Grosse Herausforderungen – vorhandene Lösungen
14.06.2022 Aktuell, Foto, RegionDr. Ruedi Meier, Präsident des Vereins «energie-wende-ja», fasste die am Kongress durch verschiedene Referenten zu behandelnden Themen wie folgt zusammen: Versorgungssicherheit und Klimaziele, energieeffizienter Zubau, erneuerbare Energie, Energiestrategie 2050+, Klimaziele des Bundesrates sowie Dekarbonisierung (Wärmepumpen, E-Mobilität und mehr). Ziel müsse es sein – deutlich vor Augen geführt durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die unmittelbaren Folgen –, so rasch wie möglich weitgehend unabhängig von Energie-Importen zu werden. Der Ausbau von erneuerbarer Energie verlaufe bisher unbefriedigend.
Technologischer Schub
Laut Regierungsrat Christoph Ammann (Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektion) gibt es «seit Jahrzehnten wichtige Gründe für eine Energiewende. Uns ist bewusst, dass die meisten fossilen Brennstoffe aus Diktaturen stammen, die unsere demokratischen Werte mit Füssen treten. Jetzt ist es Zeit, die Energiewende genügend energisch anzupacken.» Entsprechend unterstütze der Kanton Bern seit dem 2. Mai 2022 im Rahmen seines Förderprogramms den Ersatz von Gasheizungen. «Die Nachfrage ist gross, denn Energie wird teurer und wird es auch bleiben. Dafür werden Investitionen in Effizienz attraktiv und lohnenswert. Beim Klimaschutz geht es vorwärts.»
Ammann erläuterte das Abrutschen der Schweiz in die wirtschaftliche Abhängigkeit von Mächten und deren Verhalten, welche der Westen nicht beeinflussen könne. «Ein Ende ist nur möglich, wenn Strategien entwickelt werden und vorbildlich gehandelt wird, Anreize gegeben, gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft geschaffen sowie angemessene Vorschriften und Anforderungen vorgegeben werden. Das bedingt unter anderem, dass die kantonale Verwaltung bis 2035 CO2-neutral werden muss, Neubauten in Minergie-P/-ECO sowie Sanierungen in Minergie erfolgen. Hochbauten verfügen über eigene Solaranlagen, Heizungen und Strom sind erneuerbar, die Kreislaufwirtschaft mit Holzbauten, Recyclingbeton und so weiter ist unerlässlich, die eigene Fahrzeugflotte wird möglichst elektrifiziert usw.» Er schloss mit: «Die Energiewende wird einen technologischen Schub auslösen.»
Hohe Strompreise bleiben
Professor Adrian Altenburger von der Hochschule Luzern (Institut für Gebäudetechnik und Energie) referierte anhand zahlreicher Tabellen und Vergleiche über vorhandene Sparpotenziale beim Energieverbrauch bei Gebäuden und Arealen. Wie Winston Churchill einst gesagt hatte: «Ich bin sehr zufrieden mit dem Besten», forderte auch Altenburger konsequentes Vorgehen bei der angestrebten Klima-
wende, denn «die höheren Strompreise sind angekommen und werden bleiben. Die Kosten für erneuerbare Energie sinken, die Marktanteile steigen. Die Energieeffizienz bei der Beleuchtung konnte bereits um 33 Prozent gesteigert werden. Bis 2030 ist die energetische Betriebsoptimierung für alle Gebäude obligatorisch.» Anhand eines Beispiels zeigte er, dass bei einem Unternehmen 55 Prozent des Energieverbrauchs ausserhalb der Bürozeit anfallen: «Das muss sich umgehend ändern.»
Walter Ott, Senior Consultant und Vorstandsmitglied «energie-wende-ja», sprach über erneuerbare Energie für die Klimapolitik und zur Sicherstellung der Stromversorgung. Er bejahte, dass bei der Photovoltaik (PV) ausreichend Potenzial für die Zielerreichung vorhanden und diese Lösung am günstigsten sei. Er erläuterte Szenariovarianten für den PV-Zubau bis 2035 und die geschätzten Kosten. Daneben rechnet er mit zusätzlichen 20 000 Vollzeitstellen in den Jahren 2022 bis 2035.
Ott listete die benötigten Fördermittel und den möglichst effektiven Einsatz auf, wobei er schlanke Förderverfahren und wenig Bürokratie sowie Um- und Einschulung von Fachkräften und weitere «Solarakademien» empfahl. Sein Fazit: «Die Herausforderungen sind gross, aber Lösungen sind vorhanden.»
Die Schweiz, ein Entwicklungsland
Reto Rigassi, Leiter Geschäftsstelle Suisse Éole (Vereinigung zur Förderung der Windenergie in der Schweiz) in Liestal, informierte über den Stand von Windenergie und Windprojekten weltweit und in der Schweiz sowie über Windstrom für den Winter, um in dieser Zeit die Energieknappheit zu mildern. Mit eindrücklichen Zahlen belegte er, dass die Schweiz diesbezüglich ein Entwicklungsland ist; sie weist 42 in Betrieb stehende Anlagen auf – Deutschland dagegen 28 230 Anlagen. Der Anteil am Stromverbrauch betrug 2021 0,2 Prozent, in Deutschland 18 Prozent. Mit Zahlen und Grafiken zeigte Rigassi den derzeitigen Stand der Schweizer Wind-
energie auf und wo deutliches Entwicklungspotenzial vorhanden ist. Um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern, kommt Solar- und Windenergie zunehmend Bedeutung zu.
Am Podiumsgespräch am Nachmittag hatten die Anwesenden Gelegenheit, das Thema Energiewende mit all seinen Facetten und Möglichkeiten zu vertiefen und weiter mit den Dozenten zu diskutieren.
Gerti Binz