Depression im Alter – aktuelle Behandlungsmöglichkeiten
20.03.2025 Burgdorf, Gesellschaft, RegionBei älteren Menschen äussern sich Depressionen nicht immer durch die «klassischen» Symptome wie Traurigkeit, Antriebslosigkeit oder Schlafstörungen. Es können auch Symptome im Vordergrund stehen, die auf den ersten Blick und für Unerfahrene nicht an eine Depression denken lassen: Diese Patientinnen und Patienten klagen vorwiegend über Gedächtnisstörungen oder körperliche Symptome wie Schmerzen, Enge- und Beklemmungsgefühle, Magen-DarmProbleme und andere körperliche Beschwerden. In einem Vortrag zeigt Dr. med. Markus Guzek, Chefarzt Alterspsychiatrie am Spital Emmental, auf, wie die Diagnose gestellt und vor allem wie Altersdepressionen behandelt werden.
«D’REGION»: Was genau unterscheidet eine Depression im Alter von einer Depression in jüngeren Jahren?
Markus Guzek: Altersdepressionen unterscheiden sich in einigen zentralen Punkten von Depressionen im jüngeren Lebensalter. Oftmals treten sie im Zusammenhang mit altersbedingt auftretenden Veränderungen auf wie dem Verlust der Lebenspartnerin / des Lebenspartners, gesundheitlichen Einschränkungen oder zunehmender Pflegebedürftigkeit. Die depressiven Symptome wie Antriebslosigkeit, Interesseverlust oder Freudlosigkeit können zudem durch die normalen Alterserscheinungen wie kognitive Defizite oder körperliche Einbussen überlagert werden. Hinzu kommen häufig somatische Beschwerden wie Schlafstörungen, Appetitverlust oder Schmerzen, die die Diagnose erschweren.
«D’REGION»: Weshalb werden Depressionen im Alter so lange nicht als solche erkannt?
Markus Guzek: Leider bleiben Depressionen im Alter oftmals lange Zeit unerkannt. Ältere Menschen neigen dazu, depressive Symptome zu bagatellisieren und als nicht behandlungsbedürftig wahrzunehmen. Anzeichen einer Depression werden mitunter auch von Bezugspersonen übersehen oder fälschlicherweise als normale Alterserscheinungen interpretiert. So stehen bei Altersdepressionen häufig körperliche Beschwerden im Vordergrund oder die Patientinnen und Patienten erwähnen hauptsächlich diese Einschränkungen. Dies kann dazu führen, dass stark auf die Abklärung oder die Behandlung der körperlichen Beschwerden fokussiert wird und die zugrunde liegenden psychiatrischen Symptome zu wenig beachtet werden. Hinzu kommt, dass viele ältere Menschen Hemmungen haben, professionelle psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
«D’REGION»: Welches sind die Ursachen oder Risikofaktoren, die zu einer Depression im Alter führen?
Markus Guzek: Als zentrale Ursachen und Risikofaktoren für Depressionen im Alter gelten einschneidende Lebensereignisse wie der Verlust der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners, die Diagnose einer schweren Erkrankung oder der Verlust der Selbstständigkeit. Auch chronische Erkrankungen, die mit Schmerzen, Funktionseinbussen oder Pflegebedürftigkeit einhergehen, können depressive Verstimmungen begünstigen. Soziale Isolation, Einsamkeit und der Verlust wichtiger sozialer Kontakte im Alter erhöhen ebenfalls das Risiko. Darüber hinaus spielen kognitive Beeinträchtigungen wie Demenz oder eine genetische Veranlagung und frühere Depressionen in der Biografie eine wesentliche Rolle.
«D’REGION»: Welche besonderen Herausforderungen gibt es bei der Diagnose und Behandlung von Altersdepressionen im Vergleich zu Depressionen in jüngeren Lebensphasen?
Markus Guzek: Über die wichtigste Herausforderung haben wir bereits gesprochen. In der Diagnostik ist vor allem die Abgrenzung gegenüber anderen Störungen sowie körperlichen Erkrankungen schwierig. Natürlich auch deswegen, weil gesundheitliche Störungen im Alter vielfältiger und häufiger sind. Entsprechend oft liegen neben depressiven Symptomen auch andere Störungen und Erkrankungen vor, die eine Therapie erschweren. Auch häufige Verlusterfahrungen und die oben erwähnte Veränderung der sozialen Umgebung erweisen sich oft als nicht ganz einfach zu behandeln. Andere Aspekte stellen sich aber im Alter als günstiger heraus. Ältere Menschen haben oft mehr Zeit und eine höhere Bereitschaft, in die psychische Gesundheit zu investieren. Auch der grosse Erfahrungsschatz mit entsprechend reichen Bewältigungsstrategien erweist sich oft als prognostisch günstig.
«D’REGION»: Welche Symptome sollten Angehörige oder Betroffene ernst nehmen, um rechtzeitig professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen?
Markus Guzek: Letztendlich sollten alle unangenehmen Veränderungen des psychischen Befindens bzw. des Verhaltens ernst genommen werden. Dies vor allem dann, wenn sie längere Zeit anhalten und insbesondere wenn sie neu oder untypisch für die betroffene Person sind. Besonders wichtige Warnzeichen sind aber sicherlich die Aufgabe von Aktivitäten, sozialer Rückzug, das Auftreten verschiedener körperlicher Beschwerden, anhaltend schlechte, traurige oder gereizte Stimmung und natürlich alle Formen von Schlafstörungen.
«D’REGION»: Wie wichtig sind soziale Unterstützung und positive Lebensumstände für die Prävention und Behandlung von Depressionen?
Markus Guzek: Soziale Unterstützung und die Gestaltung der Lebensumstände sind zentral für die Prävention und Behandlung von Depressionen, nicht nur, aber vor allem im Alter. Ein unterstützendes Umfeld durch Familie, Freunde oder professionelle Pflege kann den Verlauf einer Depression positiv beeinflussen. Auch Verbesserungen der Wohnsituation, die Anpassung des Umfelds an Einschränkungen und die Förderung der Selbstständigkeit tragen zur Genesung bei. Regelmässige Beschäftigung, Sport und Freizeitaktivitäten wirken depressiven Tendenzen entgegen. Nicht zuletzt spielen die Angehörigen eine wichtige Rolle bei der Motivierung zu Therapie und Verhaltensänderungen.
zvg
Vortrag: Donnerstag, 27. März 2025, 19.00 Uhr, Kurslokal Spital Emmental, Oberburgstrasse 54, EG, Burgdorf