktionärin des Stromversorgers Localnet AG. Bei den Schulden sind auch Darlehen an Dritte aufgeführt – etwa an die Markthalle, das regionale Eissportzentrum oder das Casino Theater. Die eingesetzten Mittel fliessen also nicht einfach in den städtischen Betrieb, sondern haben direkten Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger. Wir wollen jeden Steuerfranken optimal einsetzen und legen Prioritäten fest.
«D’REGION»: Können Sie ein Beispiel nennen?
Stefan Berger: Bauprojekte wie die dringend notwendige Schulraumerweiterung oder die Verwaltungsraumplanung erfordern massive Investitionen – bei ausgeglichenem Budget. Das ist auch der Auftrag des Stadtrats. Gemeinsam mit Langenthal haben wir auf kantonaler Ebene erreicht, dass uns endlich unsere Zentrumsfunktionen besser abgegolten werden. Spätestens ab 2027 sind Burgdorf und Langenthal den Städten Bern, Biel und Thun gleichgestellt. Das verschafft uns in Burgdorf zusätzlichen Spielraum.
«D’REGION»: Sind Steuererhöhungen also ein Schreckgespenst?
Stefan Berger: Ziel ist es, alle notwendigen Investitionen ohne Steuererhöhung tätigen zu können. Dafür brauchen wir in der nächsten Legislatur aber zusätzliches Fremdkapital. Wie dieses längerfristig beschafft werden soll, müssen wir rechtzeitig politisch diskutieren.
«D’REGION»: Burgdorf versteht sich traditionell als Bildungsstadt. Die Herausforderungen im Bereich Bildung sind gegenwärtig allerdings gross. Die Bereitstellung des notwendigen Schulraums erfordert gewaltige Investitionen. Mit dem näher rückenden Wegzug der bisher in Burgdorf angebotenen Studiengänge der Fachhochschule verliert der Bildungsstandort zudem an Attraktivität. Weiter will der Regierungsrat aus Spargründen auf die Realisierung des Bildungscampus Burgdorf mit Technischer Fachschule und erweitertem Gymnasium verzichten. Wie wollen Sie die Zukunft der Bildungsstadt Burgdorf sicherstellen?
Stefan Berger: Burgdorf ist eine attraktive Bildungsstadt und soll dies auch bleiben. Dafür setze ich mich als Stadtpräsident mit aller Kraft ein. Wir kennen heute den Bedarf an Schulraum für alle Schulen und haben für sämtliche Schulstandorte eine räumliche Potenzialanalyse erstellt. Natürlich sind solche Daten immer bloss eine Momentaufnahme. Darum arbeiten wir auch mit Prognosemodellen, welche wir in Zukunft dank intensiverer Zusammenarbeit unter den Direktionen noch verbessern wollen. Nun geht es an die schrittweise Umsetzung, Schulhaus um Schulhaus.
Betreffend Technischer Fachschule werde ich im Grossen Rat darum kämpfen, dass der Kanton sein gegebenes Versprechen hält und die «Lädere» Teil des Bildungscampus Burgdorf wird.
«D’REGION»: Burgdorf hat sich ambitionierte Klimaziele gesetzt und strebt bis 2030 für die Stadtverwaltung und bis 2050 für das gesamte Stadtgebiet das Netto-Null-Ziel an. Weshalb hat die Erreichung dieses Zieles Priorität?
Stefan Berger: Wie wichtig Klimaschutzmassnahmen sind, zeigte sich eindrücklich diesen Sommer bei zahlreichen katastrophalen Wetterereignissen. Auch wir in Burgdorf haben Hausaufgaben zu lösen. So setzen wir etwa auf das Konzept der «Schwammstadt»: Die Umgebung wird so gestaltet, dass sie überschüssiges Wasser wie ein Schwamm vor Ort speichern kann, um dieses bei Hitze wieder abzugeben. Das wirkt bei Starkniederschlägen wie auch bei Hitzeperioden. Zudem fördern wir die Vielfalt der Arten, also die Biodiversität. Ziel ist, dass wir die hohe Lebensqualität in Burgdorf nicht nur halten, sondern sogar steigern können.
«D’REGION»: Wie verstehen Sie Lebensqualität?
Stefan Berger: Umfassend! Dazu gehören Klimamassnahmen, aber auch ein vielseitiges Kultur- und Freizeitangebot, schöne Plätze und Grünanlagen, Sportanlagen, gute Schulen und Betreuungsmöglichkeiten, ein ausserschulisches Weiterbildungsangebot oder eine transparente Verwaltung, die nahe an den Bürgerinnen und Bürgern arbeitet. Sprich alles, was Burgdorf für die Bevölkerung attraktiv und lebenswert macht.
«D’REGION»: Welche Projekte haben für Sie – bei einer Wiederwahl – in der kommenden Legislaturperiode oberste Priorität?
Stefan Berger: Die Schulraumplanung muss nun konsequent umgesetzt werden. Auch bin ich klar der Ansicht, dass Burgdorf ein neues Hallenbad und eine gute Rollsportanlage braucht. Auch die Zusammenlegung der Verwaltung und eine allfällig damit verbundene Reorganisation sowie die räumliche Entwicklung der Stadt im Bereich Wohnen und der Industrie haben für mich eine hohe Priorität. Richtschnur bei allen Projekten ist immer: mehr Lebensqualität.
«D’REGION»: Spielt die Parteizugehörigkeit bei der Ausübung des Stadtpräsidentenamtes eine Rolle?
Stefan Berger: Ich habe einen klaren Wertekompass und lasse auch meine Erfahrungen als Unternehmer und Gründer mehrerer Start-ups einfliessen. Mir ist wichtig, die Diskussionen im Gemeinderat fair und umsichtig zu leiten. Ich will ein Stadtpräsident für alle Einwohnerinnen und Einwohner sein. Burgdorf verdient eine längerfristige Perspektive, einen offenen Geist, Gestaltungswillen und grosse Einsatzbereitschaft.
Interview: Markus Hofer