«Anne Bäbi im Säli» – der andere Gotthelf
20.11.2024 Burgdorf, Aktuell, Kultur, RegionDarauf haben sich viele gefreut: Vergangenen Freitagabend lud die Emmentaler Liebhaberbühne ins Casino Theater Burgdorf zur Premiere von «Anne Bäbi im Säli». Das Publikum kommt bei dieser Darbietung voll auf seine Kosten, denn das Ensemble um Regisseur Ulrich Simon Eggimann bietet köstliche Unterhaltung mit hohem Lachpotenzial. Geboten wird humorvolles «Theater im Theater». Der Berner Schriftsteller Beat Sterchi (1949) hat das Stück zum Jubiläum «150 Jahre Gotthelf» geschrieben. Uraufführung war am 22. Oktober 2004 in Solothurn (Theater Biel Solothurn).
Diskussionen bei Rollenverteilung
Das Publikum kennt den Inhalt: Eine Theatergruppe plant Gotthelfs «Anne Bäbi Jowäger», denn bei Gotthelf strömt das Publikum halt immer in Scharen herbei. Die Vergangenheit hat dies gezeigt. Die Aufführungen sollen im Ochsen stattfinden, wo auch geprobt wird. Bereits bei der Rollenverteilung gibt’s Probleme: Natascha (Chantal Sempach), die im letzten Gotthelf die wüste Magd Stini verkörpern musste, möchte diesmal nicht das ungattlige Mädi, sondern das sittsame, hübsche Meyeli spielen. Schliesslich hat Natascha in Sachen Theater seit Jahren Ambitionen, von denen sie sich nicht abhalten lassen möchte.
Ukrainerin als Kellnerin und Erzählerin
Bühne frei. Sogleich kommt die aus der Ukraine stammende Viktoriia Paramonova zum Einsatz – sowohl als Erzählerin als auch als Kellnerin. Dass ausgerechnet sie als Erzählerin fungiert, ist verblüffend. Sie ist noch nicht lange in der Schweiz, hat aber in kurzer Zeit mit Erfolg intensiv Deutsch gelernt. Was sie als Erzählerin auswendig gelernt hat, verdient ein dickes Kompliment und hohe Anerkennung. Im Ochsen, wo sie Kellnerin ist, steht das Tagesmenü auf einer Tafel: Salat, Kutteln, Dessert, 18 Franken. Eigentlich ist der legendäre Ochsenmaulsalat die Spezialität des Hauses. Dieses Wort auszusprechen, gelingt der Kellnerin zum Gaudi des Publikums nicht auf Anhieb. Immer wieder sagt sie «Oggsemuusalat». Die Regisseurin hat als Deutsche (Tia Grün als Berta Schäufele) einen schweren Stand. Sie kommt bei der Laien-Schauspieltruppe schlecht an, zumal sie fast alles auf den Kopf stellen will. Der Unmut wächst – auch bei Hansli Jowäger (gespielt von Altmeister und Liebhaberbühne-Präsident Hans Rudolf Kummer), der mit derber Sprache («Huere Siech, Stärneföifi») sowie grossartiger Gestik und Mimik zum Publikumsliebling avanciert. Er bemerkt, dass das «Wybe» kein Sterberisiko bedeute. Köstlich, wie Anne Bäbi Jowäger (Uschi Liechti) als Mutter ihren etwas unbeholfenen Sohn Jakobli (Maurin Oberli) umsorgt. Beispiel: Sie gibt ihm bei unsicherer Witterung einen Schirm mit auf den Weg und mahnt ihn, diesen bei Regen wirklich aufzuspannen, um nicht nass zu werden. «Mädi» (Sarina Wälti), zuweilen auf Tuchfühlung mit Sami (Stephan Stalder), ist immer mit dem Handy unterwegs. Das Herz auf dem rechten Fleck hat Natascha alias Meyeli mit ihren goldenen Haarzöpfen.
Regisseur Ulrich Simon Eggimann gelingt mit seiner engagierten Truppe erneut ein grosser Wurf. Er kommt beim Schlussapplaus auch kurz auf die Bühne, wo er sichtlich zufrieden sein Ensemble beklatscht.
«Anne Bäbi im Säli» ist am 22., 23. und 24. November 2024 nochmals im Casino Theater Burgdorf zu sehen – ab Silvester achtmal in Walkringen (Rüttihubelbad).
Am 31. Oktober 2025 ist in Burgdorf Premiere der Produktion 2025/26: «Die Falle», Kriminalstück von Robert Thomas.
Hans Mathys
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