Kein Mietvertrag mehr für den Mätteli-Beck

  07.09.2021 Affoltern i.E., Gesellschaft, Aktuell

«Unser Herzblut verblutet! Wir bekommen keinen Mietvertrag mehr!»
Mit diesen emotionalen Zeilen wird zurzeit der Mätteli-Beck-Kundschaft in Affoltern mitgeteilt, dass ab Ende Oktober 2021 die Bäckerei schliessen wird. Nicht etwa, weil der Betrieb in der Nachbarschaft der Schaukäserei nicht mehr rentiert hat, sondern weil Letztgenannte als Liegenschaftsbesitzerin den Betreibern der beliebten Bäckerei gekündet hat.

Fehlende Mittel für Sanierung
Im Vorfeld der Kündigung stand der Sanierungsbedarf der Mätteli-Liegenschaft, in der auch die Backwaren produziert werden. Da der Liegenschaftsbesitzerin die Finanzen dafür fehlten, kam es zur Kündigung. Was Niklaus Nyffenegger nicht verstehen kann, ist, dass von den 2,5 Millionen Franken an bezahltem Pachtzins der letzten 30 Jahre die Finanzen fehlen für eine dringend notwendige Sanierung.
Der Geschäftsführer der Schaukäse­rei, Frank Jantschik, bestätigt die fehlenden finanziellen Möglichkeiten, um den Mätteli-Betrieb zu sanieren. Er bedaure auch, dass keine Einigung mit Nyffeneggers gefunden werden konnte. Damit meint er eine allfällige Beteiligung des Pächters an den Sanierungskosten, welche mit dem Pachtzins hätte verrechnet werden können. Nur so viel: künftig sollen am Mätteli-­Standort auch weiterhin Backwaren verkauft werden. «Wir sind am Evaluieren», so Frank Jantschik. Allerdings werde künftig nicht mehr vor Ort produziert, was daher nur eine sanfte, günstigere Sanierung zur Folge hätte. Noch will er keine Namen nennen. Ein Glücksfall wäre, so Jantschik, einen Pächter zu finden, welcher sich an den Investitionen beteiligen würde.
Mit der Kündigung geht eine lange Mätteli-Familiengeschichte zu Ende. Und damit auch eine 132-jährige Familiengeschichte rund um Backwaren, wurden doch bereits seit drei Generationen in einem Aussenbezirk der Gemeinde Affoltern im Bannholz oder im Mätteli Brot und Feinbackwaren hergestellt. Nach der Eröffnung der Schaukäserei in Affoltern im Jahr 1990 ergab sich für Nyffeneggers ein Jahr später die Möglichkeit, in vierter Generation am heutigen Standort die Pacht zu übernehmen. Inzwischen ist es 30 Jahre her, seit der 59-jährige Niklaus Nyffenegger zusammen mit seiner Frau Priska, seinem Sohn Marco und elf Angestellten am aktuellen Standort in der Nähe der Schaukäserei geschäftet. Über 30 Lehrlinge hat er in dieser Zeit ausgebildet. Lange Zeit wohnte die Familie mit ihrem Sohn Marco (29) sogar im gleichen Haus. Auch er ist ausgebildeter Bäcker/Konditor.

Eine eigentliche Erfolgsgeschichte
Eigentlich ist der Mätteli-Betrieb eine wahre Erfolgsgeschichte. Ihre Backwaren, darunter die Berliner oder der Nidlekuchen, sind beliebt bei der Kundschaft von nah und fern. «45 Prozent des Umsatzes machen wir jeweils an den Sonntagen, nicht zuletzt mit dem Verkauf der Berliner», so Niklaus Nyffenegger. Ein weiteres Plus ist die Synergien-Nutzung mit der Schaukäserei, welche die Mätteli-Backwaren im Verkauf hat.

Anstatt ein Fest zu feiern, mussten Kündigungen ausgesprochen werden
Natürlich sei er enttäuscht über die Kündigung, sagt Nyffenegger. Mit bald 60 Jahren sei es nicht einfach, wieder neu anzufangen. Dazu komme, dass Sohn Marco bereits aufgebaut wurde, um in fünfter Generation die Geschicke der Betriebes zu leiten. Drei Mal habe er in früheren Jahren erfolglos versucht, die Liegenschaft käuflich zu erwerben.
Besonders schmerzhaft sei gewesen, so der frühere Gemeinderat, dass er am 3. August 2021, am Tage des 30-Jahr-­Betriebsjubiläums, anstelle eines Festes den Angestellten die Kündigung aussprechen musste. Was die Zukunft für seine Familie und die Angestellten bringt, ist offen. Nur so viel: Bis Ende Oktober 2021 muss er im Betrieb alles zurückbauen, auch den Maschinenpark. Mit der Übergabe des Betriebes auf Ende Jahr wird das Kapitel Mätteli-Beck endgültig Geschichte sein.

Lilo Lévy


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