«Die schwarze Spinne» wird im Januar 2022 die Schweizer Kinos heimsuchen

  16.11.2021 Aktuell, Foto, Region, Kultur, Gesellschaft

Der Pfarrer und Schriftsteller Albert Bitzius alias Jeremias Gotthelf (1797–1854) könnte im kommenden Jahr seinen 225. Geburtstag feiern. Zu seinen berühmtesten Werken gehört die Novelle «Die schwarze Spinne», deren Lektüre bis heute Gänsehaut erzeugt. «Ich bewundere sie wie kaum ein zweites Stück Weltliteratur», urteilte der deutsche Schriftsteller Thomas Mann. Pünktlich zum Beginn des Gotthelf-Jahrs 2022 wird am 13. Januar der Film «Die schwarze Spinne» in die Kinos kommen, produziert von der Snakefilm GmbH mit Sitz in Zürich. Regie führte Markus Fischer, der bereits zahlreiche Krimis und Serien für das Fernsehen («Tatort», «Der Bestatter») sowie Filme («Brandnacht», «Marmorera») für die grosse Leinwand inszenierte. In den Hauptrollen sind Lilith Stangenberg, Nurit Hirschfeld, Anatole Taubman und Marcus Signer zu sehen. Man darf gespannt sein, wie «Die schwarze Spinne» von Kritikern und Publikum aufgenommen wird. «D’REGION» unterhielt sich mit Markus Fischer über die Gotthelf-Verfilmung.


«D’REGION»: Wann haben Sie Jeremias Gotthelfs berühmte Novelle «Die schwarze Spinne» zum ersten Mal gelesen? Was löste die Lektüre bei Ihnen aus?
Markus Fischer: Ich las die Novelle als Jugendlicher. Als vor einigen Jahren eine riesige schwarze Spinne meinen Garten heimsuchte, holte ich die Novelle erneut hervor und war völlig fasziniert vom Inhalt, der bis heute nichts an Aktualität eingebüsst hat. Ich habe dann nach den richtigen Autoren für das Filmprojekt gesucht und diese in Plinio Bachmann und Barbara Sommer («Der Verdingbub» / «Moskau einfach») gefunden. Ich erzählte ihnen von meiner Vision einer modernen Adaption mit einer starken Christine, die sie dann mit vielen neuen, eigenen Ideen umsetzten.

«D’REGION»: Was reizte Sie besonders an der Verfilmung des Stoffes?
Markus Fischer: Bis heute wird Macht tagtäglich missbraucht. Und bis heute verhalten sich die Menschen in der Not oftmals feige und verräterisch, wenn es um das eigene Überleben geht. Die dunkle Geschichte von Europa zeigt das deutlich. Und darum fasziniert mich diese Gotthelf-Geschichte – aber auch weil ich das Genre Drama, Mystery und den subtilen Horror liebe.

«D’REGION»: Wie eng halten Sie sich an die literarische Vorlage? Welche gravierenden inhaltlichen Änderungen nahmen Sie bei der Adaption vor?
Markus Fischer: Die Autoren haben stark in die Novelle eingegriffen, denn der bigotte Grundtenor Gotthelfs wollte nicht mehr in unsere Zeit passen. Wir entschieden uns, nur die erste Binnengeschichte des 13. Jahrhunderts zu erzählen und die Rahmenhandlung fallen zu lassen. Im Film ist Christine keine Fremde mehr, die ins Dorf kommt, sondern eine Hebamme (Lilith Stangenberg) aus Sumiswald mit ihrer Zwillingsschwes­ter Maria (Nurit Hirschfeld). Die beiden Frauen stehen ganz im Zentrum des Geschehens. Wir beschränken uns also auf den Kern der Geschichte; auf Christine, Maria, den Komtur Hans von Stoffeln und den Teufel, der ja die Spinnenseuche auslöst.

«D’REGION»: Die Dreharbeiten der fünf Millionen Franken teuren Kinoproduktion fanden vorwiegend in Ungarn, in den berühmten Korda-­Studios nahe von Budapest, statt. Warum wurde das Filmset nicht im Emmental aufgebaut? Wurden einzelne Szenen in der Region gedreht?
Markus Fischer: Im Emmental wurden einige Sequenzen gedreht, vor allem der Landschaft wegen. Ursprünglich wollten wir unser Filmdorf neben dem Siechenhaus und der Bartholomäus-Kapelle in Burgdorf aufbauen. Ansässige Schreiner recherchierten und begannen mit der Planung. Doch der Kanton Bern respektive die zuständige Filmförderungsexpertin stufte das Drehbuch als nicht unterstützungswürdig ein – u. a. mit der Begründung, dass eine starke Frauenfigur fehlt. Dies hat uns etwas irritiert, richteten wir doch unseren Fokus auf den Charakter der starken Christine. Vermutlich spielte bei der Entscheidung auch der Kantönligeist eine gewisse Rolle, da Snakefilm eine Zürcher Produktionsfirma ist. Mit den Geldern des Kantons hätten wir den Film im Emmental gedreht. Nach dem negativen Entscheid mussten wir nach alternativen Drehorten für unser Bauerndorf aus dem 13. Jahrhundert suchen: Wir wurden schlussendlich in Ungarn fündig, wo sehr viele historische Filme für Kino und Netflix gedreht werden. Für unsere Zwecke konnten wir einige Motive aus Netflix-Mittelalterserien wie «The Witcher», «Last Kingdom» oder «The King» benutzen.

«D’REGION»: Stimmt es, dass das Siechenhaus und die Bartholomäus-­Kapelle in Burgdorf für den Dreh in Ungarn eigens nachgebaut wurden?
Markus Fischer: Das Siechenhaus nicht, aber wir bauten eine ähnliche Kapelle wie jene in Burgdorf, passten diese aber ganz dem Mittelalter an.

«D’REGION»: Die Spinnenplage, die in Gotthelfs Novelle Angst und Schrecken verbreitet, erinnert an hochansteckende Krankheiten wie die Pest. Der Film entstand mitten in der Coronakrise. Wie beeinflusste die Pandemie die Dreharbeiten?
Markus Fischer: Wir waren während den stärksten Einschränkungen weltweit beinahe die einzigen, die entschieden, unter allen Umständen zu drehen – mit teuren Covid-Massnahmen und regelmässigen Tests. Während der zweimonatigen Dreharbeiten erkrankte kein einziges Teammitglied der 130-köpfigen Crew. Wir trotzten der Seuche, so wie Christine dem Komtur Hans von Stoffeln zu trotzen versucht – wie dies im Film ausgeht, darf ich an dieser Stelle noch nicht verraten.

«D’REGION»: Wie erweckten Sie die todbringende Spinne zum Leben? Wurde mit echten Tieren gearbeitet oder auf computergenerierte Effekte gesetzt?
Markus Fischer: Die Spinnen sind für mich in erster Linie ein Symbol, eine Allegorie. Ich orientierte mich am ersten «Alien»-Film. In diesem ist ja bis zum Schluss das «Alien» fast nie zu sehen, der Schrecken wird mittels der Fantasie der Zuschauer/innen erzeugt. Ähnlich sind auch wir vorgegangen. Tauchen Spinnen auf, wurden diese im CGI-Verfahren (computergenerierte Bilder) in 3D entwickelt. Echte Spinnen hätten sich wohl kaum an meine Regieanweisungen gehalten.

«D’REGION»: An welchen filmischen Vorbildern orientierten Sie sich, um die atmosphärische Stimmung der Novelle einzufangen?
Markus Fischer: Es existierten keine primären filmischen Vorbilder. Mein Wunsch war, Bilder aus der Malerei als Inspiration zu nutzen. Mein Kameramann und ich setzten uns mit Albert Ankers Lichtstimmungen auseinander und nahmen Landschaften von Caspar David Friedrich oder Arnold Böcklin als Vorbilder. Um die mittelalterliche, archaische Stimmung zu erzeugen, orientierten wir uns aber auch an anderen Meistern wie Pieter Brueghel.

«D’REGION»: Die Gotthelf-Verfilmungen von Franz Schnyder werden oftmals als «Heimatfilme» etikettiert. Welchem Genre lässt sich Ihr Film zuordnen?
Markus Fischer: Die beiden Drehbuchautoren reden lieber von einem «Drama». Weil ich aber Geistergeschichten und den feinen Horror liebe, bezeichne ich den Film eher als ein mittelalterliches Drama und spannendes Schauermärchen. Er jagt den Zuschauerinnen und Zuschauern hoffentlich den kalten Schauer über den Rücken ...

«D’REGION»: «Die schwarze Spinne» ist ab dem 13. Januar 2022 im Kino zu sehen. Warum darf man den Film auf keinen Fall verpassen?
Markus Fischer: Ich hoffe, es ist uns gelungen, einen mitreissenden und spannenden Kinofilm mit Topschauspielerinnen und -schauspielern zu realisieren. Diese emotionale Geschichte um den Pakt mit dem Teufel bzw. dem Bösen ist und bleibt hochaktuell. Und dank den Autoren, dem Filmteam und dem erstklassigen Cast ist es uns hoffentlich gelungen, dem Publikum ein starkes Kinoerlebnis zu bieten, das sich auch mit internationalen Produktionen messen lassen kann.

Interview: Markus Hofer

 


Image Title

1/10


Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote