Schulanlage Schlossmatt und Kurtaxe führen an der Stadtratssitzung zu Diskussionen
27.09.2022 Aktuell, Burgdorf, Gesellschaft, PolitikEinführung einer Kurtaxe in Burgdorf
Burgdorf ist eine regionale Kultur- und Tourismusstadt. Das beweisen die Übernachtungszahlen, die seit der Eröffnung des Schlosses mit Jugendherberge und Museum stark gestiegen sind. Auch andere touristische Attraktionen wie die Positionierung des Emmentals als E-Bike-Destination spielen eine bedeutende Rolle. Durch die Einführung einer Kurtaxe, die in der Schweiz allgemeine Akzeptanz findet, könnten zukünftig weitere Angebote realisiert und damit die touristische Entwicklung gesichert werden. Die Legislaturplanung 2021–2024 formuliert folgendes Ziel: «Touristische Einrichtungen, Projekte und Veranstaltungen im Interesse der Gäste werden mit der Einführung einer Kurtaxe finanziert». Mit der Erhebung einer Kurtaxe würde man zudem die Möglichkeit schaffen, den Auftrag von Esther Liechti-Lanz und Tabea Bosshard (beide EVP) betreffend einem Burgdorfer Ticket zu erfüllen.
In der Fraktion der SP stehen die Mitglieder hinter dem Projekt. Lediglich die Höhe der Kurtaxe und der lose formulierte Verwendungszweck gaben Anlass zu Diskussionen, informierte Yves Aeschbacher. Für die SVP äusserte sich Barbara Lüthi-Kohler positiv zur Einführung einer Kurtaxe, erwartet jedoch, dass der zusätzliche administrative Aufwand mit den Kurtaxen gedeckt wird. Dass keine zusätzlichen Stellenprozente geschaffen werden, erwartet auch die Mitte, wie sich Carmen Baumeler-Stoll äusserte. Die FDP mache keine Freudensprünge bei der Einführung einer neuen finanziellen Abgabe, meinte Elias Maier, doch seine Fraktion werde trotzdem zustimmen. Er erwartet vom Gemeinderat (GR), kein Bürokratiemonster zu schaffen, mit dieser Taxe das heutige Stadtmarketing und die Bevölkerung zu entlasten und den Einführungszeitpunkt erst auf 2024 zu planen, damit die Hotellerie und Parahotellerie nach schwierigen Monaten etwas «Schnauf» haben. Stadtpräsident Stefan Berger (SP) erklärte, dass weder zusätzliche Stellen geschaffen noch ausserplanmässige Kosten entstehen würden.
Das Reglement über die Kurtaxe Burgdorf lehnt sich an ein Musterreglement des Amtes für Wirtschaft des Kantons Bern an und wurde einstimmig genehmigt.
Hitzige Diskussionen um den Baukredit der Schulanlage Schlossmatt
Gemeinderat Christoph Grimm (glp) erklärte, dass der Schulraum in der Schulanlage Schlossmatt nicht mehr den heutigen Bedürfnissen entspreche. Die Gemeinden seien vom Gesetz her verpflichtet, geeignete Schulräumlichkeiten zur Verfügung zu stellen und für die entstehenden Kosten aufzukommen. Diese Anpassungen steigern zudem die Attraktivität des Standorts und erleichtern damit die Rekrutierung von Lehrpersonen.
Die Planung müsse langfristig erfolgen, erklärte Grimm. Im Jahr 2020 bewilligte der Stadtrat die Projektierung eines Kindergartens und einer Tagesschule in der Schulanlage Schlossmatt. Dies war der erste Schritt in einer Planung von 13 Schritten. Während der zweiten Planungsphase hatte sich der Flächenbedarf deutlich erhöht. Neben zusätzlichen neun Klassenzimmern soll auch die HPS (Heilpädagogische Schule) als Nachnutzerin der Räumlichkeiten der Tagesschule integriert werden. Die Legislaturplanung 2021–2024 beinhalte zudem die Errichtung einer Ganztagesschule. Durch die neuen Wohnbauten im Fischermätteli und rege Bautätigkeit im Südquartier ist mit steigenden Schülerzahlen zu rechnen. Diese Kinder werden die Primarschule Schlossmatt besuchen.
Gemeinderat Theophil Bucher (Grüne) erklärte, dass der jetzige Planungsschritt zwar teurer werde, die Gesamtkosten aber gleich bleiben. Der Holzmodulbau sei nachhaltig und wiederverwendbar konzipiert, garantiere ein gutes Aufenthaltsklima und ermögliche bei Bedarf die Verschiebung an einen anderen Schulstandort. Ein Dach würde als Photovoltaikanlage genutzt, das andere als Spielplatz. In Übereinstimmung mit den Minergie-ECO-Vorgaben wird ein Monitoringsystem vorgesehen. Sämtliche Energieflüsse (Heizung, Kühlung, Stromerzeugung etc.) werden dokumentiert. Die Bauten hätten eine hohe Nutzungsdauer über mehr als eine Generation.
Zuerst soll der Neubau 1 erstellt werden. Dank dessen Räume können die Klassenzimmertrakte der aktuellen Schulanlage ohne teure Zwischennutzung von Containern sukzessive saniert werden. Nach der Renovation entsteht aus den Klassenzimmern eine Ganztagesschule. Die Kosten für die Sanierung und den neuen Holzmodulbau betragen 13 300 000 Franken, darin enthalten sind die PV-Anlage und die Minergie-ECO-Zertifizierung.
Sämtliche Fraktionen waren sich einig, dass Investitionen in die Bildung wichtig seien. Die FDP und Die Mitte verzichteten auf einen Fraktionsentscheid, bevor die Diskussionen im SR abgeschlossen sind. Jürg Grimm (FDP) bemängelte die Kosten, denn verglichen mit ähnlichen Projekten – Beispiel Bern-Brünnen – seien diese beim Holzmodulsystem in der Schlossmatt fast 75 Prozent höher. Auch Roger Aebi (Die Mitte) bezeichnete die Kosten als «an der oberen Grenze». Seine Partei befürworte das Projekt, möchte aber bei der aktuellen Situation beide Dachflächen mit Photovoltaikanlagen versehen. Die Mitte verlangt für weitere Projekte eine weitsichtigere Planung und schlägt in die gleiche Bresche wie die FDP. Für diese ist eine Strategieplanung nicht ersichtlich.
Damaris Hauser (GLP) irritieren die hohen Kosten ebenfalls. Sie bemängelt, dass keine detaillierte Kostenaufstellung abgegeben wurde und fragt sich, ob die Minergie-ECO-Zertifizierung nötig sei. Diese koste um die 50 000 Franken. Auch Josef Timoteo Jenni (EVP) möchte auf diese Zertifizierung verzichten.
Fabian Käsermann (SP) zweifelt, ob die gleichen Standards eingehalten würden, wenn man auf die Zertifizierung verzichte. Doch GR Theophil Bucher bestätigt, dass auch ohne Zertifikat der Minergie-ECO-Standard eingehalten werde. Christian Hedinger (Grüne) wies darauf hin, dass Holz, das beispielsweise aus Polen in die Schweiz gefahren werde, nicht mehr CO2-neutral sei. Hedinger will für den Bau regionales Holz und lokale Unternehmen. Ruedi Holzer (Baudirektion) erklärte, dass die Verfügbarkeit des Holzes ein Problem sei, dieser Wunsch bei künftigen Bauten aber berücksichtigt werde. Im Übrigen sei die Firma Blumer Lehmann AG aus der Ostschweiz das einzige Unternehmen, das eine Offerte eingereicht habe. Jürg Kämpf (FDP) erklärte eine Ausschreibung mit nur einem Angebot als fragwürdig. Das Projekt sei massiv zu teuer und Details fehlten. Er möchte seine Verantwortung wahrnehmen und habe dafür zu viele Fragezeichen. Nach spürbarer Unzufriedenheit in den Fraktionen beschrieb Hermann Dür (SVP) die aktuelle Situation als unbefriedigend. Es sei kaum zumutbar, in einer einzigen Sitzung über ein so grosses Projekt zu befinden. Insgesamt kam fraktionsübergreifend zum Ausdruck, dass dieses Projekt unbefriedigend vorbereitet ist.
Stadtratspräsidentin Esther Liechti-Lanz gewährte dem SR eine Pause für interne Diskussionen. Für die SP kritisierte Debra Marti danach die spät erfolgte Planung. Thomas Gerber (SVP) erklärte, seine Fraktion stimme nur zu, wenn zukünftige Ausschreibungen detaillierter gezeigt würden. Der Antrag wurde schliesslich mit 27 Jastimmen, 6 Neinstimmen und 7 Enthaltungen angenommen, nachdem in separater Abstimmung auf die Zertifizierung des Minergie-ECO-Standards verzichtet wurde.
Auftrag Mitte-Fraktion betreffend «Koordination Zustrom von ukrainischen Flüchtenden»
Die Schweiz erwartet laut Medienberichten um 300 000 Flüchtende. Diese stellen für die Schweiz, die Kantone und die Gemeinden einen beträchtlichen Zeit- und Koordinationsaufwand dar. Deshalb erteilte die Mitte-Fraktion dem GR den Auftrag, in Burgdorf eine Stabsorganisation zu bilden. Diese solle sich um Aufnahmekapazitäten, Unterkunft, Versorgung, Personal für die Betreuung, Sprachkurse, Ausbildung der Kinder, Integration in die Arbeitswelt, Gesundheitsversorgung und alle anderen anfallenden Pendenzen kümmern. Dabei sei die Koordination mit dem Kanton und den umliegenden Gemeinden erforderlich.
Stadtpräsident Stefan Berger informierte, dass mit Beginn des Zustroms von Flüchtenden eine zentrale Koordinationsstelle geschaffen wurde. Die Stadtverwaltung habe unter der Leitung der Präsidialdirektion die «Taskforce Ukraine» gebildet. Neben Mitarbeitenden aller Direktionen der Stadt sind Vertretende der reformierten Kirchgemeinde Burgdorf und die ORS Service AG als ständige Mitglieder an den Besprechungen dabei. So können rasche Lösungen gefunden und koordiniert werden. Betreffend Zusammenarbeit auf kommunaler Stufe wurde ein Austausch zwischen betroffenen Städten und dem Kanton geschaffen. Anette Vogt (SP) ergänzte, dass noch nie in so kurzer Zeit so viele Flüchtlinge aufgenommen wurden und bedankte sich für die grosse Solidarität der Bevölkerung. Der GR ist der Überzeugung, dass dem Auftrag der Mitte bereits entsprochen wurde, und stellte den Antrag auf Annahme und Abschreibung, was einstimmig angenommen wurde.
Orientierung der Geschäftsprüfungskommission
Die GPK hat die Aufgabe, die Gemeindeorgane zu überprüfen und ihre Ergebnisse in einem Bericht zusammenzufassen. Thomas Gerber bedankte sich bei der Verwaltung für die Kooperationsbereitschaft bei dieser Prüfung und präsentierte sie als GPK-Präsident dem SR. Ein zentrales Anliegen sei die Förderung der direktionsübergreifenden prozessorientierten Denkweise und Zusammenarbeit innerhalb der Stadtverwaltung. Dieser Punkt bedürfe noch einiger Arbeit. Die GPK empfehle zudem die Überprüfung und Anpassung von Wirkungs- und Leistungszielen in einigen Produktegruppen. Das bedeute, diese zugunsten der Bevölkerung zu verbessern.
Yves Aeschbacher, SP, demissioniert als Stadtrat
SP-Stadtrat Yves Aeschbacher tritt zurück. Sein Mandat übernimmt Tanja Blume (SP). Als Nachfolger in die GPK wurde Fabian Käsermann gewählt, für das Vizepräsidium der GPK, das Aeschbacher innehatte, Stadträtin Sybille Zingg Righetti. Gabriela Bannwart verabschiedete ihren Parteikollegen, der während zwölf Jahren mit grossem Engagement die Stadtpolitik mitbestimmt hatte. Sie verglich Aeschbacher mit einem Eishockeyspieler, der in jeder Position spielte. Er bedankte sich für die Laudatio und spann den Faden weiter: Im Eishockey sei auch eine gegnerische Mannschaft wichtig. Damit bedankte er sich bei allen für die konstruktive Zusammenarbeit im Rat und lud sie zu einem Umtrunk ein.
Helen Käser