Begeisternde Premiere auf der Moosegg
10.07.2019 Aktuell, Foto, Kultur, Gesellschaft, RegionKaum taucht Chachelihannes in Rychiswyl auf, zerbricht oder verschwindet in sämtlichen Haushalten des Dorfs das Geschirr auf wundersame Weise. Deswegen sehen sich die Frauen «gezwungen», dem Hausierer all die schönen neuen Teller, Tassen, Töpfe und Schüsseln abzukaufen. Die Männer sind unzufrieden und beklagen sich im Gasthof zur Blauen Birne bitter über diese im ganzen Dorf grassierende Kaufsucht – bei ein, zwei, drei und mehr Gläsern Bier, Wein und anderen geistreichen Getränken. Dieses übermässige Trinken wiederum finden die Frauen total daneben – und so beschliessen die beiden Geschlechter unabhängig voneinander, das Gegenüber in eine Falle zu locken und so richtig an der Nase herumzuführen. Dabei unterstützt werden die Frauen tatkräftig von der Wirtin der «Blauen Birne», die Männer vom Chachelihannes.
Witzig-spritzige Komödie, musikalisch wunderbar untermalt
Die Grundidee zu diesem Stück stammt aus der Kalendergeschichte «Wurst wider Wurst» von Jeremias Gotthelf, doch hat Regisseur Simon Burkhalter das Stück stark erweitert und viele kleinere und grössere Erzählstränge und individuelle Geschichten in den Hauptfaden, der von den Streichen beider Geschlechter erzählt, eingebaut. Dadurch ist ein vielseitiges, sehr lebendiges Stück entstanden, das dem Publikum gewiss auch bei einem zweiten oder dritten Besuch bisher noch Unentdecktes zu bieten hat. Burkhalter hat es jedoch trotz all dieser kleinen, immer wieder aufblitzenden Nebengeschichten geschafft, dass ein klarer roter Faden durch das Stück führt: die Kauf- und Trunksucht der Rychiswyler, die zu den beiden grandiosen Streichen und schliesslich zum grossen Happy End führt. Eingepackt ist die Geschichte in blumigstes Emmentaler Berndeutsch, das doch sehr an die Sprache Gotthelfs erinnert. Dazu hat Bruno Leuschner wunderbar passende Musik komponiert, die einerseits sehr traditionell daherkommt und an altes Volksgut erinnert, in die er aber doch immer wieder augenzwinkernd Versatzstücke aus der klassischen Musik einbaut. Witzig ist auch die Idee Leuschners, alte Volklieder neu zu vertonen, sodass diese einem zwar vom Text her bekannt, aber von der Melodie her nicht geläufig sind.
Liebevoll und detailreich herausgearbeitete Figuren
Simon Burkhalter hat mit den rund 25 Amateur-Spielern/-innen aus der näheren und weiteren Umgebung eine witzig-spritzige, temporeiche Inszenierung erarbeitet, die einen von Beginn weg bis zur letzten Minute fasziniert und gefangen nimmt. So gibt es neben der Hauptszene auch immer noch Nebenschauplätze, wo unter anderem gewaschen, geschrieben, versteckt, getratscht, diskutiert und gelacht wird. Nicht nur die Hauptfiguren, sondern sämtliche Figuren bis hin zu den kleinsten Nebenrollen sind liebevoll und detailreich herausgearbeitet, sodass ein lebendiges, stimmiges Ganzes entsteht.
Viel zum Erfolg dieser äusserst amüsanten Inszenierung beigetragen haben auch Kostümbildnerin Renate Tschabold und Maskenbildnerin Monika Wüthrich, die die Spieler/innen kenntnisreich und mit viel Liebe zum Detail eingekleidet und geschminkt haben – erwähnt seien hier etwa eine Socke mit «Air Condition» oder die verschiedenen Zopffrisuren in echten Haaren und Perücken… Nicht zuletzt sei hier auch Techniker Timo Kobel genannt, der an der Premiere jede Szene perfekt in Licht und Ton setzte, was bei dieser grossen Bühne nicht selbstverständlich ist.
Fazit: Der Moosegger «Chachelihannes» ist eine rundum geglückte Inszenierung eines unterhaltsamen Stücks – und ein Muss für alle, die temporeiche Freilicht-Komödien lieben.
Andrea Flückiger
Das Stück wird noch bis am 17. August 2019 aufgeführt. Weitere Informationen unter:
www.freilichtspielemoosegg.ch.