Wir sind bereit für die Zukunft
02.07.2019 Burgdorf, Wirtschaft, Foto, Region, GesellschaftDer Firmenname Ypsomed versinnbildlicht das Kerngeschäft: «ipso» bedeutet «selbst», «med» steht für «Medikation». Das Unternehmen ermöglicht vielen Millionen Patienten weltweit auf einfache und sichere Art, sich selber Medikamente zu verabreichen und die Lebensqualität zu verbessern. Verschiedene Redner kommen an der Generalversammlung von vergangener Woche auf die Entwicklung und Produktion von kundenspezifischen Injektionssystemen sowie passenden Pen-Nadeln mit der Click-Funktion für die firmeneigenen sowie alle gängigen Pens auf dem Markt zu sprechen. Das Angebot reicht von einfachen Fertigpens über Pens mit variabel einstellbarer Dosierung und elektronischer Anzeige bis zu hochkomplexen Injektoren mit multifunktionaler Elektronik.
Über dreissig Jahre Erfahrung
Firmengründer und Verwaltungsratspräsident Dr. h.c. Willy Michel blickt kurz auf die Firmengründung von Disetronic im Jahr 1984 sowie nach deren teilweisem Verkauf an den Pharmakonzern Roche mit dem Bereich Infusionssysteme auf die am 29. Dezember 2003 gegründete Ypsomed Holding AG mit dem Injektionsbereich zurück. Michel bezeichnet das Unternehmen Ypsomed entsprechend als «führende Entwicklerin und Herstellerin von Injektions- und Infusionssystemen für die Selbstmedikation und ausgewiesene Diabetes-Spezialistin mit über dreissig Jahren Erfahrung», das weltweit rund 1500 Mitarbeitende beschäftigt.
Michel streift die namhaften Investitionen der vergangenen Jahre, die sich nun auszuzahlen beginnen: «2012 bis 2013 haben wir unsere eigene Insulinpumpe entwickelt, deren Markteinführung als Riesenerfolg bezeichnet werden kann. Die Änderung unseres Geschäftsmodelles mit dem Fokus auf Eigenprodukte erweist sich als richtig.» Er bezeichnet den Ausblick auf die künftigen Jahre als «motivierend», da sich die Firmenstrategie an Wachstum und nachhaltiger Profitabilität orientiert.
Nach längerer Vorbereitungszeit kann im August das neue Produktionswerk im deutschen Schwerin (Hauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern, ehemalige Ostzone) eröffnet werden, womit die nötigen Produktionskapazitäten garantiert sind.
24 Prozent mehr Umsatz
CEO Simon Michel erläutert den strategischen Wechsel des letzten Geschäftsjahres 2018/19 beim Verkauf von Handels- und Eigenprodukten Richtung letztere: «Von jetzt an fokussieren wir uns vollständig auf die Entwicklung und Vermarktung unserer Eigenprodukte.» Der Umsatz kann um 24 Prozent gesteigert werden; beide Segmente sind erfreulich gewachsen. «Wir sind wesentlich unabhängiger und der Gewinn ist markant gestiegen. Mit 73 Millionen Franken Reingewinn haben wir einen Firmenrekord, natürlich basierend auf der vom Vater schon erwähnten Einmalzahlung», betont er.
Nach der erfolgreichen Einführung von «mylife YpsoPump» in 17 Ländern stehen weitere wichtige Märkte wie Kanada, Indien, Bulgarien und Kroatien im Fokus sowie die Ausweitung von Vertriebskanälen auf Distributoren.
Er kommt auf ein noch hängiges Verfahren, gemäss welchem Ypsomed mit der Rückzahlung von 47 Millionen Franken rechnen kann, zu sprechen. Wenn das Geld in rund zwei Jahren eingegangen sein wird, stellt er eine entsprechend hohe Dividende in Aussicht. Für das Geschäftsjahr 2019/20 rechnet die Geschäftsleitung mit einem temporären Umsatz- und Gewinnrückgang, der im Folgejahr aufgefangen werden sollte.
Krankenkassenkosten senken
In seinem Ausblick rechnet Michel mit einem Umsatz von 415 Millionen Franken im kommenden Geschäftsjahr, was erneut einem «galoppierenden Wachstum von 18 Prozent wie im vergangenen Jahr» entspricht. Als Gewinn nennt er die Summe von 25 bis 30 Millionen Franken, also doppelt so viel wie jetzt mit 11,4 Millionen Franken. «Dieser erfreuliche Gewinn basiert auf unseren Eigenprodukten.» Gleichzeitig betont er, «dass die Firma auf nachhaltiges Wachstum setzt sowie Expansion, Innovation und Produktion». Anhand neuartiger «Überwachungsmodalitäten» zeigt Michel auf, dass vergessliche Patienten automatisch daran erinnert werden, dass sie sich ihre Medikamente zuführen müssen, da die Krankenkasse für nicht injizierte Dosen keine Rückvergütung gewähren. «Damit helfen wir, die Krankenkassenkosten zu senken. Es ist ja bekannt, dass Unmengen von Medikamenten bezogen, bezahlt und weggeworfen werden.»
Bereit für die Zukunft
Frank Mengis, seit vier Jahren im Führungsteam verantwortlich für Produktion und Logistik mit rund 700 Mitarbeitenden, zeigt anhand des «beispiellosen Erfolgsmodells Tesla» auf, was unbedingt zu vermeiden ist. Er nennt die in den zwei letzten Jahren eingefahrenen Verluste: 976 Millionen Dollar per 2018 und für das erste Quartal 2019 bei einem Umsatz von 4,54 Milliarden Dollar einen Verlust von 702 Millionen Dollar. Er warnt, dass nachhaltige Strategien wichtiger sind als frühere Sensationen. «Nach der Ankündigung mit Pauken und Trompeten bei der Tesla-Produktelancierung per 2016 überwiegen seither die Negativ-Schlagzeilen, was Ypsomed nie passieren sollte.» Mengis’ Fazit: «Tesla war nicht bereit, konnte seine Versprechungen nicht halten.»
Mengis verweist auf die Erläuterungen seines Vorredners, dass «Ypsomed in den kommenden Jahren in sämtlichen Geschäftsbereichen stark wachsen wird. Die Frage lautet: Sind wir bereit für die Zukunft? Können wir unsere weltweite Kundschaft zeitgerecht beliefern? Stimmt die Qualität der Ypsomed-Produkte? Verfügt die Firma über qualifiziertes Personal, ausreichende Produktionsflächen usw.?» Diese und weitere Fragen beantwortet er anschliessend detailliert und mit zahlreichen Beispielen dafür, dass die Geschäftsleitung zuversichtlich nach vorne blicken könne.
«Mit unserem internen Marktwissen und dem Input unserer Kunden erstellen wir einen mittel- bis langfristigen Absatzplan, das heisst wir wissen genau, welche Produkte wir wann produzieren müssen. Dieser Plan dient als Grundlage für unsere Investitionsplanung für Gebäude und Anlagen. In den letzten vier Jahren hat Ypsomend rund 220 Millionen Franken investiert, davon 80 Millionen in Gebäude und 140 Millionen in Produktionsanlagen, Spritzgusswerkzeuge und Maschinen. Aufgrund der langen Reaktions- beziehungsweise Beschaffungszeit der Anlagen – nicht selten zwei bis drei Jahre – müssen wir die Investitionen früh auslösen. Mengis zeigt auf, wo und für was diese Investitionen erfolgt sind und schliesst: «Ypsomed ist bereit für die Zukunft.»
75 Prozent der Aktien in Familienbesitz
Beim statutarischen Teil der Generalversammlung weist Willy Michel darauf hin, dass die Aktionärsgruppe «Familie Michel», bestehend aus Willy Michel und den drei Kindern Simon und Serge Michel sowie Lavinia Camilla Nussio, zusammen 9 410 368 der total 12 649 739 Aktien hält, was einem Anteil von 74,4 Prozent entspricht. Somit wird bei allen Abstimmungen im Sinne der Ypsomed-Geschäftsleitung votiert, was sich in sehr bis relativ geringen Nein-Stimmen beziehungsweise Enthaltungen manifestiert. Michel erntet spontane Lacher, als er zwischendurch die Nein-Stimmen mit seiner Ablehnung als Verwaltungsratspräsident vergleicht: «Immer noch besser als bei mir!» Die Mitglieder von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung werden entlastet, alle Wahlen beziehungsweise Wiederwahlen erfolgen mit grosser Mehrheit. Das gilt auch für die verschiedenen beantragten Vergütungen bei Verwaltungsrat und Geschäftsleitung.
Michel verabschiedet mit herzlichem Dank für die erbrachten Leistungen den seit 2008 im Verwaltungsrat der Ypsomed Holding AG einsitzenden Gerhart Isler und empfiehlt als Nachfolger Dr. Martin Münchbach, der neben seiner deutschen Nationalität auch den Schweizer Pass besitzt. Auf Wunsch aus dem Publikum stellt sich Letzterer vor seiner Wahl kurz vor. Als Proteinchemiker könne er wertvolle Impulse auf diesem Ypsomed-Spezialgebiet liefern und freue sich auf die Zusammenarbeit.
Bei einem grosszügigen Apéro riche besteht die Möglichkeit, mit den anwesenden Mitgliedern von Verwaltungsrat, Geschäftsleitung und Abteilungsführungen zu diskutieren.
Gerti Binz