Statt der Aufgabe des Burgdorfer AMP-Areals baut die Armee das Logistikzentrum aus
07.09.2021 Aktuell, Oberburg, Burgdorf, GesellschaftLängere Zeit hat es so ausgesehen, als ob das VBS (Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport) über kurz oder lang den AMP-Standort (Armeemotorfahrzeugpark) auf der Lochbachmatte neben der Emme aufgeben würde. Anlässlich der Vorstellung künftiger Burgdorfer Grossüberbauungen sind schon vor Jahren konkrete Pläne für eine gemischte Nutzung des 140 000 Quadratmeter grossen AMP-Areals für Wohnen, Gewerbe, Kultur usw. vorgestellt worden. Alles Makulatur, wie jetzt bekannt wird. An einem öffentlichen Online-Infoanlass erfahren Interessierte viel Wissenswertes und können Fragen stellen.
Kehrtwende um 180 Grad
Laut Marcel Adam, Leiter armasuisse portfolio, seien vom VBS verschiedene mögliche Standorte für ein modernes Logistikzentrum geprüft und Burgdorf mit den vorhandenen Platzreserven als optimal befunden worden. «Nur hier müssen keine zusätzlichen Flächen überbaut werden.» Da man schon sehr früh Kontakte zum Kanton und der Standortgemeinde Burgdorf aufgenommen habe, «konnten wir den Planungsprozess eng aufeinander abstimmen. Nach teils zähen Verhandlungen und mit dem Blick aufs Ganze», räumt Adam ein. Für die konstruktive Zusammenarbeit mit den Burgdorfer Behörden bedankt er sich ausdrücklich und erwähnt das künftig extensiv begrünte Dach der neuen Logistikhalle, welches die Anliegen der Biodiversität vollumfänglich abdeckt. Das Dach dient gleichzeitig als Rückhaltebecken mit verzögertem Abfluss des Regenwassers.
Da der Neubau innerhalb der bestehenden Gewässerschutzzone erstellt wird, sind vorgängig die nötigen Auflagen betreffend Grundwasserschutz mit den zuständigen Bundesämtern festgelegt worden. Dazu gehört auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Zudem wird künftig die Qualität des Grundwassers auf dem Areal kontinuierlich überprüft.
Auch hier hat sich Stadtpräsident Stefan Berger durchgesetzt. Als plötzlich die Idee einer dachfüllenden Photovoltaikanlage mit 6000 reflektierenden Panels zur Diskussion steht, zitiert er die Verantwortlichen aufs Schloss und überzeugt sie mit einem Blick von oben, dass ein solches Gebäude nicht ins Landschaftsbild passt. «Wir sind auch für die Konsequenzen dieser Bauten für unsere Nachkommen verantwortlich», hält Berger fest. Die gewünschte Solaranlage wir neu auf drei bestehenden Gebäuden installiert; die geschätzten 870 Megawattstunden decken den Stromverbrauch von rund 220 Haushalten.
Auch bei der Bauhöhe hat sich Berger durchgesetzt. Die Gebäudehöhe darf den Kamin des Werkstattgebäudes nicht überragen. Und bei der versetzten neuen Tankstelle hat er ein deutliches Wort mitgeredet.
Völlig neue Sichtweise
Wie Werner Gisler, zuständig für den militärischen Bedarf, an der Online-Veranstaltung ausführt, ist der 1963 als modernster in Betrieb genommene AMP sanierungsbedürftig. Als ungenügend beurteilt werden Erdbebensicherheit und Statik. Von Zeit zu Zeit sind in den vergangenen Jahrzehnten nötige Arbeiten ausgeführt worden. Dann ändert sich die Sichtweise. Eine Lagebeurteilung von 2016 hat die zunehmende Bedeutung der Armee klar aufgezeigt: Truppen müssen im Ernstfall innerhalb von 24 bis 96 Stunden aufgeboten werden können. Die Materialbewirtschaftung muss der heutigen und absehbaren Entwicklung angepasst werden.
Das bedingt, dass ein neues Logistikgebäude mit Abmessungen von 120 mal 170 Metern (entspricht einer Fläche von drei Fussballfeldern oder rund einem Drittel der Arealfläche) gebaut und das Werkstattgebäude komplett saniert wird. Die Armee benötigt zusätzliche Betriebs- und Lagerflächen für Fahrzeuge und Material.
Nach sehr umfangreichen Vorbereitungsarbeiten und diversen von den Burgdorfer Behörden in zähen Verhandlungen durchgesetzten Verbesserungen für die hiesige Bevölkerung und die betroffene Umwelt werden in zwei Jahren die Baumaschinen auffahren. Gemäss dem vorliegenden Zeitplan rechnen die Verantwortlichen mit dem Ende der Arbeiten für 2028. Anschliessend präsentiert sich die Anlage gemäss der vom Bundesrat geforderten «höheren Bereitschaft» als angemessen: In Burgdorf finden dann 6000 Materialpaletten für die Truppenausrüstung und 2000 Fahrzeuge auf vier Geschossen Platz.
Der Logistikstandort Bern wird aufgegeben, den Platz übernimmt die zivile Bundesverwaltung.
Problemfall Tankstelle
Dass die für den AMP nötige Tankstelle am heutigen Standort nicht mehr tragbar ist und umplatziert werden muss, ist den Bauverantwortlichen laut Sven Schmid bei den Erläuterungen zum Bauprojekt schnell klar geworden. «Unsere kantonalen Fachleute haben bei der periodischen Überprüfung der dortigen Grundwasserschutzzone festgehalten, dass an dieser Stelle keine Tankstelle zugelassen ist.» Daher haben sie ausserhalb dieser Zone, aber zugehörig und in unmittelbarer Nähe zum VBS-Areal einen neuen Standort evaluiert. Dank Bergers Intervention wird die neue Tankstelle kleiner dimensioniert als ursprünglich geplant und besser ins Ortsbild mit entsprechender Bepflanzung integriert. Problematisch bleibt jedoch der Standort in einem akuten Hochwassergebiet.
In der öffentlichen Diskussion im Anschluss an die Informationen fragt ein Zuhörer, «ob bei der Versetzung des denkmalgeschützten Brunnens berücksichtigt worden ist, dass das Wasser aus einer eigenen Quelle stammt». Ein kurzes Zögern, dann: «Ja, das ist uns bekannt.» Auf die Frage, was mit der Sammlung der Stiftung Historisches Material der Schweizer Armee geschieht, die sich in einem dortigen Gebäude befindet, kommt die Zusicherung, die Sammlung mit 800 Fahrzeugen, darunter uraltem Armeematerial und zahlreichen Panzern, bleibe vor Ort.
Bis Ende September 2021 liegen die Unterlagen zum Gesamtprojekt in der Baudirektion öffentlich auf. Begründete Einsprachen sind möglich.
Mehr Fahrten, mehr Lärm
Der Baustellenverkehr soll von 2023 bis 2028 über die Heimiswil- und die abzweigende Militärstrasse zum AMP geführt werden. Anstelle der heute durchschnittlich 250 Fahrten täglich muss man mit 350 Fahrten pro Tag von Montag bis Freitag, von 7 bis 17 Uhr, rechnen. Das bedeutet mehr Fahrten und mehr Lärm. Trotzdem gilt es, diese Zahlen zu relativieren: Heute werden pro Tag 19 000 Fahrzeuge gezählt, die durch Burgdorf fahren.
Nicht vorgesehen ist ein zusätzlicher Baustellenverkehr über die Lochbachbrücke in Oberburg. Der Bahnanschluss beim Bahnhof Oberburg bleibt bestehen und wird saniert. Während der Bauarbeiten läuft der militärische Betrieb ohne Unterbruch weiter.
Derzeit arbeiten im AMP 80 Personen, daneben sind die dortigen Ausbildungsplätze überaus begehrt. Nach Abschluss der Um- und Ausbauarbeiten dürfte die Zahl der Arbeitsplätze noch einmal steigen. Dazu kommt, dass das mehrjährige Bauvorhaben in der Höhe von 148 Millionen Franken einen beachtlichen Wirtschaftsschub in der Region auslösen dürfte. «Also eine Win-win-Situation für die Armee und Burgdorf», wie der Burgdorfer Stadtpräsident festhält.
Gerti Binz