Natur, Kultur und Plastikabfall an der Stadtratssitzung

  24.09.2024 Burgdorf, Aktuell, Politik

Punkt 19 Uhr läutete Stadtratspräsidentin Anette Vogt die Glocke, um den 37 anwesenden Stadträten und Stadträtinnen (SR) den Sitzungsbeginn zu signalisieren. Speziell begrüsste sie den neuen SR Beat Neuenschwander (GLP). Er ersetzt Damaris Hauser, die nach fast fünf Jahren aus dem Rat austritt.
An diesem Abend wählte der SR Léa Gasser (SP), Sozialarbeiterin in Burgdorf, in die Volksschulkommission. Sie ist Nachfolgerin der zurücktretenden Cornelia Aeschbacher.
Als Revisionsstelle für die Jahresrechnungen 2024–2027 wurde die BDO AG ernannt.

Besserer Baumschutz für alte Bäume
Die Grüne Partei beauftragte den Gemeinderat (GR), ein Inventar der schutzwürdigen Bäume im Siedlungsgebiet zu erfassen, deren Erhalt zu fördern und im Baureglement Schutzbestimmungen inklusive Ersatzpflichten zu formulieren. Bis jetzt seien im städtischen Baumkataster lediglich 1616 Bäume registriert. Das sind bei Weitem nicht alle. Auf öffentlichen und privaten Flächen stehen viele nicht registrierte Biotopbäume. Darunter versteht man Bäume, die über 100 Jahre alt sind und einen unschätzbaren Wert für Vögel und Insekten darstellen. Zudem leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Sauerstoffproduktion, zur Filterung von Schadstoffen, zur Bekämpfung von Hitzeinseln und sie schaffen Siedlungs- und Erholungsqualität im eigenen Wohnumfeld.
Es sei dem GR bewusst, dass Bäume für Klima, Biodiversität und Wasserhaushalt von unschätzbarem Wert seien, so Stadtpräsident Stefan Berger. Die Stadt setze sich bereits heute für den Schutz von Bäumen und für Neupflanzungen ein. Erfahrungsgemäss räumen auch Grundeigentümer/innen dem Schutz der Bäume einen hohen Stellenwert ein.
Der GR lehnte den vorliegenden Auftrag im Originalwortlaut ab, weil er nicht ins Baureglement gehöre. Der GR schlug einen anderen Wortlaut vor: «Der Gemeinderat wird beauftragt, den Erfahrungsaustausch mit anderen Städten zu suchen und basierend darauf mögliche Instrumente für den Baumschutz auszuarbeiten.»
Christian Hedinger (Grüne) wünschte den Wortlaut der Partei, jedoch ohne die Präzisierung, diesen ins Baureglement zu übernehmen. Die EVP- und die SP-Fraktion stellten sich klar hinter die Grünen und die GLP entschied sich für Stimmfreigabe. Für die SVP erklärte Barbara Lüthi-Kohler, nach regen Diskussionen hätte sich ihre Fraktion für den Vorschlag des GR entschieden. Strengere Vorgaben könnten bei Eigentümern/-innen von Grundstücken mit altem Baumbestand kontraproduktiv wirken. Mit 19 Ja- gegen 18 Nein-Stimmen entschied der SR für den angepassten Wortlaut der Grünen. Der Auftrag wurde damit knapp angenommen.

Mehr Plastik sammeln dank tieferen Entsorgungsgebühren
Die SP-Fraktion möchte das Potenzial im Bereich Plastikrecycling steigern. Das wäre ihrer Meinung nach möglich, wenn die 35-Liter-Plastiksammelsäcke bedeutend günstiger wären als die Säcke für den allgemeinen Müll. Bis jetzt beträgt der Unterschied lediglich 20 Rappen. Wird mehr Abfall recycliert, käme man dem Teilziel der KlimaVision30, welche eine Reduktion der Abfallmenge um 30 Prozent erreichen will, deutlich näher.
Der GR informierte, dass die Kunststoffsammlung im Kanton Bern seit 2023 laufe. Geleitet wird diese von grossen Recyclingbetrieben und der Migros, welche auch die Verkaufspreise der Säcke festlege. Zurzeit laufe der Aufbau einer neuen Organisation, die sich «RecyPac» nennt. Es ist ein nicht gewinnorientierter Verein, der ein schweizweit flächendeckendes Recyclingsystem für Kunststoff und Getränkekarton aufbauen will. Die grossen Detailhändler und die Verpackungsindustrie sind bei RecyPac vertreten. Sie streben das Ziel an, bis 2030 Recyclingquoten von 55 Prozent bei Kunststoffverpackungen und 70 Prozent bei Getränkekartons zu erreichen. Der GR begrüsst einen zweiten Kunststoffsammelsack-Anbieter und hofft, dass durch den Mitbewerber die Preise für die Sammelsäcke sinken werden.
Manfred Schaffer (SP) äusserte sich enttäuscht über die Antwort des GR, der nun abwarten will, wie es mit der neuen Organisation weitergeht. Francesco M. Rappa zeigte sich konsterniert, weil der GR sich bereit erkläre, den Auftrag anzunehmen, ohne ihn abzuschreiben. Elias Maier (FDP) wies darauf hin, dass eine Verbilligung der Säcke Bewohner/innen anderer Gemeinden animieren würde, diese in Burgdorf statt in der eigenen Gemeinde zu kaufen, wo sie teurer wären. Der Auftrag wurde mit 33 Ja-Stimmen bei 4 Enthaltungen angenommen.

Kulturhalle Sägegasse als regionale Kulturinstitution
Der Gemeinderat wird in einem überparteilichen Auftrag der FDP-, GLP- und Mitte-Fraktion aufgefordert, zusammen mit dem Trägerverein der Kulturhalle Sägegasse, mit der Regio­nalkonferenz Emmental und dem kantonalen Amt für Kultur Gespräche zu führen, damit die Kulturhalle Sägegasse als regionale Kulturinstitution aufgenommen und somit künftig mitfinanziert wird. Die Kulturhalle Sägegasse hat sich als überregionale Veranstalterin einen Namen gemacht. Mit einer Finanzierung durch die Stadt, den Kanton und die Regionalkonferenz Emmental könnten die Kosten auf mehrere Schultern verteilt werden.
Um die Situation besser zu verstehen, ist ein geschichtlicher Rückblick hilfreich. Die Kulturhalle Sägegasse entstand aus der Idee, in der Turnhalle Sägegasse ein Jugendkulturlokal einzurichten. 2016 bewilligte der SR unter Berücksichtigung von Auflagen einen Investitionskredit. Der Betrieb der Kulturhalle sollte weitgehend selbsttragend sein, durch einen Verein mit Freiwilligen organisiert und von einem professionellen Team unterstützt werden. Die Auflagen hielt man 2019 in einer überarbeiteten Leistungsvereinbarung fest. Die Kulturhalle Sägegasse bietet heute ein vielfältiges Programm an und unterhält Kooperationen zu anderen Institutionen. Die breite sozio­kulturelle Ausrichtung spricht alle möglichen Altersgruppen an und ist eine Plattform für professionelle Kunstschaffende und Newcomer/innen.
Die Kulturhalle erhält den Mietzins subventioniert, erhält punktuelle Unterstützung durch die Kulturkommission der Stadt Burgdorf, trägt daneben jedoch sämtliche Programm- und Betriebskosten selbst.
Das Amt für Kultur des Kantons Bern habe sich dahingehend ausgesprochen, die Kulturhalle als Jugendkulturbetrieb einzuordnen. Der Kanton finanziere ähnlich organisierte Kulturbetriebe nicht und darum seien die Chancen, dass der Kanton Bern bei der Kulturhalle mitfinanzieren würde, zum heutigen Zeitpunkt eher gering, erklärte Stefan Berger. Der GR hat es im Oktober 2022 abgelehnt, die Kulturhalle dem Regierungsrat des Kantons Bern als neue Kulturinstitution von regionaler Bedeutung vorzuschlagen. Es sei anzunehmen, dass die zur Verfügung stehenden Mittel auf mehr Institutionen verteilt würden, andere also mit finanziellen Abstrichen rechnen müssten. Die Stadt könne Programmbeiträge geben und dann Mittel vom Kanton abholen. Zudem sei sie im Gespräch mit der Kulturhalle um finanzielle Optimierung bemüht. Aus diesen Gründen beantragte der GR die Ablehnung des Auftrags.
Elias Maier (FDP) erklärte, es gehe um eine längerfristige finanzielle Unterstützung. Die Zentrumslasten könnten bei einer tripartiten Finanzierung verteilt und die Stadtfinanzen entlastet werden. Er habe mit Verantwortlichen des Kantons gesprochen und die Information erhalten, die Kulturhalle erfülle die Bedingungen für die Aufnahme als regionale Kulturinstitution. Bergers und Maiers Meinungen basierten auf verschiedenen Informationen und somit erübrigten sich weitere Diskussionen. Gabriela Bannwart (SP) schaltete sich ein mit der Information, dass das Team der Kulturhalle Sägegasse nicht informiert worden sei über diesen Auftrag. Wegen der Corona-Zeit hätten sie erst zwei Jahre am Stück ihren Betrieb aufrechterhalten können. Das Sägegasse-Team rühmte den Austausch mit der Stadt. Der Antrag wurde knapp abgelehnt.

Invasive Neophyten bekämpfen
Die SP-Fraktion beauftragte den GR, die Abgabe von Gratis-Abfallsäcken für Neophyten zu prüfen. Landläufig ist bekannt, dass sich invasive Neophyten schnell ausbreiten und damit verschiedene Probleme verursachen. Solche Problempflanzen dürfen nicht mit dem Grüngut entsorgt werden, sondern kommen in den Hauskehricht. Zudem schlug die Fraktion verschiedene andere Möglichkeiten vor, um diese invasiven Pflanzen aus den Gärten zu entfernen.
Der GR erklärte, dass er im Gespräch mit Gemeinden im Kanton Bern sei, unter anderem mit der Arbeitsgruppe Abfall. Basierend auf diesem Austausch sei ihm klar, dass die Kontrolle von Neophyten-Abfallsäcken schwierig und aufwendig, jedoch nötig wäre. Erfahrungen anderer Gemeinden haben gezeigt, dass häufig Hauskehricht über kostenlose Säcke entsorgt werde. Darum besteht in Burgdorf seit längerer Zeit die Möglichkeit, bei der Hauptsammelstelle invasive Neophyten kostenlos zu entsorgen. Die Pflanzen können direkt in den Kehrichtwagen geleert werden. So sind Herstellung und Verbrennung eines zusätzlichen Kunststoffsackes nicht nötig.
Für die SP äusserte sich Karin Karrer zufrieden mit der Möglichkeit, invasive Neophyten kostenlos abgeben zu können. Sie begrüsst Fachberichte zum Thema oder Rundgänge durch Gärten oder Parkanlagen, welche die Bevölkerung sensibilisieren. Es sei jedoch mehr Potenzial für Aufklärung vorhanden. Die Leute müssten die Pflanzen erkennen und danach richtig entsorgen. Christian Hedinger (Grüne) wies darauf hin, dass der Natur- und Vogelschutz Burgdorf und Umgebung eine Neophytengruppe gebildet habe. Diese kümmere sich um verschiedene öffentliche Areale. Sie bietet auf Anfrage Beratungen in Privatgärten an. Mit 32 Ja- gegen 5 Nein-Stimmen wurde das Postulat angenommen und abgeschrieben.

Unterhalt vernachlässigter Liegenschaften im Besitz der Stadt Burgdorf
Die SVP/EDU-Fraktion gelangte mit einer Interpellation an den GR, in der er auf vernachlässigte Liegenschaften hinweist, die im Besitz der Stadt sind. Diese scheinen wenig oder gar nicht genutzt zu werden und wirken vernachlässigt. Da im Rahmen der Burgdorfer Klimastrategie erhebliche Kosten anfallen könnten, fordert die Fraktion eine transparente Aufstellung der Kosten.
Die Stadt besitzt ein Immobilienportfolio mit einem Gebäudeversicherungswert von rund 312 Millionen Franken. Die angespannte Finanzlage in den letzten Jahrzehnten liess wenig Spielraum für Sanierungen. 2019/2020 wurde der städtische Gebäudepark analysiert und in einer Gebäudesanierungsstrategie dargestellt. Eine detaillierte Beschreibung ihrer Nutzung wurde dem SR schriftlich abgegeben. Zwei leer stehende, funktionstüchtig eingerichtete Wohnungen an der Wynigenstrasse sollen künftig als Notwohnungen zur Verfügung stehen, eine weitere möglicherweise dem Verein CheckPunkt zur Tagnutzung überlassen werden.
Die laufenden Kosten hat die Stadt bewusst tief gehalten. Weitere Abklärungen und Entscheide bezüglich der Zukunft dieser Liegenschaften werden mit der Umsetzung der Immobilienstrategie sowie der Schulraumerweiterung prioritär festgelegt. Grundstücke, die nach der Überprüfung betrieblich nicht mehr benötigt oder als strategische Reserve gehalten werden, könnten im Baurecht abgegeben werden.
Barbara Lüthi-Kohler (SVP) zeigte sich befriedigt mit der Beantwortung durch den GR. Die SVP/EDU-Fraktion erwarte die Immobilienstrategie mit Spannung. 

Infos aus dem Gemeinderat
Gemeinderat (GR) Christoph Grimm übergab dem Stadtrat (SR) das überarbeitete Kinder- und Jugendleitbild. Der GR hat das Leitbild von 2002 gemeinsam mit Verantwortlichen aus Oberburg während zwei Jahren überarbeitet. Es war ein partizipativer Prozess. Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, Vereine, Institutionen, Politik und Verwaltung haben mitgearbeitet. Es umfasst sechs Handlungsfelder, die alle wichtigen Lebensbereiche berücksichtigen.
Strategische Entscheidungen sollen im Interesse von nachfolgenden Generationen erfolgen. Das neue Leitbild wird in die Legislaturplanung 2025 – 2028 einbezogen. Die Herbstausgabe des «Stadtmagazins» thematisiert das neue Kinder- und Jugendleitbild und stellt es der Bevölkerung vor.
Der GR hat ein Teilkonzept «Sport» überarbeitet. Es geht dabei um die Jugendförderung bis zum 21. Lebensjahr nach J+S-Richtlinien. Der SR verlangte eine möglichst kostenfreie Nutzung der städtischen Infrastrukturen. Davon ausgenommen hat der GR Wasser, Eis und Rasen, weil der Unterhalt die Stadt mit über einer Million Franken belasten würde. Detaillierte Informationen für die Vereine erfolgten durch die Sportkommission an einer Informationsveranstaltung drei Tage nach der SR-Sitzung (siehe Seite 11).
Stadtpräsident Stefan Berger informierte, dass eine Petition betreffend «Lamas und Alpakas auf der Gsteigmatte» eingegangen sei. Diese werde in einer der nächsten GR-Sitzungen thematisiert.
GR Francesco M. Rappa berichtigte eine Information, die in den Medien falsch dargestellt worden war. Nach dem Schwingfest-Triple wurde die Schützenmatte instand gestellt. Dass sie bis zum Frühjahr gesperrt sei, stimme nur für Grossanlässe. Für die Bevölkerung sei sie bereits wieder begehbar.

Helen Käser

 


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