Im Casino darf laut geklatscht werden

  18.12.2016 Affoltern i.E., Politik, Region, Burgdorf, Gesellschaft

Die Ratsmitglieder müssen sich durch 128 Seiten dieses Traktandums (siehe Ausgabe von letzter Woche) lesen, um sich zu den teils heiklen Problempunkten vorzuarbeiten. «Und Probleme sind für die Stadt und eventuelle Investoren beziehungsweise Liegenschaftsbesitzer vorhersehbar, wenn der Stadtrat die Vorlage jetzt zu sehr abändert oder gar zurückweist», warnt Stadtpräsidentin Elisabeth Zäch.

Planbeständigkeit
«Verschiedene Bauprojekte sind im Hinblick auf die nun zu beratende Teilrevision bereits unter erleichterten Gesichtspunkten genehmigt und ausgeführt worden. Falls der Stadtrat heute eine erneute Verschärfung beschliesst, bedeutet das für die Stadt enorme Probleme, nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht», begründet sie die Beibehaltung der Vorlage und weist auf die «übliche Planbeständigkeit von sieben Jahren hin, auf die sich Bauwillige verlassen können müssen». Und ergänzt, dass «der nun vorliegende Entwurf in enger Zusammenarbeit mit HIV und HGV Burgdorf sowie dem gesamten Gewerbe erarbeitet worden ist und in unveränderter Form beizubehalten» sei.
Die Stadtpräsidentin begründet, warum im Industriequartier Läden nicht erwünscht sind. Neben den Behinderungen für ansässige Transportunternehmen durch Einkaufskundschaft würden die Bodenpreise umgehend in die Höhe schnellen. Zudem würde das ansässige Gewerbe in Burgdorf unnötig konkurrenziert.

Wichtiger Entscheid fürs Casino
Viel zu diskutieren gibt die von Anwohnern gewünschte Ruhe in der Oberstadt und die Notwendigkeit, für den Umbau des Casino Theaters und den Fortbestand des Theaterbetriebes eine Lösung zu finden. Heute ergeben die Messungen von lautem Applaus gegen 22.30 bis 23.00 Uhr nach Ende einer Vorstellung einen zu hohen Dezibelwert für die dortige Wohnzone. Die erlaubten 83 Dezibel werden regelmässig überschritten. Nach längerer Diskussion und dringenden Worten der Stadtpräsidentin folgt der Rat ihrem Ersuchen und definiert neu die Lärmempfindlichkeitsstufe 3 (statt wie bisher 2) fürs Casino. «Bei der Mitwirkung haben sich drei Viertel der Bewohner für die jetzige Lösung entschieden», mahnt Elisabeth Zäch. «Also ist der kurzfristige Applaus keine Beeinträchtigung.» Sie warnt eindringlich davor, die beabsichtigte Erhöhung der Lärmwerte zu verunmöglichen, denn «das würde für den Casino-Umbau eine Verzögerung von mindestens sechs Monaten bedeuten».
Neu soll für das Casino die Mischzone «Altstadt Kultur» gelten, was zusätzliche fünf Dezibel Lärmbelas­tung mehr bedeuten würde. Wenn die Regierungsstatthalterin dem Casino ein «übergeordnetes öffentliches Interesse» bestätigt und der Casino-Verwaltungsrat nachweisen kann, dass nach dem Umbau im Haus alles so weiterläuft wie bisher, können weitere zehn Dezibel gutgeschrieben werden. Dann sind nach einer gelungenen Vorstellung auch anhaltende Standing Ovations möglich. Die Ratsmitglieder lassen sich von den Warnungen der Stadtpräsidentin überzeugen und lehnen den Abänderungsantrag der Grünliberalen Partei grossmehrheitlich ab.

Geschickter Schachzug
Gemäss den Akten muss mit verschiedenen Einsprachen gegen die Reglementsrevision gerechnet werden; einige sind bereits deponiert. Als «grosse Brocken» können das Casino und die Gebäudegruppe Inneres und Äusseres Sommerhaus, Siechenhaus und Bartholomäuskapelle (siehe Ausgabe von letzter Woche) bezeichnet werden, wobei die Burgergemeinde als Liegenschaftsbesitzerin von Letzteren bei einem Verbleib der Häuser in der Grünzone den Gang durch sämtliche Instanzen erwogen hat. Auch hier kann mit der Verschiebung in eine Ensemblezone eine Lösung gefunden werden.
Kopfzerbrechen macht dem Gemeinderat jedoch die Arealentwicklung, weil sich speziell beim Alpina-Areal Widerstand formieren könnte und das Referendum gegen die Gesamtrevision möglich würde. Das wiederum hätte massive zeitliche Verzögerungen für alle anstehenden Probleme zur Folge. Stadtrat Christoph Wyss, Präsident der Baukommission, präsentiert den Anwesenden folgende Lösung: Bei der Arealentwicklung wird ausschliesslich dasjenige des Alpina-Areals ausgelagert und über den Rest entschieden. Anschliessend befindet der Stadtrat noch separat über dieses Areal. Sollte das Referendum ergriffen werden, würde nur ein Punkt betroffen. Wyss erklärt, dass die Rechtmässigkeit dieses Vorgehens an zuständiger Stelle abgeklärt worden sei.
37 anwesende Mitglieder des Stadtrates stimmen bei einer Enthaltung den vier vom Gemeinderat empfohlenen Änderungen zu und sagen einstimmig Ja zur Teilrevision der Baurechtlichen Grundordnung mit Ausnahme des Alpina-Areals. Diesem stimmen anschliessend 34 zu bei 4 Nein. Schliesslich beantragt der Stadtrat dem Amt für Gemeinden und Raum­ordnung die Genehmigung obigen Geschäftes unter Abweisung der noch hängigen Einsprachen respektive Einsprachepunkte.

Viel zu teuer
Die SP stellt den Antrag, als Ersatz für die wegen des Spitalumbaus demontierte Skateanlage eine neue an anderer Stelle zu realisieren. Dafür sollen 20 000 Franken für die Planung und für die Umsetzung per 2017 200 000 Franken bereitgestellt werden. Die Spital­verwaltung würde dabei 40 000 Franken an einen Wiederaufbau bezahlen. Während von links-grüner Seite her die Rede von «offene Türen einrennen» ist, votieren die Bürgerlichen vereint dagegen. «Die Burgdorfer Finanzen sind wirklich nicht rosig. So locker geht das Geldausgeben nicht weiter. Eine Viertelmillionen für eine Anlage, die keine Einnahmen bringt, ist unverhältnismässig. Ein neue Skateanlage muss deutlich unter 100 000 Franken zu stehen kommen.» Der Antrag wird mit 20 Nein zu 18 Ja abgelehnt.
Auch der SP-Auftrag «Erstellen eines umfassenden Gemeindesportanlagekonzeptes für die Stadt Burgdorf» wird mit 22 Nein zu 16 Ja abgeschmettert. Während die Geschäftsprüfungskommission Annahme empfiehlt, sprechen sich auch hier die Bürgerlichen mit der Mitte deutlich gegen Rot-Grün aus. Von einem «Papiertiger» ist die Rede, von fehlenden Finanzen für solch eine im heutigen Zeitpunkt unnötige Utopie.
Stadtpräsidentin Elisabeth Zäch verabschiedet sich mit einem kurzen Rückblick von den Mitgliedern von Legislative und Exekutive; anschliessend wird sie geehrt. Es folgen weitere Verabschiedungen von abtretenden Gemeinderäten und vom Stadtratspräsidenten, verbunden mit überreichten Geschenken.
Gerti Binz


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