Gotthelfs «Geld und Geist» startet eindrücklich

  13.11.2017 Gesellschaft, Kultur

Premiere für «Geld und Geist» der Emmentaler Liebhaberbühne (ELB) am Freitagabend im Rüttihubelbad. Die bisher einzige Produktion der ELB von «Geld und Geist» war jene der Saison 1990/91 unter der Regie von Rudolf Stalder. Erwartungsfroh sitzt das Publikum im Saal mit 430 Plätzen. Gut ein Drittel der Sitze ist besetzt. Dass es in Gotthelfs Erzählung ums Gelddenken in zwei Emmentaler Familien geht, das den Frieden zu zerstören droht, ist den Gotthelf-Liebhabern bekannt. Auch die integrierte Liebesgeschichte um Liebiwil-Resli und Dorngrüt-Annemareili. Sie sind füreinander bestimmt. Der Weg zum Glück ist aber ebenso dornig wie der Name des Bauernhofes: Dorngrüt.
Liebevoll pflegt Annemareili (Sandra Rentsch) im ersten Bild daheim auf Dorngrüt den jungen, sympathischen Resli. Dieser wird überzeugend ge­spielt von Bendicht «Bänz» Eggimann, Sohn des Regisseurs Ulrich Simon Eggimann. Der rechtschaffene Jungbauer ist bei einer Schlägerei «vermöbelt» worden und trägt einen Verband um den Kopf. «Wenn es di hei zieht, wei mer der nid dervor si», sagt Annemareilis herzloser Vater (Dominik Müller) im Beisein seiner Frau (Franziska Oppliger). Er möchte Resli aus dem Haus haben und so die Liaison von Annemareili und Resli beenden, hat er doch seine Tochter längst dem zuweilen von Hustenanfällen geplagten, verwitweten Chäuerjoggi (Samuel Moser) versprochen. Der Dorngrüt-Bauer: «Jedem Schuldehung u Fötzu gä mer s’Annemareili nid.»
Anständiger ist – nomen est omen – die Liebiwil-Familie mit dem in Dorngrüt-Annemareili verliebten Resli, dessen Mutter Änneli (Antonia Flury), die gute Seele im Haus, und Ännelis Gatten Chrischte (Hans Rudolf Kummer). Änneli muss ihren Mann, der ihm anvertraute Mündelgelder in den Sand gesetzt hat, schon mal zähmen – zunehmend mit Erfolg. Toll interpretieren auch die beiden Geschwister von Resli ihre Rollen: Dominik Zürcher als Chrischti und Jessie Fankhauser als Annelisi. Makellos besetzt sind zudem die Nebenrollen mit Sandra Schneider als Wirtin, Yaël Wyss als Jumpfere und Emanuel Gfeller als Hansueli. Geschickt hat Regisseur Eggimann filmisch Geschwätze zweier Wiiber (Ruth Schmid, Elisabeth Schmidt Ziegler) und zweier Mannevöucher (Franz Mumenthaler, Kurt Zahm) in Rückblenden festgehalten. Bevor Liebiwil-Mutter Änneli auf dem Sterbebett für immer einschläft, darf sie noch erleben, wie ihr Sohn Resli und Dorngrüt-Annemareili definitiv zusammenfinden. Annemareili wird, wie von Änneli erhofft, ihre Rolle auf dem Liebiwil-Hof übernehmen. Welch starke Schlussszene in dieser von der berndeutschen Sprache lebenden, überzeugenden Inszenierung.

Im Gespräch mit Ulrich Simon Eggimann
Hat sich der Publikumsgeschmack in den letzten Jahren verändert? Ulrich Simon Eggimann: «Das Publikum will heute selber entscheiden, was es sehen will. Man lässt sich kaum mehr von Neuem überraschen – leider. Nicht zuletzt deswegen sind alle Theaterabo-Käufe rückläufig. Die Theatermacher sind so gezwungen, immer wieder auf bekannte Stoffe zurückzugreifen, um nicht vor ganz leeren Reihen spielen zu müssen. Wir nehmen uns da nicht aus und präsentieren aktuell einen Gotthelf, weil wir das Publikum brauchen. Trotzdem will die ELB immer bestrebt sein, auch für die noch immer Neugierigen Volkstheater zu spielen und so Stoffe zu wählen, die uns etwas zu sagen haben. Diese Balance von Bekanntem und Unbekanntem gilt es – so lange es geht – zu halten. Wir tun unser Bestes, wissen aber auch, dass wir nicht subventioniert und deshalb gezwungen sind, mit schwarzen Zahlen abzuschliessen. Bei ‹Herr Puntila und sein Knecht Matti› hatten wir Ende September 600 Reservationen, bei Dürrenmatts ‹Besuch der alten Dame› 1000, und jetzt bei ‹Geld und Geist› 1400. Aktuell, am 10. November 2017, sind es nun erfreuliche 4000. Zu behaupten, Brecht sei weniger Wert als Gotthelf, wäre verwegen und würde vor allem nicht stimmen. Wir wissen, dass gewisse Leute zu uns ins Theater kommen, weil sie unseren Mut schätzen. Ein Brecht ist oft hart. Weil er uns aber immer noch viel zu sagen hat, spielen wir halt eben auch Brecht, Jonson oder Gorki.»
Übrigens: Die Produktion 2018/19 der ELB wird die Kriminalkomödie «8 Frauen» von Robert Thomas sein. Alle zwölf Vorstellungen finden – weil das Casino Theater Burgdorf noch nicht bezugsbereit sein wird – im Rüttihubelbad statt: Premiere 31. Dezember 2018, Dernière 3. Februar 2019.
Hans Mathys


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