Gebären im neuen Geburtshaus – fast wie daheim

  01.11.2022 Aktuell, Foto, Region, Gesellschaft

Übermorgen Donnerstag, 3. November 2022, 19.00 Uhr, findet im Kurslokal des Spitals Emmental in Burgdorf der Publikumsvortrag unter dem Titel «Geburtshaus: Gebären fast wie zu Hause» statt. Der Vortrag dauert rund 45 Minuten. Danach besteht die Möglichkeit, der Leiterin des neuen Geburtshauses Emmental, Ruth Erhard, beim anschliessenden Apéro unter vier Augen Fragen zu stellen. Eine Anmeldung ist erwünscht. Diese kann telefonisch unter der Nummer 034 421 18 52 erfolgen – mit Angabe der Anzahl der Teilnehmenden und mit dem Hinweis, dass der geplante Besuch dem Publikumsvortrag «Gebären» gilt. Interessierte können sich auch online einschreiben: www.spital-­emmental.ch/publikumsvortraege.

«D’REGION»: Was wird in Ihrem Vortrag zur Sprache kommen?
Ruth Erhard: Ich werde versuchen, verschiedene Fragen zu beantworten: Weshalb gibt es ein Geburtshaus im Spital Burgdorf? Was ist ein Geburtshaus? Wie haben sich die Geburtshäuser in der Schweiz entwickelt? Was ist eine Beleghebamme und weshalb ist es schwierig, Beleghebammen zu «finden»? Wie sieht der Tagesablauf im Geburtshaus aus?

«D’REGION»: Wie verläuft eine «typische» Geburt in einem Geburtshaus?
Ruth Erhard: Die Schwangeren werden schon während der Schwangerschaft durch eine Beleghebamme betreut. Somit kennen sich die Beteiligten bei der Geburt bereits sehr gut und es ist ein Vertrauensverhältnis vorhanden. Der mögliche Geburtsverlauf wird vorbesprochen. Auch, welche Hilfeleis­tung die Beleghebamme geben kann. Bei Geburtsbeginn meldet sich die Frau bei der Beleghebamme. Diese sucht die Frau zu Hause auf und erhebt die Erstsituation. Ist die Eröffnungsphase am Laufen, kommt die Beleghebamme mit dem Paar ins Geburtshaus. Dort wird die Schwangere von der Hebamme individuell und einfühlsam betreut. Sie hat nicht gleichzeitig eine zweite gebärende Frau zu betreuen. Zur Geburt selber kommt immer eine Zweithebamme dazu. Diese kann unterstützen und der Beleghebamme helfen. Das Paar ist darüber vorinformiert. Nach der Geburt bleibt die Familie für einige Stunden im Gebärzimmer und es haben alle Zeit, sich gegenseitig kennenzulernen. Das Neugeborene wird in seinem Rhythmus gestillt. Danach wird die Familie in ein Wochenbettzimmer verlegt. Mutter, Kind und Vater bleiben zwei bis drei Tage im Geburtshaus. Die Familie erhält jeden Tag von der Beleghebamme einen Wochenbettbesuch. Sie kontrolliert die Rückbildung, unterstützt die Mutter beim Stillen und instruiert den Vater, wie er seine Partnerin unterstützen kann.

«D’REGION»: Was ist der Unterschied zu einer Haus- oder Spitalgeburt?
Ruth Erhard: Die Schwangere kennt ihre Beleghebamme und weiss somit, wer sie bis zum Austritt betreut. Die Beleghebamme gewährleistet eine Eins-zu-eins-Betreuung und ist jederzeit für die Schwangere oder die junge Familie da – also während 24 Stunden täglich. Es besteht ein Kriterienkatalog, welche Frauen im Geburtshaus gebären dürfen. Dieser ist dem gesamten Team bekannt. Die Frauen/Paare sind darüber informiert worden.

«D’REGION»: Was macht das Geburts­haus im Spital Emmental aus?
Ruth Erhard: Die Räumlichkeiten befinden sich im «alten» Spital Burgdorf. Zudem liegen die Räume direkt neben der Frauenklinik. Sollte es zu einer Verlegung kommen, sind die Wege kurz. Somit wird kein Rettungsdienst benötigt.
«D’REGION»: Welche Kriterien müssen erfüllt sein, um eine hebammengeleitete Geburt durchzuführen?
Ruth Erhard: Die Schwangerschaft ist ohne Komplikationen verlaufen. Das Kind ist nicht zu klein, aber auch nicht zu gross. Die Eltern sind motiviert und bereit, Mitverantwortung für die Geburt zu übernehmen. Die Frau hat eine Beleghebamme, welche mit dem Spital Emmental einen Vertrag hat.

«D’REGION»: Wie wird bei Komplikationen vorgegangen – wie schnell könnte ärztliche Hilfe eintreffen?
Ruth Erhard: Treten Komplikationen auf, begleitet die Beleghebamme die Frau in die Frauenklinik. Entsteht eine Notfallsituation, erfolgt dasselbe Vorgehen wie in der Frauenklinik. Die Frauenärztinnen und Frauen­ärzte, die Hebammen, die Anästhesie sowie die Kinderärzte/-innen sind über das Geburtshaus informiert und die Abläufe sind bekannt. Eine sehr rasche Hilfe und Zusammenarbeit ist somit vorhanden. Auch im Geburtshaus erfolgt die Dokumentation im gleichen elektronischen System wie in der Frauenklinik. Dies ermöglicht allen, rasch Zugang zu Informationen zu haben.

«D’REGION»: Wie lange bleiben die Frauen nach der Geburt bei Ihnen  und wie muss man sich den Aufenthalt in Ihrem Geburtshaus vorstellen?
Ruth Erhard: In der Regel bleiben die Frauen zwei bis drei Tage im Geburtshaus. Von 7 bis 16 Uhr sind immer Mitarbeiterinnen des Geburtshauses anwesend. Sie unterstützen Mutter, Kind und Vater im Alltag. Sie sind auch für die Verpflegung der Paare verantwortlich sowie generell für das Wohlergehen im Geburtshaus. Auch eine Vielzahl administrativer Arbeiten müssen die Mitarbeiterinnen des Geburtshauses erledigen. Die Eltern haben die Möglichkeit, die Mahlzeiten in der gemeinsamen Küche einzunehmen – oder diese werden im Zimmer serviert. Alles gemäss den Wünschen des Paares. Die Beleghebamme ist während der Wochenbettzeit für die Mutter immer telefonisch erreichbar und kommt täglich zum «Wochenbett-Hausbesuch»: Kontrolle bei der Mutter, Stillunterstützung, Umgang mit dem Neugeborenen, Fragen klären, das psychische Wohlbefinden aufnehmen, mögliche Ängste ansprechen, Gewicht des Neugeborenen kontrollieren.

«D’REGION»: Sie leiten das Geburtshaus. Wenn Sie die Geburten miterleben, bekommen Sie dann nicht Lust, selbst als Hebamme zu arbeiten?
Ruth Erhard: Ich bin seit 1981 Hebamme – also schon sehr viele Jahre. Es freute mich immer extrem, wenn ich Frauen bei Geburten begleiten durfte. Noch heute verspüre ich diese «magischen» Momente. Ich würde diesen Beruf wieder für mich wählen. Ich habe diesen Weg nie bereut. Unterdessen habe ich aber auch gelernt, dass es noch «andere Geburten» gibt für mich: Kinder und Grosskinder haben, junge Hebammen begleiten und stärken sowie sich selber etwas zurücknehmen, die hebammengeleitete Geburt bekanntmachen, dem Geburtshaus «seinen» Platz geben, sich einsetzten, dass Mütter, Kinder und Väter begleitet werden und sie sich sicher fühlen – sowie Zeit für die Partnerschaft haben. Es sind also viele Aufgaben, die mich weiterhin erfüllen.
 
«D’REGION»: Was gefällt Ihnen besonders am Beruf der Hebamme?

Ruth Erhard: Mütter in ihrer Kraft bestärken und ihnen mit meiner Anwesenheit Sicherheit geben. Die Partner zum Mitmachen bestärken – auch während der Geburt. Ja und dann nach der Geburt die grosse Dankbarkeit der Eltern, dass ich sie als Hebamme unterstützen konnte – wie auch immer eine Geburt verlaufen ist. Das sind auch für die Hebamme immer wieder «magische» Momente.

Hans Mathys


Image Title

1/10


Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote