Ein Schrecken ohne Ende

  19.11.2024 Oberburg, Aktuell

Ein Heckenbrand im eigenen Garten ist das jüngste Ereignis in der Leidensgeschichte des in Oberburg wohnhaften lesbischen Paares B. H. und H. F.*. Vor rund zwei Wochen rief eine Nachbarin B. H. an und informierte sie darüber, dass eine Hecke in ihrem Garten lichterloh brenne. Zum Glück konnte die Feuerwehr rechtzeitig intervenieren und den Brand löschen, bevor dieser auf Garage und Haus übergehen und so noch grösseren Schaden anrichten konnte. Was bleibt, sind nebst der verbrannten Hecke im Garten Angst und Verzweiflung bei den betroffenen B. H. und H. F.
Dem jüngsten Ereignis von Ende Oktober geht eine lange Auflistung von Sachbeschädigungen, Vandalismus und homophoben Beleidigungen gegen das Paar voraus, welche in verschiedenen Medien für Schlagzeilen sorgten. Am 1. August dieses Jahres etwa wurde das Paar beim Apéro mit Gästen mit Eiern beworfen. Die Übeltäter sind Jugendliche aus Oberburg, deren Alter H. F. auf 12 bis 17 Jahre schätzt. Seit zwei Jahren randaliert die Gruppe Jugendlicher immer wieder, wirft Steine gegen das Haus und beleidigt und demütigt H. F. und ihre Partnerin aufs Übelste. Das Paar erlebt seit zweieinhalb Jahren einen Schrecken ohne Ende, verbunden mit grosser Angst und Verzweiflung. «Wir sind mit unseren Nerven am Ende, finden kaum mehr Schlaf und befinden uns in ständiger Alarmbereitschaft», beschreibt H. F. den Gemütszustand von ihr und ihrer Partnerin. «Wer weiss, was nach dem Heckenbrand als Nächstes passiert?», fragt sich H. F. Die Intensität der Übergriffe habe in den vergangenen Monaten stetig zugenommen. Auch die Beleidigungen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung seien immer extremer geworden, erzählt B. H.

Von Beleidigungen zu mutmasslicher Brandstiftung
Alles begann, als H. F. bei B. H. vor zweieinhalb Jahren einzog. Zu Beginn hörten sie von Jugendlichen Beleidigungen aufgrund ihrer Homosexualität. «Obwohl die Beleidigungen tief  unter der Gürtellinie waren, liessen wir diese zunächst über uns ergehen. Doch irgendwann wurde auch für uns eine Grenze überschritten, weshalb wir uns verbal zur Wehr setzten», erinnert sich B. H. Von da an seien die homophoben und sexistischen Beleidigungen intensiver geworden. Hinzu kamen physische Attacken, beispielsweise mit dem Werfen von Eiern und Steinen. Der Heckenbrand bildete nun den traurigen Höhepunkt einer bisher stetig fortschreitenden Eskalation. «Die Experten der Polizei vor Ort teilten uns mit, dass eine Hecke zu dieser Jahreszeit natürlich nicht einfach so Feuer fängt und sie deshalb von Brandstiftung ausgehen», erzählt B. H. Das Paar erstattete daraufhin Anzeige gegen unbekannt, die Polizei nahm Ermittlungen auf.

Geringe Hoffnung seitens des Paares auf Besserung
Grosse Hoffnung auf eine Besserung der Lage hat B. H. dennoch nicht.  «Nach all den Erlebnissen ist unsere Hoffnung auf eine Verbesserung der Situation nahezu null. Auch die Anzeige nach dem Vorfall vom 1. August dieses Jahres führte zu keiner Besserung.» Das Paar fühle sich ganz allgemein im Stich gelassen. Im Austausch mit der Gemeinde Oberburg habe diese gegenüber dem Paar erwähnt, dass ihr in dem Fall aus rechtlichen Gründen zum Teil die Hände gebunden seien. Der Oberburger Gemeinderatspräsident Werner Kobel bestätigt dies auf Anfrage. «Unsere Möglichkeiten als Gemeinde sind in diesem Fall beschränkt. Wir können nicht selbst Ermittlungen aufnehmen, unterstützen aber die Behörden so gut wie möglich und stehen mit dem betroffenen Paar im Austausch. Die verschiedenen Vorfälle können wir als Gemeinde nicht akzeptieren und verurteilen diese aufs Schärfste», hält Werner Kobel fest.
«Meine Partnerin und ich hören oft, dass wir angesichts der verschiedenen Attacken und Beleidigungen doch umziehen sollen. Doch das kommt für mich nicht infrage. Ich bin in Oberburg aufgewachsen und wohne in meinem Elternhaus. Ich lasse mich nicht vertreiben», hält B. H. fest. Dass im Jahr 2024 solche homophoben Beleidigungen sowie Vandalismus und Sachbeschädigungen möglich seien, stimme sie nachdenklich. Es fehle offensichtlich nach wie vor an Akzeptanz für die Lebensweise von ihr und ihrer Partnerin H. S. «Wir erhoffen uns, dass solche Aktionen klare Konsequenzen haben. Doch dies ist momentan leider nicht der Fall», führt B. H. aus.
Der einzige Hoffnungsschimmer sei der Kontakt mit der Lesbenorganisation Schweiz. «Sie unterstützen uns, machen auf den Fall aufmerksam und klären gemeinsam mit meiner Partnerin und mir unsere Möglichkeiten und Optionen ab», erzählt B. H. Der Wunsch des lesbischen Paares ist simpel: «Wir möchten einfach in Ruhe unser Leben führen können.» Es ist zu hoffen, dass der Vorfall mit dem Heckenbrand den Schlusspunkt einer langjährigen Leidensgeschichte war und so der bisherige Schrecken ohne Ende für B. H. und H. F. ein Ende mit Schrecken nimmt.

Joel Sollberger
*Namen der Redaktion bekannt


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