Pilze sind ein spannendes Darstellungsobjekt

  17.08.2022 Bildung / Schule, Kultur, Burgdorf

Heiko Sievers aus Berlin erhielt den Zuschlag als Gastkünstler der Stadt Burgdorf. Er arbeitet seit Juni 2022 in der grossen Halle der Kulturfabrik an der Lyssachstrasse 112 an verschiedenen Projekten und lässt seiner Kreativität freien Lauf. Nun neigt sich sein Aufenthalt in der Zähringerstadt im Rahmen des Programms «Artists in Residence» allmählich dem Ende entgegen. Zum Abschluss lädt der 53-jährige Sievers am kommenden Wochenende von Freitag, 19. August, bis Sonntag, 21. August 2022, die interessierte Bevölkerung zu einer Ausstellung mit dem Titel «rabenbleich» in sein Atelier ein. Er präsentiert die neu entstandenen Installationen, Zeichnungen und Objekte und stellt die Ergebnisse seiner Kooperationen mit dem Verein für Pilzkunde Burgdorf /
Oberburg sowie den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Ferienpasses Region Burgdorf vor. Im Zentrum der Ausstellung steht dabei das Thema Pilze, mit dem sich Heiko Sievers seit Langem auseinandersetzt.

Einzigartige Formenvielfalt
«Pilze zeichnen sich durch ihre einzigartige Formenvielfalt aus», erklärt Sievers seine Faszination gegenüber der Zeitung «D’REGION». «Sie sind geheimnisvoll, für den Wald und die Natur von zentraler Bedeutung und äusserst vielseitig. Die Fruchtkörper bestechen teils durch ihre Schönheit, wirken manchmal aber auch unheimlich und monströs. Der Grossteil eines Pilzes ist nicht sichtbar und besteht aus einem im Boden verborgenen Netz von Fäden, dem Mycel. Manche Pilze leben in symbiotischer Beziehung mit anderen Pflanzen, andere sind Parasiten. Für einen Künstler, der sich für die Natur interessiert, gibt es kaum ein spannenderes Objekt.»
Zum ersten Mal beschäftigte sich Heiko Sievers, dessen Arbeiten in diversen Ausstellungen unter anderem in Düsseldorf, Wiesbaden, Athen und in Berlin gezeigt wurden, während seines Studiums an der Kunstakademie in Karlsruhe mit Pilzen. Später griff er das Thema wieder auf und setzte sich intensiv mit den naturwissenschaftlichen Hintergründen auseinander. Die Wissenschaft stellt für ihn eine Quelle der Inspiration dar. Die Frage, wie sich Erkenntnisse und Ergebnisse der Forschung künstlerisch vermitteln und visualisieren lassen, zieht sich wie ein roter Faden durch sein Werk.
Seit 2009 arbeitet er fortlaufend – so auch in Burgdorf – am Projekt «Mush­room of the Day», für das bereits über 2500 Bilder und Werke entstanden sind. Alle sind online einsehbar (mushroom-of-the-day.blogspot.com).
«Das Projekt bietet mir eine tägliche Arbeitsroutine und erlaubt mir, auf assoziative Weise verschiedenste Techniken auszuprobieren und damit zu experimentieren. Die Bandbreite reicht von klassischen Stilleben über politische Karikaturen und Auseinandersetzungen mit den Grössen der Kunstgeschichte bis hin zu skurril-fantasievollen Zeichnungen», erläutert der Künstler.
Einen Namen schuf sich Heiko Sievers auch mit raumgreifenden Installationen. Im Burgdorfer Atelier ist unter anderem ein geheimnisvoller Baumstrunk mit einem Rabenschnabel und Rabenaugen entstanden, den Sievers aus Pappmaschee auf einem Drahtgerüst anfertigte und mit einer Sound­installation ausstattete. Der Strunk gibt krächzende Geräusche von sich und klagt über Dürre und Trockenheit. Das mehrdeutige Objekt lässt sich als Statement zur Klimakrise deuten, weist aber auch Bezüge zu einem Totem auf und weckt dadurch Assoziationen zu mythologischen Erzählungen. Ein überdimensionaler Regenwurm, an einem Haken hängend, lädt ebenfalls zur Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen und drängenden Problemen ein.

Kooperationen
In Burgdorf suchte Heiko Sievers unter anderem die Zusammenarbeit mit dem hiesigen Verein für Pilzkunde. «Besonders freute mich natürlich, dass Vereins­präsident Bruno Schär meine Arbeiten bereits seit Längerem kannte. Meine Werke blieben also in der Region nicht unbemerkt», lacht er. Inspirationen holte sich Sievers unter anderem beim Besuch eines Pilzbestimmungstreffens. Er fertigte das Modell eines Gelben Schuppenwulstlings an, eines äusserst seltenen, parasitären Pilzes. Profunde Pilzkenner unterstützten Heiko Sievers mit wertvollen Hinweisen, sodass ein realitätsgetreues Abbild resultierte. «Der Verein schlug mir zudem vor, mich ihm Rahmen eines Ferienpass-Kurses an einem Pilz-Workshop für Schüler/innen zu beteiligen. Dies bereitete mir grossen Spass, denn auch in Berlin erteile ich Jugendlichen und Kindern Kunstkurse. Gemeinsam vervollständig­ten wir ein Modell, das in der Ausstellung bewundert werden kann. Es veranschaulicht das Pilzgeflecht im Boden und die Symbiose mit den Bäumen.»

Neue Betrachtungsweisen
Den interdisziplinären Austausch erachtet Heiko Sievers als äusserst wichtig. Aus diesem Grund hat er für die Ausstellung am Wochenende ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm zusammengestellt. Am Samstag, 20. August 2022, findet um 16.00 Uhr ein virtuelles Gespräch mit César Marin, Wissenschaftler
und Pilzfachmann des chilenischen Center for Research and Innovation for Climate Change, statt. Am Sonntag, 21. August 2022, wird um 19.00 Uhr zudem der Dokumentar­film «Olanda» von Bernd Schoch gezeigt, der sich mit dem Leben von rumänischen Saisonarbeitern und -arbeiterinnen auseinandersetzt, die in den Wäldern leben und Pilze und Blaubeeren sammeln. «Das Zusammenbringen von unterschiedlichen Perspektiven schützt vor Betriebsblindheit und mündet im Ideal­fall in neuen Betrachtungsweisen und Erkenntnisgewinnen», zeigt sich Sievers überzeugt.
Das Leben in Burgdorf gefällt dem Berliner äusserst gut. «Die Arbeitsbedingungen im Atelier waren optimal, die Hilfsbereitschaft gross. Ich durfte hier zahlreiche sympathische Personen kennenlernen.» Ende August 2022 reist Heiko Sievers wieder nach Berlin zurück. Der Zeitung «D’REGION» verrät er: «Ich wäre natürlich nicht traurig, wenn ich noch etwas länger bleiben könnte. Ich hoffe aber, Burgdorf bald wieder einmal einen Besuch abstatten zu können.»

Markus Hofer

Ausstellung Kulturfabrik:
Freitag, 19. August 2022 (Vernissage): 17.00 bis 21.00 Uhr; Samstag, 20. August 2022: 13.00 bis 19.00 Uhr; 16.00 Uhr Zoom-
Gespräch mit Dr. César Marin, anschliessend BBQ; Sonntag, 21. August 2022: 13.00 bis 19.00 Uhr – ab 19.00 Uhr Film «Olanda» (Eintritt frei). Lyssachstrasse 112, Burgdorf.


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