Auf die Krautfäule folgt das Bewässern

  30.07.2024 Aktuell, Gesellschaft, Region, Bätterkinden

Es sind einige Medienanfragen zusammengekommen, die Ruedi Fischer, Landwirt und Präsident der Schweizer Kartoffelproduzenten, in den vergangenen Tagen und Wochen erreicht haben. Grund dafür ist das regnerische und nasse Wetter der vergangenen Monate, das die sogenannte Kraut- und Knollenfäule auf den Kartoffelfeldern förderte und so teils für extreme Ausfälle in der Ernte sorgte. «Die Kartoffel ist seit eh und je ein Grundnahrungsmittel der Menschen. Entsprechend betrifft und beschäftigt es die Leute, wenn der Ertrag der Kartoffelernte in Gefahr ist», sagt Ruedi Fischer. Wie zentral die Kartoffel für den Menschen seit jeher ist, unterstreicht er mit der Erwähnung der Hungersnot in Irland in den Jahren 1845 und 1849: «Drei bis vier aufeinanderfolgende schlechte Kartoffelernten hatten eine grosse Hungersnot und gar Hungertote zur Folge. Deshalb wanderten zahlreiche Iren in die USA aus. Darunter auch die Vorfahren von John F. Kennedy, dem späteren US-Präsidenten. Das zeigt die Bedeutung und die möglichen Auswirkungen von Kartoffeln», erzählt er mit einem Augenzwinkern.

Paradoxe Zustände
Die Kraut- und Knollenfäule, die die Kartoffelbauern im ganzen Land in den vergangenen Monaten beschäftigte, scheint vorläufig beseitigt zu sein. Der Pilz fühlt sich nur bei nassem Wetter und Temperaturen zwischen 15 bis 20 Grad Celsius besonders wohl. Das Wetter der ersten Hälfte des Jahres förderte den Befall der Felder mit dem Pilz und sorgte dafür, dass viele Pflanzen verfaulten, inklusive der Kartoffeln im Boden. Nun, da das Wetter in den vergangenen Wochen trockener und die Temperaturen wärmer geworden sind, hat Ruedi Fischer auf seinem Betrieb mit der Bewässerung der Felder beginnen müssen. «Das ist schon paradox», meint Ruedi Fischer dazu. «Die Kartoffeln selbst waren von dem regnerischen Wetter gewissermassen mit Wasser verwöhnt und wuchsen schnell. Dadurch bildeten sie aber kaum Wurzeln, weshalb wir die Felder nun bewässern müssen.» Die Kraut- und Knollenfäule ist bei den aktuellen Temperaturen besiegt, es ist dem Pilz schlicht zu warm, befallenes Kraut verdorrt. Deshalb wird die Kartoffel im Boden nicht mehr mit Wasser versorgt, weswegen sie nicht mehr wachsen kann.
«Pro Hektar investiert ein Kartoffelbauer, Arbeitsstunden nicht eingerechnet, rund 10 000 bis 12 000 Franken. Das sind extreme Verluste», weiss der SVP-Grossrat. Ruedi Fischer pflanzt in seinem Betrieb pro Jahr rund drei Tonnen Kartoffeln pro Hektar. Verteilt auf 13 Hektaren möchte der Landwirt dabei rund 500 Tonnen Kartoffeln ernten können. Eine gesetzte Pflanze bringt im besten Fall zehn bis zwölf Kartoffeln hervor. «In diesem Jahr waren es  teils pro Setzling eine einzige Kartoffel, die nicht vom Pilz betroffen war. Ein klares Minusgeschäft», hält der Landwirt fest. Gerade die Bio-Bauern traf der Pilz besonders hart. Ihre Optionen im Kampf gegen die Kraut- und Knollenfäule beschränkten sich auf den Einsatz von Kupferpräparaten. Bauern mit konventionellen Anbauarten konnten auf Pflanzenschutzmittel und Fungizide zurückgreifen. «Die gesetzlichen Einschränkungen wurden mit Blick auf die drohende schlechte Ernte gelockert. Dabei ist jedoch wichtig zu erwähnen, dass die Pflanzenschutzmittel nur auf die Pflanze selbst gespritzt werden. Die Kartoffel im Boden ist davon nicht betroffen.»
Genaue Angaben zum Ausfall werden Ende des Monats August erhoben. Doch bei den Bio-Kartoffeln sieht es momentan danach aus, dass diese Erhebung aufgrund des so geringen Ertrags gar nicht durchgeführt wird. «Es sind historische Zeiten. So etwas wie in diesem Jahr habe ich noch nie erlebt», so das Fazit des 56-Jährigen. Zudem bleibt momentan noch ungewiss, ob der Pilz die Knolle befallen hat und diese deshalb bei der Lagerung im Herbst verfaulen wird. «Ich wünsche mir für die nächsten eineinhalb Monate schönes Wetter mit Temperaturen zwischen 23 und 28 Grad Celsius und pro Woche einen Niederschlag von etwa 15 mm. Das wäre ideal», sagt Ruedi Fischer und ergänzt lächelnd: «Doch zum Glück können wir Menschen das Wetter nicht bestimmen.»
Oft werde er gefragt, ob jetzt eine «Chips- oder Pommes-Frites-Krise» entstehe, erzählt er schmunzelnd. «Trotz der schlechten Ernte ist die Versorgung  aufgrund der Importmöglichkeiten in der Schweiz gewährleistet.» Ruedi Fischer will nicht jammern und nicht schwarz malen. Er sei trotz der historisch schwierigen Bedingungen positiv gestimmt. Dennoch müsse man sich überlegen, wie es für die Schweizer Kartoffelbauern in Zukunft weitergehen soll. «Ich kenne Berufskollegen, die aufgrund des grossen Risikos ihren Kartoffelanbau eingestellt haben.»

Ausblick in die Zukunft
Ernteausfälle können wie bereits erwähnt durch den Import aufgefangen werden. Doch langfristig gesehen sei dies laut Ruedi Fischer keine Option. «In Ägypten werden mitten in der Wüste, bewässert mit zugeführtem Wasser aus dem 500 Kilometer entfernten Nil, Kartoffeln auf einer Fläche, die grösser als der Kanton Bern ist, angebaut. Das kann auch nicht die Lösung sein», hält Ruedi Fischer fest. Die Kultur der Kartoffel eigne sich in der Schweiz bestens für den Anbau. Man müsse jedoch aufpassen, dass die Einschränkungen nicht weiter nach oben geschraubt würden. «Daher rufe ich die Behörden dazu auf, die Einschränkungen im Pflanzenschutz nicht zu übertreiben. Denn letztlich geht es nicht ohne Schutzmassnahmen.» Es könne nicht sein, dass in der Schweiz die hohen Auflagen den Kartoffelanbau unattraktiv machten und letztlich Kartoffeln ständig aus dem Ausland importiert würden, wo teils ungewiss sei, welche Einschränkungen gälten. «Hier auf heile Welt zu machen und dann die Kartoffeln aus dem Ausland zu beziehen, empfinde ich als moralisch und ethisch nicht korrekt», sagt Ruedi Fischer.
Eine weitere, spannende Möglichkeit, sich den durch den Klimawandel änderenden Wetterbedingungen anzupassen, sei die Aufzucht neuer Kartoffelsorten, so der Landwirt. Es dauere jedoch rund 15 Jahre, bis eine neue Sorte gezüchtet sei. «In diesem Bereich geschieht momentan sehr viel. Auch die gentechnische Veränderung der Kartoffel wird immer mehr zum Thema. Wir werden sehen, was kommt.» Sicher ist, dass Ruedi Fischer auch weiterhin Kartoffeln anbauen wird. Seine Leidenschaft für die Kartoffel ist zu gross. Zum Glück, denn deren Beliebtheit und Bedeutung für die Bevölkerung ist es ebenso.

Joel Sollberger


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