Provisorium für die Schule, Villa für die Stadt, Velowege für die Bewohner/-innen

  04.04.2023 Aktuell, Foto, Burgdorf, Gesellschaft, Politik

Die Schulanlage Gsteighof wird um ein Provisorium erweitert
Der Ausbruch des Ukrainekrieges hatte eine Flüchtlingswelle zur Folge. Die Stadt Burgdorf hat viele dieser Menschen aufgenommen. Zeitweise besuchten 140 Schüler/innen den Schulunterricht in elf sogenannten Willkommensklassen. Diese sollen auf drei Klassen reduziert werden, die anderen Schüler/innen gemäss kantonalen Vorgaben nach und nach in die Regelklassen der Volksschule integriert werden. Die Bildungs- und Kulturdirektion hat darum auf Antrag der Stadt Burgdorf ab August 2023 drei zusätzliche Klassen bewilligt, eine auf Sekundarstufe 1, zwei auf Primarschulstufe. Die Integration muss an einem bestehenden Schulort erfolgen. Eine Klasse wird an der Primarschule Pestalozzi-Gotthelf integriert. Für die andern beiden Klassen eignet sich laut Abklärungen das Schulareal Gsteighof.  
Volksschulkommission und Gemeinderat (GR) unterstützen das Vorhaben. Der GR hat im November 2022 den Planungskredit genehmigt. GR Christoph Grimm erklärte, dass die Provisorien für Mediathek, Bibliothek und Niveauklassen genutzt würden, damit alle Klassenzimmer im Schulhaus integriert sind.  
In der Diskussion dominierte die Feststellung, dass die Unterlagen für den Stadtrat (SR) wenig aussagekräftig waren. Was gibt es schlussendlich für das gesprochene Geld? Wird ein Provisorium aus Holz oder mit Contai­nern realisiert? Wird es gemietet oder gekauft und wie hoch sind die Folgekos­ten? Adrian Merz erklärte seitens der Geschäftsprüfungskommission (GPK), dass diese Ungewissheiten unbefriedigend seien, die Dringlichkeit des Begehrens aber schnelles Handeln verlange. Mehrere Fraktionen strebten einen Kauf des Provisoriums an. Damaris Hauser (GLP) regte an, man solle die Möglichkeit abklären, ein Occasions-Provisorium zu kaufen.
Auf die Äusserung von Elias Maier (FDP), seine Fraktion hätte mehr Flexibilität in der Planung erwartet und eventuell frei werdende Räume im Technikum einbezogen, konterte GR Christoph Grimm mit dem Zeitdruck. Im November 2022 hat die Stadt den Auftrag bekommen, die ukrainischen Kinder in bestehende Schulklassen zu integrieren und neun Monate später muss das Provisorium bezugsbereit sein.
Volksschulkommission und GR unterstützen das Vorhaben. Der GR hat im November 2022 den Planungskredit genehmigt. Der SR folgte dem Antrag und stimmte einem Verpflichtungskredit «Provisorium Schulanlage Gsteighof» von 850 000 Franken als Kauf- oder Mietlösung einstimmig (39 SR anwesend) zu. Zudem erteilte er dem GR die Kompetenz, das wirtschaftlich beste Angebot bestellen zu können.
Nun bleibt zu hoffen, dass das Regierungsstatthalteramt den Bau bewilligt, auch wenn auf dem Dach keine Solaranlage gebaut wird. Die Lebensdauer einer Solaranlage sei länger als diejenige eines Provisoriums und darum nicht wirtschaftlich, erklärte GR Theophil Bucher.

Die Zukunft der Liegenschaft «Villa Schnell» ist unklar
Die Grünen gelangten mit dem Auftrag an den GR, alles in seiner Macht stehende zu tun, um die Liegenschaft «Villa Schnell» mit Park und Nebengebäuden käuflich zu erwerben. Durch den Abbruch des Bahnhofs Steinhof habe das Quartier sein Zentrum verloren. Der Park könnte öffentlich zugänglich gemacht werden und auch der Mangel an Jugendtreffpunkten würde damit gemildert.
GR Beatrice Kuster erklärte, die Gemeinde sei schon seit einiger Zeit in Verhandlungen bezüglich dieses kantonalen Grundstückes. Der GR sei bereit, den Auftrag entgegenzunehmen und den käuflichen Erwerb der Liegenschaft erneut zu prüfen.
Christian Hedinger (Grüne) möchte regelmässig über den Stand der Verhandlungen informiert werden. Er sowie Tanja Blume (SP) bezeichneten diese grüne Oase als idealen, öffentlichen Begegnungsort. Ian Thompson (GLP) verlangt vertiefte Abklärungen betreffend Nutzung und Kaufpreis. Jürg Kämpf (FDP) wies auf die politische Verantwortung hin und erklärte, dass die Stadt nicht immer neue Ausgaben planen dürfe. Solche Objekte seien kostenintensiv im Unterhalt, erklärte Barbara Lüthi-Kohler (SVP), was sich die Stadt nicht leisten könne. Einer Miete würde sie zustimmen.
Der Auftrag wurde mit 23 Ja und 16 Nein angenommen.

Nachhaltigkeit im öffentlichen Beschaffungswesen
Seit 2021 ist das neue Bundesgesetz über die öffentlichen Beschaffungen (BöB) in Kraft. Darin wird festgehalten, dass nicht mehr die günstigsten, sondern die vorteilhaftesten Güter und Dienstleistungen beschafft werden sollen. Für die Definition sollen insbesondere Kriterien der sozialen, ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit den Auswahlprozess prägen. Die Fraktionen bemängelten, dass im Leitfaden der Stadt Burgdorf für das öffentliche Beschaffungswesen (von 2019) die Dimension der Nachhaltigkeit fehle. Sie verlangten eine Konkretisierung, wie sie auf der Wissensplattform für nachhaltige, öffentliche Beschaffung zugänglich ist.
GR Charlotte Gübeli erklärte, dass im Rahmen der Anpassungen der interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen die Beschaffungsgrundlagen und der Leitfaden überarbeitet und angepasst würden. Rudolf Holzer präzisierte auf Anfrage von Herrmann Dür (SVP), dass diese Anpassungen in den überarbeiteten Leitfaden integriert würden und keine zusätzlichen Papiertiger schafften. Der Auftrag wurde mit 31 Ja angenommen.

Untersuchungen der Abwasser­leitungen
GR Francesco Rappa informierte detailliert über die Überarbeitung des Generellen Entwässerungsplans (GEP).  Regenabwasserleitungen, Versickerungsanlagen und zusätzlich alle privaten Abwasserhausanschlüsse müssen auf ihren Zustand untersucht werden. Anfallende Sanierungen gehen zu Lasten der Eigentümer/-in. Doch die Kosten der Überprüfungen, welche die Stadt übernimmt, sind schwer bezifferbar. Der Kredit für die Ausführung des Projekts «Zustandsuntersuchungen im Rahmen des GEP» von 1 600 000 Franken wurde einstimmig genehmigt.

Koexistenz von E-Bikes und Velos
Einen Auftrag zur sicheren Koexistenz von E-Bikes und Velos auf den Velowegen in Burgdorf hat die GLP-Fraktion vor vier Jahren an den GR gerichtet. Im Sinne der Auftragserfüllung wurden alle Wegstrecken, welche mit dem Signal «Verbot für Motorfahrzeuge und E-Bikes» ausgeschildert sind, bezüglich eines Signalwechsels überprüft. Bei 21 von 53 Strassen kann ein Signalwechsel auf das Signal «Verbot für Motorfahrzeuge» beantragt werden. Dem GR ist bewusst, dass die Verkehrsflächen für den Fuss- und Veloverkehr stark genutzt werden. Mit der Erarbeitung einer Mobilitätsstrategie 2022 werden Grundlagen mit Blick auf zukünftige Mobilitätsbedürfnisse erarbeitet. Ein weiteres, laufendes Projekt ist «Netzwiderstandkataster Fuss- und Veloverkehr». Hier werden systematisch Probleme des Langsamverkehrs erhoben, aufbereitet und behoben.
Für die Grünen äusserte sich Walter Bangerter, der sich um die kleinen Fussgänger/innen sorgt, die auf dem gleichen Weg zum Kindergarten gehen, wie die schnellen E-Bikes fahren. Theophil Bucher setzt auf das Verantwortungsbewusstsein der Verkehrsteilnehmenden. Der Auftrag wurde mit 32 Ja-Stimmen abgeschrieben.

Trittbretter für Fahrradfahrer
Die SP-Fraktion wünschte eine Stellungnahme des GR betreffend Trittbretter für Fahrradfahrer/innen in Burgdorf. Darunter versteht man ein Fahrradgeländer mit einem Trittbrett und einer Haltestange, das vor einer Ampel am rechten Strassenrand montiert würde. Es sei ideal für Fahrradfahrende, weil sie nicht vom Rad steigen müssen, während sie auf Grün warten. Sie können somit schneller wieder weiterfahren. In den Niederlanden und in Deutschland habe diese Idee einen hohen Stellenwert.  
Der GR erklärte, dass lediglich zwei Ampeln an Gemeindestrassen stehen. Generell werde der Nutzen solcher Installationen aufgrund der knappen Platzverhältnisse als kritisch beurteilt. Auch die Gefahr des Abdrängens oder der Quetschung von Velofahrenden sei erhöht. Die Interpellanten erklärten sich mit der Stellungnahme teilweise befriedigt.

Anpassung der Eigentümerstrategie der Localnet AG
Zum Thema Eigentümerstrategie wurden in den vergangenen zweieinhalb Jahren verschiedene Aufträge und ein Postulat von einigen Fraktionen eingereicht.
Der GR erklärte, er habe die Eigentümerstrategie der Localnet AG überarbeitet und angepasst. Sie wurde am 5. Dezember 2022 genehmigt und auf der Website der Stadt Burgdorf aufgeschaltet. Das Wichtigste in Kürze: Die Localnet AG ist verpflichtet, einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung der Energie- und Klimaziele der Stadt zu leisten und neue Energieformen und -träger zu fördern. Ziel ist es, wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltig zu handeln. Die Localnet AG unterstützt die Stadt bei der Erreichung der energie- und klimapolitischen Ziele.
Durch diese Massnahmen empfahl der GR die Abschreibung aller Aufträge und des Postulats zum Thema Eigentümerstrategie. Von vier Punkten des Antrags wurde lediglich einer abgeschrieben. Nach langen Diskussionen wird das Begehren für eine langfristige Reduktion von CO2 in den Geschäftsfeldern der Localnet AG, die Reduktion der Abhängigkeit von nicht erneuerbarem Gas im Fernwärmenetz und der rasche Ausstieg aus dem Erdgas als städtischer Energieträger aufrechterhalten. Theophil Bucher erklärte, solche Massnahmen würden in den Energierichtplan aufgenommen.

Teuerungsausgleich für städtische Angestellte
Am 12. Dezember 2022 reichten SP, Grüne und EVP ein dringliches Postulat betreffend Teuerungsausgleich für städtische Angestellte ein, welchem der SR mehrheitlich zustimmte. Die Umsetzung gestalte sich schwierig, da das gewünschte Vorgehen nicht 1:1 mit dem aktuellen Lohnsystem umsetzbar sei. Drei verschiedene Varianten wurden eingehend diskutiert. Zudem wurde ein Abänderungsantrag der FDP-, der Mitte- und SVP-Fraktion, die Umsetzung aus dem laufenden Budget zu bezahlen, mit einer Stimme Differenz nicht angenommen. Der SR entschied sich für die Auszahlung einer Einmalprämie, weil diese sozialer sei als die andern Vorschläge.
Die SP-Stadträtin Maria Macarena Matutis hat demissioniert. Den freien Sitz übernimmt Pascal Hebeisen, der bei der Märzsitzung zum ersten Mal dabei war.
Heinz Sägesser hat seine Demission für die Bau- und Planungskommission per 31. März 2023 eingereicht. Als Nachfolger wurde Dieter Balmer (Grüne) gewählt. Er verfügt über Fachkenntnisse und gilt als engagiert und besonnen.

Postulat der Mitte-Fraktion betreffend Parkhaus im Schlosshügel von Burgdorf
Das Thema Parkhaus löst immer wieder Diskussionen aus, weil es zu wenig genutzt wird. Sollen Parkplätze aufgehoben und das Parkieren ausserhalb des Parkhauses verteuert werden? Oder wäre die Option, im Schlosshügel von Burgdorf ein Parkhaus zu realisieren die Lösung aller Parkprobleme? Die Mitte-Fraktion gelangte mit dem Postulat, den Bau eines Parkhauses im Schlosshügel zu überprüfen, an den GR. Dadurch würde mehr Freifläche um die Altstadt entstehen. Eine Begrünung  oder anderweitige Nutzung würde einer Aufheizung der grossen Beton- und Asphaltflächen entgegenwirken und somit das Stadtklima während der Sommermonate verbessern. Von hier wäre der Weg kurz zur Markt- und Kulturhalle, zum Frei- und Hallenbad, zur Altstadt und zum Schloss.
Der GR erklärte, dass sich Behörden und Geschäftsleute vor Jahrzehnten um ein Parkhaus zur Entlastung der Altstadt bemüht hätten. In einem Parkplatzkonzept wurde der aktuelle Standort als geeignet festgelegt.
GR Charlotte Gübeli bezeichnete ein Parkhaus im Schlossfelsen als interessant. Es könnte für die Stadtentwicklung neue Möglichkeiten bieten. In einem ersten Schritt würden die bestehenden Unterlagen neu beurteilt werden.
Die FDP- und die Mitte-Fraktion sprachen sich klar dafür aus. Für die SP äusserte sich Fabian Käsermann ablehnend, weil das aktuelle Parkhaus nur 17 Prozent Auslastung ausweise. Das Postulat wurde abgelehnt.

Interpellation der SP-Fraktion betreffend Datenschutz bei der Entsorgung von Datenträgern der Stadtverwaltung
Die SP-Fraktion hat aus Medienberichten entnommen, dass die Justizdirektion Zürich alte Datenträger ohne vorgängige Verschlüsselung einer Privatperson zur Entsorgung abgegeben hat. Die hohe Sensibilität der Daten, welche sich auf Datenträgern der Stadtverwaltung befinden, stellt der Fraktion die Frage, wie die aktuelle Entsorgung erfolge.
Die Stadt ist sich der Sensibilität der Daten bewusst. Datenträger in Servern sind in einem Verbund verbaut und daher einzeln kaum gefährlich, um zusammenhängende Daten daraus zu gewinnen. Solange sie in Betrieb sind, werden sie in Serverräumen eingeschlossen. Speicherplatten und Disks werden bei Nichtmehrgebrauch mit der Bohrmaschine zerstört und danach mit dem Elektroschrott entsorgt. Die Interpellanten erklärten sich mit der Stellungnahme befriedigt.

Helen Käser

 

Informationen aus dem Gemeinderat
Rudolf Holzer, Leiter Baudirektion, informierte über Fortschritte des Projekts B.move. Dieses beinhaltet die Zentralisierung der Direktionen zu einer modernen Verwaltung. Ziele sind eine Effizienzsteigerung durch interne Zusammenarbeit und eine Kostenreduktion in Betrieb und Unterhalt. Nicht benötigte Areale werden frei für den Markt und können im Baurecht abgegeben werden.
Das Projekt läuft in drei Phasen ab. Aktuell befindet sich B.move in der ersten – Analyse und strategische Planung. Mit einer Begleitgruppe, in der aus jeder Fraktion ein Stadtrat Einsitz hat, wurde ein Bericht erstellt und die Mitarbeitenden darüber informiert. Die Berichtsunterlagen werden nun zur Bearbeitung dem Stadtrat abgegeben.
Gemeinderat Christoph Grimm zeigte sich erfreut über die Einigung eines Jugendtreffs am Waldeggweg. Die Stadt bekam grünes Licht für den Jugendtreff. Der Stadtrat quit­tierte diese Mitteilung mit kräftigem Applaus. 


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