Die lange Nacht des Stadtrats – letzte Sitzung vor der Sommerpause

  25.06.2024 Burgdorf, Aktuell, Politik

Das Areal der ehemaligen Verbandsmolkerei, besser bekannt als alte Butterzentrale, ist eines der wichtigsten Entwicklungsareale im Innenstadtgebiet von Burgdorf. Für die Neubebauung ging bei einem Wettbewerb die GWJ Architektur AG Bern als Siegerin hervor. Doch bis zur Umsetzung sind noch diverse Hürden zu überwinden.
In der Nutzungskonzeption sei neben einem Parking für die Grundstückbesitzenden auch ein öffentliches Parking mit 54 Einstellplätzen vorgesehen, erklärte Gemeinderätin (GR) Beatrice Kuster. Dafür müsse die Einwohnergemeinde (EWG) mit der Eigentümerschaft einen Dienstbarkeitsvertrag unterzeichnen. Für die entsprechende Nutzungsdauer bezahlt die EWG eine Miete von jährlich 197 000 Franken. Bei einer Laufzeit von 50 Jahren erwachsen Kosten von 9,85 Millionen Franken, mit jährlichen Betriebs- und Bewirtschaftungskosten von 45 000 Franken ergibt das eine Summe von 12,1 Millionen Franken. Die finanziellen Aufwendungen würden über den Parkplatzfond finanziert.
Gabriela Bannwart stellte für die SP-Fraktion einen Rückweisungsantrag, der von allen Fraktionen unterstützt wurde. Verschiedene Wortmeldungen präzisierten das Anliegen: Parkplätze im Bereich der alten Butterzentrale seien wichtig, das bestritt niemand. Die Vorlage sei jedoch ungenügend ausgearbeitet. Der Stadtrat (SR) erwartet ein Parkplatzkonzept für die Unterstadt.

Verwaltungsraumplanung B.move geht in Phase 2
Das Projekt B.move umfasst die Verwaltungsraumplanung, welche die Zentralisierung der Direktionen zum Ziel hat. Mit einem Beschluss vom 19. Juni 2023 hat der SR den GR beauftragt, das Szenario an der Lyssachstrasse weiterzuverfolgen und einen Projektierungskredit auszuarbeiten. Nun startet Phase 2 mit der Prüfung der spezifischen Anforderungen der Feuerwehr betreffend Einsatzmöglichkeiten. Der Standort Lyssachstrasse verlangt umfassende, bauliche Veränderungen für die Feuerwehr. Für Abklärungen der Phase 2 müssen keine internen Stellen geschaffen werden. Externe Begleitungen seien im beantragten Kredit integriert, erklärte Stadtpräsident Stefan Berger. Bei einer Ablehnung des Kredits müsste trotzdem, ohne längerfris­tige Verbesserungen, in die Verwaltung investiert werden.
Allgemein wird die sorgfältige Planung von B.move geschätzt. Der SR steht hinter der Verwaltungsraumplanung, doch die Schulraumplanung dürfe deswegen nicht in den Hintergrund rücken. «Es darf nicht von Provisorium zu Provisorium geplant werden», so Ulrich von Känel (GLP).
Der SR stimmte den verschiedenen Anträgen zur Realisierung von Phase 2 zu. Dazu gehört ein Planungskredit von 927 000 Franken.

Vernünftige Mehrweggeschirr- und Pfandregelung bei Anlässen in Burgdorf
Die FDP-, GLP-, Mitte- und SVP-EDU- Fraktionen erachten die aktuelle Mehrweggeschirr- und Pfandregelung als aufwendig und kompliziert. Sie verursacht Mehraufwand und Zusatzkosten. Zudem ist zu befürchten, dass dadurch Veranstaltende auf andere Gemeinden ausweichen. Aus diesem Grund wünschen sich die Fraktionen eine Angleichung an die kantonale Gesetzgebung. Der GR schlug vor, die Anpassungen anzunehmen, die Pfandpflicht für PET-Flaschen jedoch beizubehalten. Weil sich der SR in diesem Punkt nicht einig war, wurde über die verschiedenen Anpassungen separat abgestimmt und alle, auch die Abschaffung der Pfandpflicht auf PET-Flaschen, fanden Zustimmung.  

Keine Vertrauensarbeitszeit für Abteilungsleitende und Kadermitarbeitende der Stadt
Die FDP-Fraktion beauftragte den GR, nötige Anpassungen vorzunehmen, damit für Abteilungsleitende und Kadermitarbeitende der Stadt Burgdorf die Vertrauensarbeitszeit eingeführt werden kann. Diese wird sowohl beim Bund wie auch im Kanton und zahlreichen Städten und Gemeinden praktiziert. Damit soll verhindert werden, dass bei wichtigen Kaderstellen Überstunden angehäuft werden.
Stefan Berger führte zahlreiche Gründe an, die klar gegen die Umsetzung dieses Auftrags sprechen. Er erklärte, dass in der nächsten Legislatur das Personalreglement überarbeitet werde. Der Auftrag wurde auf Empfehlung des GR mit 23 Neinstimmen (absolutes Mehr 20) abgelehnt.

Amtszeitbeschränkung für das Stadtpräsidium
Mit einer überparteilichen Motion der FDP-, GLP-, Mitte- und SVP-EDU-Fraktionen soll eine Amtszeitbeschränkung für das Stadtpräsidium eingeführt werden.  Stand heute ist, dass die nebenamtlichen Mitglieder des GR und SR ihre Tätigkeit während 12 Jahren ausüben dürfen.
Der GR erklärte sich bereit, die Amtszeit des Stadtpräsidiums ebenfalls auf 12 Jahre zu beschränken und die reglementarischen Grundlagen anzupassen. Mit einer Regelung sollen Übergangsbestimmungen nicht für bereits im Amt gewählte Personen Anwendung finden. Der SR stimmte dem Antrag mit 37 Jastimmen zu.  

Keine obligatorische Abstimmung bei hohen Investitionssummen und wiederkehrenden Beiträgen
Mit einer überparteilichen Motion beauftragten die FDP-, GLP-, und SVP-EDU-Fraktionen den GR, bei der nächsten Gemeindeordnungsrevision bei hohen Investitionssummen und wiederkehrenden Beiträgen eine obligatorische Volksabstimmung einzuführen und schlugen entsprechende Schwellenwerte vor.
In Beispielen zeigte Stefan Berger auf, bei welchen Geschäften in der Vergangenheit und bei welchen bereits in Planung stehenden Projekten eine Urnenabstimmung nötig wäre. Zudem verglich er die Schwellenwerte mit denen anderer Gemeinden. «Ihr übertragt eure Kompetenzen damit den Stimmbürger/innen, das müsst ihr euch bewusst sein», meinte er an den SR gerichtet. Es mache Sinn, die Zuständigkeiten in der Gemeindeordnung zu prüfen und anzupassen. Der GR wolle da nicht im Weg stehen und empfehle den Antrag zur Annahme. Die Motion wurde mit 19 Jastimmen und 20 Neinstimmen knapp abgelehnt.

Kein «konstruktives Referendum» für die Burgdorfer Stimmbevölkerung
Mit einer Motion beauftragte die FDP-Fraktion den GR, bei der nächs­ten GO-Revision einen Volksvorschlag «konstruktives Referendum» für Initiativen einzuführen. Zu Beschlüssen des SR – Erlasse, Änderungen oder Aufhebungen von städtischen Reglementen, ausserordentliche Gemeindesteuern, Neuausgaben von mehr als einer Million Franken – soll ein Gegenvorschlag formuliert werden können. Dieser müsste innerhalb von 60 Tagen nach der Veröffentlichung, unterschrieben von 500 Stimmberechtigten, eingereicht werden.
Der GR empfahl diese Motion zur Ablehnung, weil sie zu wenig klar formuliere, welche Inhalte diesem konstruktiven Referendum zu unterstellen seien. In der Praxis wäre die Anwendung kompliziert, aufwendig und würde zu einer Schwächung des Parlaments führen. Nach Meinung des GR überwiegen die Nachteile.
Für die FDP erklärte Shana Kuster, dass die FDP an der Motion festhalte. Sie wolle damit die demokratischen Rechte erweitern. Tanja Blume (SP) bekräftigte, dass sie sich stets für demokratische Rechte einsetze, doch dieses Anliegen sei zu kompliziert. Die Bevölkerung habe nicht denselben Einblick in die Dossiers wie der GR und SR. Es bleibe den Stimmberechtigten aber jederzeit offen, eine Initiative zu lancieren. Die Motion wurde mit 28 Neinstimmen abgelehnt.
 
Kein Vorkaufsrecht für Liegenschaften und Boden in Burgdorf
In einem Postulat der SP-Fraktion wurde der GR gebeten zu prüfen, ob und wie in der Stadt Burgdorf ein Vorkaufsrecht für Liegenschaften und Boden für die Stadt eingeführt werden kann. Damit soll diese schneller auf Bedürfnisse der Bevölkerung und die kommenden Entwicklungen eingehen können.
Der GR konnte mit Angaben anderer Gemeinden, die sich bereits mit dieser Thematik befasst haben, Pro und Kontra abwägen. Dabei hat er festgestellt, dass die Umsetzung eines Vorkaufsrechts für Liegenschaften und Boden komplex ist. Er erachtet ein Vorkaufsrecht als problematisch, sieht aber für eine aktive Land- und Bodenpolitik Handlungsbedarf. Er erklärte sich darum bereit, zeitnah eine entsprechende Vorlage auszuarbeiten. Das Postulat wurde mit 26 Neinstimmen abgelehnt.

Klimaschutz und Biodiversität
Die Grüne Fraktion richtete verschiedene Fragen an den GR, welche Massnahmen und Ziele des Legislaturplans 2021–2024 betrafen.
Die Stadt Burgdorf sei bestrebt, so der GR, das Thema Biodiversität in der Planung und beim Unterhalt von öffentlichen Freiräumen sowie bei privaten Bauprojekten zu berücksichtigen. Bis Ende 2024 sollen alle Biodiversitätsflächen in die Plangrundlagen des Anlagenkatasters aufgenommen werden.  Die Anlagen werden nach Pflanz- und Pflegeplan angelegt, gepflegt und unterhalten, Rasenflächen mit organischem Dünger gepflegt. Bei Neuanpflanzungen steht eine ökologische Aufwertung im Vordergrund. Die Baudirektion pflanze einheimische Hecken und achte auf eine Artenvielfalt mit Nahrungs­angebot für Insekten. Weiter sei die Baudirektion bemüht, invasive Neophyten unter Kontrolle zu halten. Für die Grüne Fraktion bedankte sich Christian Hediger für die zufriedenstellende Antwort.
In einer weiteren Interpellation wiesen die Grünen den GR darauf hin, dass er die strategischen Grundlagen für Klimaschutz und Biodiversität bis Ende 2022 formulieren wollte. Da diese dem SR noch nicht vorliegen, befürchten die Grünen eine Verzögerung der Umsetzung der KlimaVision30. Der GR erklärte sein Vorgehen, beispielsweise die im März verabschiedete «Klimastrategie Burgdorf – Klimaschutz» und die Fortschritte bei der Mobilitäts- und Immobilienstrategie. Für die Grünen erklärte Simon Reusser die Antworten als teilweise befriedigend.

Vergaben von externen Aufträgen der Burgdorfer Stadtverwaltung
Die FDP-Fraktion stellte dem GR in einer Interpellation Fragen zur Transparenz bei den Vergaben von externen Aufträgen der Burgdorfer Stadtverwaltung. Sie möchte damit dem SR, der Burgdorfer Bevölkerung sowie dem Gewerbe Einblick ermöglichen, wie Steuergelder verwendet werden. Der GR wies auf die Website der Stadt Burgdorf hin, wo entsprechende Kriterien in einem Leitfaden abrufbar seien. Der GR sei bemüht, das einheimische Gewerbe zu berücksichtigen, doch ein eigentliches Strategiepapier sei nicht vorhanden. Elias Maier zeigte sich nur teilweise befriedigt mit den Antworten: «Lokales Gewerbe soll mehr unterstützt werden, denn es schafft Arbeitsplätze und bezahlt Steuern in der Stadt.»

Verbesserung der Sportinfrastruktur
Mit einer Interpellation betreffend Verbesserung der Sportinfrastruktur gelangten die Fraktionen SVP/EDU, FDP, GLP und Mitte an den GR. Dieser ist sich bewusst, dass im Rahmen der Schulraumentwicklung nicht nur der Ausbau von Schulraum, sondern auch von Turnraum erforderlich ist. Dazu gehören Turnhallen und Aussenflächen. Verbesserungen werden angestrebt, beispielsweise durch die Reduktion von Hallenferien und mithilfe eines Online-Reservationstools, das in Planung ist. Jonas von Allmen (SVP) zeigte sich zufrieden mit den Antworten.

Finanzierung und rechtzeitiger Bau von genügend Volksschulraum
Mit einer dringlichen Interpellation zeigten Die Mitte, die EDU, FDP, GLP, SVP, Annemarie Althaus (SP) und Viktoria Müller (Grüne), dass für sie unklar ist, ob dem GR die Herausforderung Schulraum genügend bewusst ist. Darum gelangten sie mit verschiedenen Fragen an ihn. Eine weitere Interpellation der SP-Fraktion richtete ebenfalls vertiefte Fragen an den GR.
Der GR erklärte, dass dem SR im August 2024 der Abschlussbericht zur Schulraumentwicklung vorgestellt werde. Weiter wies er darauf hin, dass nebst dem Schulraumbau, für den über 100 Millionen Franken eingesetzt werden müssen, auch eine Lösung für das Hallenbad anstehe. Zudem seien mit der Verwaltungsoptimierung B.move und der Klimastrategie 2030 gleichzeitig weitere Grossprojekte am Laufen.
Der GR will die Schulraumentwicklung neben den anderen Projekten prioritär behandeln. Aktuell werde an der Bedürfnisformulierung und an Lösungsstrategien intensiv gearbeitet, damit die Schulprojekte bis Ende Sommer 2024 bereitstehen. Aktuell sind in Burgdorf keine Reserven an Schulraum vorhanden (siehe Informationen aus dem Gemeinderat). Annemarie Althaus (SP) erklärte, die Antwort habe sie teilweise befriedigt.

Personelle Veränderungen
Der SR ist zuständig für die Ernennung einer Sekretärin oder eines Sekretärs der Geschäftsprüfungskommission. Nach der Demission von Stefanie Meier-Gubser wurde Raphael O. Fankhauser, Rechtsanwalt und Notar bei Bürgi & Partner Burgdorf, einstimmig gewählt.
Damaris Hauser (GLP) demissionierte auf Ende Juni als Stadträtin.

Verschiedenes
Im Kommissionsreglement, das die Aufgaben der Sozialkommission regelt, wurde eine Präzisierung von Artikel 24 und 25 vorgenommen.
Der GR schlug vor, verschiedene, noch nicht erfüllte Motionen, Postulate und Aufträge abzuschreiben. Den Abschreibungen stimmte der SR einstimmig zu. Christian Hediger (Grüne) zeigte sich enttäuscht, dass ein überparteilicher Auftrag zur Schaffung eines Inventars der Standorte von Fledermäusen keine Beachtung fand.  
Die Abfallsammelstelle für das Steinhofquartier/Lindenfeld wurde vorübergehend aufgehoben. Nach Abschluss des Baubewilligungsverfahrens wird am selben Standort eine Nebensammelstelle eingerichtet. 

Helen Käser


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