«Die Arbeit mit den Tigers ‹fägt! ›»

  24.01.2024 Burgdorf, Gesellschaft, Sport, Eishockey

Simon Schneiter ist seit Mai 2022 der Teamarzt der SCL Tigers und als solcher regelmässiger Gast in der Ilfishalle in Langnau. Am 1. Januar 2024 hat er zudem das Amt als Chefarzt Medizin im Spital Emmental in Langnau von Martin Egger übernommen. Am Donnerstag, 1. Februar 2024, gewährt er in seinem Publikumsvortrag «Spagat zwischen Sportmedizin und Spitalalltag» einen Blick hinter die Kulissen seiner Arbeit zwischen Klinik und Eisfeld. Er zeigt auf, was den Spielern nach einer Gehirnerschütterung am besten hilft, wie die Spieler nach einer Verletzung auf die Rückkehr aufs Eis vorbereitet werden und was er als Teamarzt der SCL Tigers an spannenden Geschichten erlebt.

«D’REGION»: Seit anderthalb Jahren sind Sie Teamarzt der SCL Tigers. Was bedeutet Ihnen dieses Engagement?
Simon Schneiter: Für Langnau gibt es nichts Wichtigeres als die Tigers! Dass ich für den Hockeyclub das machen darf, was ich eh schon gerne mache, nämlich meinen Beruf als Mediziner auszuüben, ist super. Das Engagement bedeutet zwar viel Aufwand, viele Telefonate auch am Wochenende, aber es «fägt». Es ist spannend, für die Spieler eine wichtige Ansprechperson zu sein, wenn es um ihre Gesundheit geht. Mittlerweile kenne ich alle Spieler und es besteht ein Vertrauensverhältnis. Sie wissen, dass sie zu mir kommen können, wenn es ihnen nicht gut geht.

«D’REGION»: Mit welchen neuen Herausforderungen sind Sie als Sportarzt konfrontiert worden?
Simon Schneiter: Ganz am Anfang war es das ganze Drumherum. Plötzlich steht man als Arzt an der Bande in einem National League Club und ist verantwortlich für zwei Mannschaften. Dabei steht man als Arzt mit seinen Empfehlungen und Ratschlägen im Fokus des Sportchefs und der Trainer. Schlussendlich müssen sich die Coaches auf mich verlassen können, ob ein Spieler auch zum Einsatz kommen kann oder nicht und ob er zu 100 Prozent fit ist. Man wird zu fachübergreifenden Beschwerden gefragt, in denen man vielleicht noch nicht so sattelfest ist oder einem die Erfahrung fehlt. Plötzlich untersucht man viele Hüften und Knie, was man sonst als Internist nicht so häufig macht, und ist plötzlich zuständig für orthopädische Probleme.

«D’REGION»: Mit welchen medizinischen Problemen kommen die Spieler zu Ihnen?
Simon Schneiter: Schlussendlich ist es wie in einer Hausarztpraxis. Die Spieler kommen mit diversen Beschwerden aus der Medizin zu mir. Der einzige Unterschied liegt darin, dass es zu jeder Uhrzeit sein kann. Einmal hat mich ein Junior um 4 Uhr morgens wegen Knieschmerzen angerufen.

«D’REGION»: Stürze kommen bei den Spieler ja des Öfteren vor, ab und zu resultieren diese in einer Hirnerschütterung. Wie gefährlich sind diese?
Simon Schneiter: Hirnerschütterungen gehören zum Eishockey dazu, das liegt schon fast in der Natur der Sportart. Schneller Sport, Eis als Untergrund, Kufen, auf denen man sich flink bewegen muss und als Begrenzung Banden. Grundsätzlich sind die meisten Hirnerschütterungen nicht gefährlich, zumal diese in der Regel mild ausgeprägt sind. Die richtig schweren Hirnerschütterungen sieht man häufig dann, wenn ein Check unerwartet kommt und der ganze Körper, insbesondere Kopf und Nacken, nicht auf den Aufprall vorbereitet ist. Die Gefahr und das Gefährliche aber ist die Summe an Hirnerschütterungen, die ein Spieler in seiner Karriere bekommt. Mit jeder zusätzlichen Hirnerschütterung werden häufig die Symptome und die Dauer der Symptome ausgeprägter. Zusätzlich dauert es viel länger, bis der Spieler wieder voll einsatzfähig ist. Ich denke, deshalb sind strenge Regeln und klare Linien der Schiedsrichter wichtig, um die Spieler zu schützen.

«D’REGION»: Was müssen Spieler nach einer Hirnerschütterung beachten?
Simon Schneiter: In der Regel haben wir diesbezüglich einen klaren Ablauf im Staff. Bei jedem Verdacht auf Hirnerschütterung wird der Spieler aus dem Spiel genommen. Am Anfang braucht er Ruhe. Am nächsten Tag erfolgt die spezifische Untersuchung bei mir und die Diagnose, ob es wirklich eine Hirnerschütterung ist oder nicht. Anschliessend sollen sich die Spieler häufig nach zwei bis drei Tagen wieder bewegen. Das fängt generell ganz banal mit einem Spaziergang an. Wichtig ist dabei, dass die Spieler dabei auf Symptome und Beschwerden achten. Nehmen die Beschwerden ab, steigern wir in der Regel die Belastung täglich, bis die Spieler wieder voll einsatzfähig sind. In der Regel rechnen wir bei einer milden Hirnerschütterung mit einem Ausfall von sieben bis zehn Tagen.

«D’REGION»: Auch andere Verletzungen sind häufig. Wie bereiten Sie die Spieler auf die Rückkehr aufs Eis vor?
Simon Schneiter: Die Rückkehr auf das Eis ist aus meiner Sicht immer ein Teamentscheid. Gleichzeitig sind dabei die Athletik und die Physiotherapie die zentralen Player, einen Spieler wieder zurückzubringen. Der Aufbau und der Verlauf werden häufig davon bestimmt, wie gut die Trainings und die Erholungszeit verlaufen. Dabei ist ein enger Austausch mit allen Beteiligten wichtig. Als Arzt ist man da eher in beratender Funktion tätig.  

«D’REGION»: Welches ist die spannendste Geschichte, die Sie bisher als Teamarzt erlebt haben?
Simon Schneiter: Das war sicher der Moment, als ich im Februar dieses Jahres beim Topskorer Marc Michaelis mit meinem kleinen Ultraschallgerät eine Thrombose in der Schlüsselbeinvene festgestellt habe. Dies war eine meiner «grössten» Diagnosen in der Sportmedizin. Am Morgen nach dem Spiel haben wir Michaelis in Langnau via Notfall zum Röntgen «geschmuggelt» – es durfte ja niemand etwas mitbekommen. Stolz macht mich nicht nur die Tatsache, dass diese Art der Thrombose äusserst selten auftritt, sondern wie wir es im Spital in Langnau geschafft haben, die Diagnose zu bestätigen und Michaelis ans Unispital Zürich zur Operation zu überweisen, ohne dass die Medien vorgängig davon Wind bekommen haben. Zudem kann Marc Michaelis heute wieder spielen, wenn auch nicht mehr bei den Tigers.

zvg

Vorträge: Donnerstag, 1. Februar 2024, 19.00 Uhr, im Kurslokal (EG) im Spital Emmental, Oberburgstrasse 54, Burgdorf; Donnerstag, 8. Februar 2024, 19.00 Uhr, im Spital in Langnau.


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