Das Fell über die Ohren ziehen

  04.07.2023 Aktuell, Foto, Gesellschaft, Hindelbank

Verkleidungen und Kostüme sind per se nichts Neues. Ob an der Fasnacht, einem Kindergeburtstag, einer Mottoparty oder an Halloween – es gibt verschiedenste Anlässe, an welchen sich Menschen in die unterschiedlichsten Kostüme werfen und verkleiden. Benjamin Burkhards Leidenschaft geht allerdings über solche Anlässe hinaus: «Ich habe das ganze Jahr Fasnacht», lacht er. Der Hindelbanker gehört der «Furry» (englisch für Fell) Subkultur an. Er interessiert sich für antropomorphe Tierwesen in Kunst und Kostümen. In dem ausgefallenen Hobby von Benjamin Burkhard geht es darum, Tier- und Fabelwesen mittels Kostümen quasi zu vermenschlichen und als solche verkleidet auf zwei Beinen, wie eben die Menschen, zu gehen. Dabei sind der Kreativität und der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Gemeinsam mit Menschen, welche dieselbe Faszination hegen, veranstaltet Benjamin Burkhard Spaziergänge durch die Stadt. Er und seine Freunde schlüpfen dabei in ihre Kostüme und in eine andere Rolle. «Meine Figur ‹Plux Hyena› ist dabei eine Art Alter Ego, ein anderer Charakter», erklärt er.

Unterschiedliche Zugänge zu «Furry»
Benjamin Burkhard stiess verhältnismässig spät auf seine grosse Leidenschaft. «Furry» als Subkultur entstand in den 1990er-Jahren in den USA. Sie ist ähnlich der etwas bekannteren Cosplay-Szene, wo sich Menschen als Superhelden oder Comicfiguren verkleiden. Bei «Furry» geht es jedoch ausschliesslich um Tier- und Fabelwesen. Im Jahr 2017 stiess Benjamin Burkhard im Internet auf das Phänomen und war sofort davon begeistert. «Erst dachte ich, dass das ‹Furry›-Wesen nur in den Vereinigten Staaten existiert. Nach ein paar Recherchen im Internet bemerkte ich aber schnell, dass es auch in der Schweiz und in Bern Gleichgesinnte gibt», so der 40-Jährige. Viele derjenigen Personen, die sein Hobby teilen, interessieren sich für Fantasy oder Games. «Auch ich selbst mochte stets Fantasy und verfolgte in meiner Freizeit unterschiedliche Aktivitäten. Mit diesem Hobby fand ich schliesslich den Deckel für meinen Kopf, welchen ich zuvor nie gefunden hatte», so Benjamin Burkhard. Letztlich habe jeder seinen eigenen Zugang zu diesem Hobby. Das Spektrum betreffend Alter, Geschlecht oder berufliche Tätigkeit sei extrem gross. «Akzeptanz und Toleranz wird in unserer Szene sehr gross geschrieben.» Dies macht für Benjamin Burkhard seine Leidenschaft unter anderem aus.
Die Suche nach der Figur
So unterschiedlich die Gründe für die Faszination für die Tier- und Fabelkostüme sind, so divers fallen diese schliesslich auch aus. «Für viele spielt die Verbundenheit mit Tieren eine wichtige Rolle.» Benjaming Burk­hard wählte für sich selbst schliesslich die Hyäne aus. Dies mag auf den ersten Blick überraschen, geniessen die Tiere doch nicht den besten Ruf. Er informierte sich jedoch über die Tiere und fand heraus, dass diese als unterschätzt, sehr sozial und gewissermassen etwas frech gelten. «Damit konnte ich mich identifizieren und meine Art als Privatperson gewissermassen ergänzen.» So machte er sich an sein Outfit, die aktuelle Fellmaske ist bereits die dritte Version. Die Kostüme lassen sich beliebig ergänzen. «Über die Jahre ist eine weltweite Kleinwirtschaft mit den verschiedensten Produkten für die Szene entstanden. Einige stellen ihre Kostüme selbst her, andere lassen diese anfertigen», weiss der Angestellte einer Uhrenfabrik.

Freude überwiegt
Auch wenn viele Menschen sein Hobby nicht kennen, fallen die Reaktionen auf die Spaziergänge durch die Stadt Bern meist positiv aus. «Viele denken, es handle sich bei unseren Spaziergängen um ein politisches Statement oder eine Demonstration. Uns bereiten sie jedoch schlicht Freude.» In solch einem Kostüm falle man auf und werde immer wieder für das Posieren auf einem Foto angefragt. «Wenn wir mit unserem Hobby auch anderen Menschen eine Freude bereiten können, ist das natürlich ideal.»
Die «Furry»-Szene ist aber nicht nur mit positiven Reaktionen konfrontiert. Es existieren zahlreiche negative Klischees. Dies ist mit ein Grund, warum sich viele Anhänger lieber in der Anonymität bewegen. «Ich kann jedoch zu meinem Hobby stehen und möchte mit einer gewissen Transparenz mit den negativen Vorurteilen brechen», hält Benjamin Burkhard fest.
In den Sommermonaten ist es oftmals zu heiss, um in die Kostüme, die sogenannten «Fursuits», zu steigen. «Das Schwitzen ist ein grosses Thema, weshalb wir unsere Spaziergänge bei den aktuellen Temperaturen jeweils aussetzen.» Das Ziel sei jedoch, etwa alle zwei Monate verkleidet durch die Stadt zu spazieren. Diese Spaziergänge organisiert Benjamin Burkhard als Mitglied des neu gegründeten Vereins «BernFurs» mit. Nebst den Spaziergängen organisiert der Verein verschiedene Treffen für Gleichgesinnte. «Letztlich ist mein Hobby mehr als nur Verkleiden, es ist eine Art Kunstform. Dennoch sprechen wir an unseren Treffen über Gott und die Welt und nicht nur über unser Hobby.» Interessierte dürfen sich gerne bei Benjamin Burkhard melden (E-Mail plux@bernfurs.ch). Ansonsten wird er bestimmt wieder einmal im Hyänenkostüm als Plux Hyena zu sehen sein.

Joel Sollberger

 


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