Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein

  12.03.2024 Aktuell, Foto, Gesellschaft, Sport

Schon als Kind war Cedric Hofer vom Gleitschirmfliegen fasziniert und staunte über die kühnen Piloten, die elegant durch die Lüfte schwebten. Nach dem Abschluss der Lehre zum Produktionsmechaniker wagte er als 20-Jähriger schliesslich den Schritt und flog ein erstes Mal mittels Tandemflug. «Ich war sofort begeistert und wusste gleich, dass ich dieses Gefühl wieder und wieder erleben möchte», hält der in Ersigen aufgewachsene 26-Jährige fest.
In der Folge besuchte er eine Gleitschirmflugschule, absolvierte einen Grundkurs und bestand die notwendige theoretische und praktische Prüfung. «Mittels Grundkurs lernt man die Basics wie beispielsweise den Start oder die Landung. Doch das wirkliche Fliegen lernt man erst bei der Ausübung in der Luft hoch über dem Boden», so Cedric Hofer. Schritt für Schritt würden neue Elemente dazukommen, Schritt für Schritt wähle man anspruchsvollere Aufgaben, hält er fest. Schnell einmal ist Cedric Hofer auf der Suche nach neuen Herausforderungen, Umgebungen und Landschaften. «Das war der Hauptgrund für meinen Umzug nach Interlaken.» Seit dem Jahr 2022 wohnt der Ersiger nun im Berner Oberland, einem Paradies für Gleitschirmflieger.

Gleitschirmfliegen als Lebensschule
Wie bei so vielen Hobbys sorgt auch beim Gleitschirmfliegen eine gemeinsame Leidenschaft für eine Verbundenheit – ganz nach dem Motto «geteilte Freude ist doppelte Freude». Cedric Hofer schätzt den Austausch mit anderen Gleitschirmfliegenden und bezeichnet diesen als enorm wertvoll: «Ich konnte stets extrem profitieren von den Tipps und Ratschlägen von erfahrenen Piloten. Generell ist der Austausch unter Gleitschirmfliegenden geprägt von viel Hilfsbereitschaft», hält er fest.
Fliegen sei für ihn der Leidenschaft zum Trotz noch immer eine Extremsituation. «Doch dadurch gibt das Fliegen einem die Möglichkeit, sehr viel über sich selbst zu lernen. Ich hatte keine einfache Schulzeit, hatte keine guten Noten und dadurch auch kein grosses Selbstvertrauen. Durch das Gleitschirmfliegen konnte ich auch als Mensch wachsen.» Mit der Zeit habe er sich immer mehr zugetraut, als Schüler habe er das Gleitschirmfliegen zwar stets faszinierend gefunden, hätte aber niemals gedacht, selbst einmal durch die Lüfte zu fliegen. Das Gefühl sei daher umso schöner gewesen, als er zum ersten Mal mit dem Gleitschirm über seine Schule in Ersigen fliegen konnte. «Daraus habe ich gelernt, stets meine Träume zu verfolgen und mich nicht entmutigen zu lassen», so der inspirierende Tipp des Gleitschirmpiloten.

In die Pyrenäen und ein Flug in die Heimat
Seit vier Jahren bestreitet Cedric Hofer nun auch sogenannte «Hike and Fly»-Rennen. Diese können mehrere Tage oder Wochen dauern. Dabei wird im Vorfeld eine Route mit verschiedenen Wegpunkten, die es in der Luft oder am Boden zu passieren gilt, festgesetzt. «Ich suchte eine weitere Herausforderung», begründet Cedric Hofer die Teilnahme an den Rennen, an denen er schon mehrmals in die Top Ten geflogen ist. In diesem Jahr will er am «X-Pyr», einem Rennen quer durch die Pyrenäen, verteilt auf acht Tage, teilnehmen. «Die Luftlinie zwischen Start und Ziel beträgt 600 Kilometer. Diese sind zu Fuss und so viel wie möglich in der Luft zurückzulegen», erklärt der Extremsportler. Dabei könne er auf die Unterstützung seiner Teamkollegen Nicola Eschbach und Thierry Loser, beide ebenfalls mit viel Gleitschirm-Erfahrung, zählen. Auch mit seinem Kindheitsidol Chris­tian «Chrigel» Maurer, mehrfacher Gewinner der renommierten RedBull xAlps, sei er im Kontakt und profitiere von seinen Erfahrungen. «Wenn mir das Rennen in den Pyrenäen gefällt, kann ich mir durchaus vorstellen, selbst einmal zu versuchen, an den RedBull xAlps teilnehmen zu können. Doch vorerst nehme ich Schritt für Schritt. Entscheidend ist, dass ich die Freude und den Spass am Gleitschirmfliegen nicht verliere.»
Ob an Rennen oder nicht, angesprochen auf die Faszination Gleitschirmfliegen, gerät Cedric Hofer ins Schwärmen. «Das totale Freiheitsgefühl in der Luft ist unbeschreiblich.»
Wie viel das extreme Freiheitsgefühl hoch oben über den Wolken Cedric Hofer bedeutet, zeigt sich auch in der Summe der Anzahl Stunden, die er in seine grosse Leidenschaft investiert. Mit dem Ausdauertraining, der Zeit in der Luft selbst sowie allem Organisatorischen investiert er pro Woche rund 30 Stunden in das Gleitschirmfliegen. Im vergangenen Jahr verbrachte Cedric Hofer über 500 Stunden in der Luft. Zweimal flog er während elf Stunden und legte dabei über 300 Kilometer zurück. «Bei solch langen Flügen ist man jeweils mit Proviant und Wasser in einem ‹Camelbag› ausgerüstet. Auch für den allfälligen Ruf der Natur sind wir mit einem Urinalkondom vorbereitet», meint er schmunzelnd.
Einen solch langen Flug bezeichnet er denn auch als eines seiner grössten und beeindruckendsten Erlebnisse: «In Oberdiessbach gestartet befand ich mich auf einer Höhe von rund 3000 Metern, direkt über dem Napf. Da wusste ich, dass ich genügend hoch war, um in meine wunderschöne Heimat Ersigen zu fliegen.» Ein weiteres Ziel sei, dasselbe ausgehend von seinem jetzigen Wohnort Interlaken zu schaffen.
Momentan noch als Kinderskilehrer tätig, wird er künftig als Gleitschirmtandempilot arbeiten und so sein Hobby zum Beruf machen. So kann er noch mehr in den Genuss des Freiheitsgefühls kommen. Schon der deutsche Sänger  Reinhard Mey vermutete in seinem Kultsong «Über den Wolken» aus dem Jahr 1974, dass über den Wolken die Freiheit wohl grenzenlos sein müsse. Cedric Hofer kann dies definitiv bestätigen. Für ihn gilt: Über den Wolken ist die Freiheit grenzenlos.

Joel Sollberger


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