Bunter Ideenaustausch am runden Tisch

  29.01.2025 Lützelflüh, Aktuell, Gesellschaft, Politik

«Heute Abend seid ihr die Könige von Lützelflüh», eröffnete Gemeindepräsi­dent Kurt Baumann charmant motivierend den runden Tisch. «Wir wollen wissen, was die Dorfbevölkerung von der Gemeinde denkt und sich wünscht.» Kritik habe da natürlich auch ihren berechtigten Platz, doch hoffe er vor allem auf konstruktive Diskussionen. Und diese wurden ihm geboten. Es wurde kein Abend der hitzigen «Chropfleerete» mit abschliessendem scheinversöhnlichen Apéro, sondern vielmehr ein Sammelsurium von Gedanken und Anregungen, die der einen oder dem anderen auf der Zunge oder – doch tiefgreifender – auf der Seele lagen. So verlief der Abend meist locker-flockig im kleinen Kreis, in dem der komplett anwesende siebenköpfige Gemeinderat plus Ge­mein­deschrei­ber knapp die Minderheit stellte. Und dennoch gab es da und dort interessante Ansätze und behördliche Informationen, die nicht im leeren Raum verhallen dürften.

Solardächer über Parkplätzen?
So wurde in einer ersten Runde zum Bereich «Infrastruktur» der Wunsch nach mehr Bäumen im Dorf nach dem Vorbild Langnau geäussert. «Zum Beispiel auf öffentlichen Parkplätzen würden Bäume die Autos willkommen beschatten», forderte ein erster Votant, der seine Idee gleich weiterspann: «Oder man könnte zur Beschattung  der Parkplätze auch Solardächer installieren.» – «Du weisst, dass du damit offene Türen bei uns einrennst?», bemerkte Gemeinderat Franz Held. «Wir brauchen dazu in einem weiteren Schritt auch Energiespeicher. Wir haben zwei Kiesgruben im Dorf, die könnten wir mit Batteriespeichern füllen», sprang ein weiterer Votant auf den Zug auf. Ernst oder doch ironisch gemeint? Der Ideenfluss war auf jeden Fall lanciert.

Attraktiverer Spielplatz
Es wurde auch der Wunsch nach quartierweisen Deponien für kompostierbare Haushaltsabfälle aufs Tapet gebracht, die vor allem Wohnungs­mie­tenden sehr entgegenkommen würden. Ein Turnvereinsmitglied verwies auf die grosse Nachwuchsabteilung und regte die Nutzbarkeitsmachung des brachliegenden Turnhallendachstockes für Kraftsport und als Begegnungsort an. Der Vater einer Grossfamilie wünschte sich eine Attraktiv­itätsstei­gerung des Spielplatzes mit mehr Sand, einem neuen Spielhaus und weiteren Spielgeräten. Mehr Attraktivität war auch das Stichwort für eine weitere Votantin, die sich eine Verschönerung von Lüt­zel­flüh wünscht, ganz nach dem Vorbild von Huttwil, wo beispielsweise Blumen-Garetten ein einheitliches Erscheinungsbild ergeben. «Blumenschmuck auf der Brücke wäre auch schön.»

Lob für Schule – Spieltage für Familien
Während die Anwesenden zur «Bildung» kaum Wünsche äusserten und die Schulen vor allem mit viel Lob eindeckten, geriet beim Themenbereich «Gesellschaft» der Redefluss ins Stocken. «Wir machen uns sehr viele Gedanken darüber, wie wir das Miteinander im Dorf intensivieren könnten», sagte da­zu Gemeinderätin Stefanie Gsell. Neue Ideen zu finden, sei schwierig und Leute, die sich dafür einsetzen, noch schwieriger. «Wir haben über 40 Vereine im Dorf, doch haben auch diese Mühe, Junge zu finden, die sich engagieren.» Nach diesen Worten tauchte eine Idee wie aus heiterem Himmel auf: «Ein regelmässiger Kinderspieltag für Familien, das fehlt uns», liess eine Votantin aufblitzen, «ein ungezwungenes monatliches Zusammensein, bei dem die Kinder sich mit ihren selber mitgebrachten Spielen vergnügen und  die Eltern Zeit haben, sich auszutauschen.» Eine weitere Stimme  wünschte sich zudem im Winter einmal monatlich eine offene Turnhalle, wie es andere Gemeinden kennen.

Wer spart, zahlt mehr: Wieso?
Während die bisherigen Vorschläge an der Oberfläche blieben, ging es bei den weiteren Themenbereichen «unverrichteter Dinge» deutlich tiefer ins Detail. Da wurden allwettertaugliche Velo- und Fusswege für spezifizierte Wegabschnitte gefordert. Ein Votant zeigte sich – sanft umschrieben – erstaunt über die Tarifstruktur der Wassergebühren. Bis 49 LU (ein Belas­tungswert (LU) entspricht einem Wasservolumenstrom von 0,1 Litern pro Sekunde) bezahle man 7 Franken pro LU, ab 50 LU noch 6 Franken. Damit müssten jene, die zwischen 50 und 57 LU verbrauchen, weniger bezahlen als jene mit 49 LU. «Das kann doch nicht sein», forderte er deshalb eine dynamische Tarifstruktur.

Mehrwertabschöpfung zu hoch?
Weiterhin detaillierter zu und her ging es beim Thema Wirtschaft: Gemeinderat Ulrich Zaugg sprach von guten Rahmenbedingungen, die man für die Betriebe und das Gewerbe schaffen möchte, doch die findet ein Votant – gelinde formuliert – nicht in allen Teilen vor. «Die Mehrwertabschöpfung ist in Lüt­zelflüh im Vergleich zu umliegenden Gemeinden nicht attraktiv.» «35 Prozent Mehrwertabschöpfung, da sind wir im Bereich der Gemeinde Muri bei Bern», verglich Zaugg. «Wir haben das Problem, dass wir in eine Sackgasse gefahren sind und keiner weiss, wie der Karren zu wenden ist», liess der Votant markige Worte im Plenum folgen.

Die Hürden beim Bauen
Die Hürden beim Bauen schilderte ein anderer Votant, der die Quelle des Problems aber nicht in Lützelflüh, sondern in übergeordneter Instanz sieht. Für den Einbau einer Türe in der Kulturmühle Lützelflüh hätten 18 Fachberichte erstellt werden müssen. Kostenpunkt für die Einbauwilligen bis jetzt: rund 5000 Franken. «Doch die Türe ist immer noch nicht da.»
Im Zusammenhang mit stockenden Baubewilligungsverfahren konnte Gemeinde­schreiber Ruedi Berger ein Licht am Horizont aufzeigen. Die Gemeinde Lützelflüh sei daran, zu prüfen, ob sie die Bedingungen erfülle, um die volle Baubewilligungskompetenz beim Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR) beantragen zu können. Das würde vieles leichter machen und auch grössere Bauprojekte könnten schneller bewilligt werden. Dies könnte unter Umständen allerdings zur Folge haben, dass die Verwaltung personell aufgestockt werden müsse.

Schnelles Tempo bei «Tempo 30»
Ein grosses Lob wurde dem Gemeinderat in einem weiteren Votum zuteil. Alle Achtung, wie schnell und gut der Gemeinderat das Verkehrskonzept mit «Tempo 30» angepasst und umgesetzt habe. Die Zustimmung war an diesem Abend von allen Seiten zu hören, allerdings mit einem gewichtigen Apostroph: Die Ge­schwin­­digkeitslimite werde im Vergleich zu anderen Gemeinden wie etwa Burgdorf zu wenig eingehalten. In Burgdorf gebe es denn auch «überall Radarkisten», vielleicht sollte man die mal ausleihen oder einfach mehr Polizeikontrollen durchführen lassen, wurde proklamiert. «Auf der Brücke ist es fast wie auf einer Autobahn, da ist das Tempo 30 nicht so präsent», schilderte eine Votantin. Vor allem für Kinder und Strassenquerende sei dies sehr gefährlich. Hierbei wurde die fehlende «Erinnerungssignalisation» ins Feld geführt. «Man könnte die Brücke ja mit Büschen schmücken, die in Form einer 30 zurechtgeschnitten werden.» Damit hätte man zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, fand ein Zwischeneinwurf seine Lacher. Apropos Lachen: Das Aufstellen eines Smiley-Geschwindigkeits-Erinnerungsgeräts wurde ebenso als eine mögliche Lösung vorgeschlagen. «Die Gemeinde besitzt eines», sorgte ein Gemeinderat für etwas Verblüffung. «Wirklich? Das habe ich noch nie gesehen», blieb die prompte Reaktion nicht aus. Nach fast zwei Stunden war es definitiv Zeit fürs Apéro.

Wie geht es weiter?
Was macht der Gemeinderat nun aus dieser Ideenvielfalt am runden Tisch? An der Klausurtagung im Februar will er die Ergebnisse auswerten und die Machbarkeiten prüfen, hat er im Vorfeld angekündigt. Ge­mein­depräsi­dent Kurt Baumann zog am Abend ein erstes Fazit. Natürlich könne man nicht alles umsetzen, liess er durchblicken. Schwerpunktmässig stehe die Tempo-30-Zone im Vordergrund, um den angestrebten V85-Wert (85 Prozent der gemessenen Fahrzeuge fahren nicht schneller als 38 km / h) zu erreichen.
Beim Thema Mehrwertabschöpfung sieht er eher wenig Spielraum: «Wenn wir diese jetzt senken, kommen wir in Zugzwang bei jenen, die mit der Umzonung schon einen Schritt weiter sind. Dann müssten wir ihnen wohl fairerweise einen Teilbetrag zurückerstatten.» Zudem stufe er die Mehrwertabschöpfung im Vergleich zu umliegenden Gemeinden nicht so hoch ein, auch wenn vereinzelte im 20-Prozent-Bereich lägen. Maximal seien 50 Prozent möglich, Lützelflüh befinde sich in der Mitte. Andere Ideen wie die angeregten Kinder- und Familienspieltage müssten seiner Ansicht nach wohl institutionalisiert werden, damit sie nicht versandeten.
Nicht versanden soll auch die Idee des runden Tisches, der laut Kurt Baumann in knapp einem Jahr erneut stattfinden soll.

Thomas Peter

 


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