Meniskusschaden – was blüht den Betroffenen?

  16.10.2016 Aktuell, Region, Burgdorf, Gesellschaft

«Schäden am Meniskus» heisst der nächste Publikumsvortrag von übermorgen Donnerstag, 20. Oktober 2016, 19 bis 20 Uhr, im Spital Emmental in Burgdorf. Gestaltet wird dieser Anlass vom Leitenden Arzt Orthopädie, Dr. med. Taro Kusano, Facharzt FMH für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates. Nach dem Referat wird ein Apéro offeriert, bei dem der Referent auch noch persönlich Fragen beantwortet.

«D’REGION»: Welches sind die  Schwerpunkte Ihres Vortrags?
Dr. Kusano: Das Thema lautet «Schäden am Meniskus». Diese können bei einem Unfall mit Verdrehung des Kniegelenkes entstehen oder aufgrund einer Abnützung beim Älterwerden. Die entstandenen Risse führen zu einem Verlust der Funktion des Meniskus, welcher unter anderem als Stossdämpfer des Gelenkes anzusehen ist. Durch die Risse kommt es daher zu einer vermehrten Belastung des Gelenkknorpels, der im weiteren Verlauf ebenfalls geschädigt wird. Daher entsteht als Folge des Meniskusrisses Arthrose. Der Meniskusriss ist sozusagen die Präarthrose. Ziel der Behandlung muss daher sein, den Meniskus zu heilen. Dies ist nur bei jüngeren Patienten und bei entsprechender Rissform möglich. Die meisten Schäden können daher leider nicht mehr geheilt werden. Es können nur die Symptome verbessert werden, indem man den nun mechanisch störenden Riss mittels Arthroskopie – Knopflochchirurgie – schonend entfernt. Neuere Untersuchungen haben aber gezeigt, dass diese Operation oftmals nicht notwendig ist.

«D’REGION»: Werden Ihnen die Patienten primär von Hausärzten zugewiesen, die einen Meniskusschaden vermuten?
Dr. Kusano: Die allermeisten Patienten werden mir vom Hausarzt zugewiesen. Einige Patienten suchen auch unseren Notfall auf, nachdem sie einen Unfall mit Verdrehung des Kniegelenkes erlitten haben. Dann ist es meistens notwendig, zusätzliche Verletzungen – zum Beispiel auch des vorderen Kreuzbandes – zu erkennen und zu behandeln, weshalb die Patienten schliesslich in meine Sprechstunde gewiesen werden.

«D’REGION»: Welche Symptome lassen einen Meniskusschaden vermuten – ein angeschwollenes Knie, also «Wasser im Knie», stechende Schmerzen, wenn das Knie warm wird und man das Knie nicht mehr strecken kann, oder was ist zudem noch verdächtig?
Dr. Kusano: Bei jüngeren Patienten liegt meistens ein Unfall vor mit Verdrehung des Kniegelenkes sowie anschliessender Schwellung und Schmerzen. Wenn das Gelenk nicht mehr vollständig gestreckt werden kann, sprechen wir von einer richtigen Gelenkblockade, welche am häufigsten durch einen sogenannten Korbhenkelriss des Meniskus verursacht ist. Hierbei klemmt der Meniskus so ein, dass die Streckung nicht mehr möglich ist. In diesem Fall gibt es nur die operative Behandlung mit dem Ziel, den Meniskus baldmöglichst zu nähen und weitere Gelenkschäden zu verhindern. Bei älteren Patienten kann auch eine Verdrehung des Gelenkes am Anfang der Beschwerden vorliegen. Oftmals treten die Schmerzen aber spontan ohne erkenntliche Ursache auf. Der Meniskus war dann meistens schon etwas abgenützt, also degeneriert. Richtige Blockaden treten dann selten auf, aber aufgrund des Reizergusses ist die Beweglichkeit vor allem für die Beugung eingeschränkt. Manchmal findet man auch Schnapp-Phänomene, also kurzzeitige Einklemmungen bei gewissen Bewegungen oder Stellungen. Bei den degenerativen Meniskusrissen ist die Unterscheidung von durch Arthrose bedingten Symptomen und Meniskus-Symptomen oftmals schwierig und nicht eindeutig. Häufig findet man als erstes Symptom eine sogenannte Baker-Zyste in der Kniekehle, also eine wassergefüllte Verhärtung, welche manchmal in die Wade ausstrahlende Schmerzen verursacht.

«D’REGION»: Wie erfolgt bei Ihnen die Abklärung, ob sich der Verdacht auf einen Meniskusschaden erhärtet?
Dr. Kusano: Am wichtigsten ist die gründliche klinische Untersuchung, bei welcher ich oben genannte Symptome erfrage. Bei der manuellen Untersuchung des Kniegelenkes können dann sogenannte Meniskuszeichen provoziert werden. Diese Tests sind aber nicht eindeutig, weshalb eine bildgebende Untersuchung notwendig ist. Es erfolgt eine Röntgenuntersuchung, bei welcher einerseits Hinweise auf eine Begleitverletzung – zum Beispiel auch ein Bruch – oder auf eine Arthrose gesucht werden. Ist die Arthrose dann schon deutlich zu erkennen, braucht es nicht in jedem Fall eine zusätzliche Magnetresonanz – MRI. In den meis­ten Fällen kann die Diagnose aber nur mit dem MRI gestellt werden. Wenn eher ein degenerativer Riss und damit auch eine beginnende Arthrose vermutet wird, kann mit dem MRI meistens noch zugewartet oder sogar darauf verzichtet werden. Dies ist dann abhängig vom Symptomverlauf und davon, ob die nicht-operative Behandlung Erfolg hat.

«D’REGION»: Welches sind die Ursachen für einen Meniskusschaden – sind Verletzungen nach einer Dreh-Sturz-Verletzung bei Ballsportarten, beim Tennis oder beim Skifahren besonders häufig? Gibt es auch «gefährliche» Berufe wie Gärtner oder Bauarbeiter mit chronischer Überbelastung und können Meniskusschäden auch durch altersbedingten Verschleiss entstehen?
Dr. Kusano: Bei jüngeren Patienten ist meistens die Dreh-Sturz-Verletzung im Sport, aber auch im Beruf oder Alltag für den Meniskusriss verantwortlich. Die genannten Sportarten sind dabei am häufigsten verantwortlich. Knie­ende und kauernde Tätigkeiten im Beruf, aber auch bei Gartenarbeiten sind häufig mit einer Abnützung des Meniskus und auch des Gelenkknorpels verbunden. Der Verschleiss nimmt mit ansteigendem Alter deutlich zu. In MRI-Studien konnte nachgewiesen werden, dass Meniskusrisse mit zunehmendem Alter häufiger werden – auch ohne Unfall. Viele Patienten haben Meniskusrisse, obwohl sie gar keine Symptome spüren. Ein Bagatellunfall oder eine vermehrte Belastung kann dann die Beschwerden provozieren.

«D’REGION»: Weshalb treten Verletzungen am Innenmeniskus weitaus häufiger auf als solche am äusseren Meniskus?
Dr. Kusano: Der Innenmeniskus ist durch seine Befestigung weniger mobil, weshalb hier öfter Risse entstehen als am Aussenmeniskus, welcher viel beweglicher ist. Zudem ist die sogenannte O-Bein-Stellung häufiger als X-Beine, weshalb auch die Belas­tung der Knieinnenseite und damit der Verschleiss grösser ist.

«D’REGION»: Ist für den Patienten mit einem Meniskusschaden eine Operation meist unumgänglich oder gibt es Fälle, wo eine konservative Methode – also ohne Operation, dafür allenfalls eine Therapie – angezeigt ist?
Dr. Kusano: Das Ziel der Behandlung muss die Rettung des geschädigten Meniskus sein, damit die Spätfolgen der Arthrose nicht oder später eintreten. Falls möglich, sollte daher der Meniskus genäht werden. Leider ist dies nicht immer möglich. Dies hängt von der Rissform, vom Alter des Risses und der Durchblutung ab. Bei jüngeren Patienten ist die Heilungs­tendenz nach Naht des Meniskus besser als bei älteren Patienten. Falls ein Meniskusriss sich nicht für eine Naht eignet, es aber zu mechanischen Problemen wie Einklemmungsphänomen kommt, sollte der gerissene Meniskusanteil mittels Arthroskopie entfernt werden. Die meisten Meniskusrisse sind bereits im Rahmen der Arthrose vorhanden. Diese können sehr gut konservativ – zum Beispiel mit Physiotherapie – behandelt werden. Bei Versagen der konservativen Therapie kann im späteren Verlauf immer noch operiert werden – falls notwendig.

«D’REGION»: Werden am Spital Emmental Meniskus-Operationen unter Ihrer Leitung durchgeführt?
Dr. Kusano: Am Spital Emmental werden die meisten Meniskusoperationen von mir durchgeführt. Das Nähen, also der Erhalt dieses wichtigen Meniskus, wird nur von mir durchgeführt. Auch Dr. med. Thomas Wyder, welcher seit diesem Jahr neu im Team ist, führt diese Operation durch. Die Mehrzahl der Fälle sind jedoch Meniskus-Teil­entfernungen. Diese Eingriffe werden neben mir und Dr. Thomas Wyder von verschiedenen Chirurgen gemacht.

«D’REGION»: Wie viele Meniskus-­Operationen werden jährlich in Burgdorf durchgeführt – und ist die Tendenz eher steigend?
Dr. Kusano: Die genaue Anzahl der Meniskus-Operation am Spital Emmental ist mir leider nicht bekannt. Die Tendenz ist aber nicht steigend. In meiner Praxis ist sie eher sinkend, da neuere Studien wie oben erwähnt gut zeigen konnten, dass die konservative Behandlung gleichwertig ist. Ich versuche aber so viele Menisken wie möglich mittels einer Naht zu retten.

«D’REGION»: Die beiden Menisken im Knie spielen eine wichtige Rolle bei der Kraft- und Druckübertragung vom Oberschenkel aufs Schienbein und üben dabei eine Pufferfunktion aus. Wie kann sich der Laie eine Meniskusverletzung vorstellen?  
Dr. Kusano: Der Meniskus funktioniert wie ein Stossdämpfer. Er verteilt die Kräfte und fängt sie auf. Bei einem Meniskusriss können diese Kräfte nicht verteilt werden. Es kommt zu Spitzen­belastungen auf den Gelenkknorpel, was zu dessen Schädigung und schliesslich zur Arthrose führt. Kann der Meniskus mittels einer Naht repariert werden, verteilen sich die Kräfte wieder annähernd normal. Bei einer Teilentfernung des Meniskus wird nur der gerissene Meniskusanteil herausgeschnitten und so viel Restmeniskus belassen wie möglich. Die Mehrbelas­tung des Knorpels hängt dann vom Anteil des entfernten Meniskus ab.

«D’REGION»: Welche Erfahrungen haben Sie und hat das Spital Emmental gemacht – sind die operierten Patienten nach einigen Wochen wieder frei von Beschwerden oder gibt es zuweilen auch Komplikationen?
Dr. Kusano: Bei der Naht des Meniskus liegen die Erfolgschancen gemäss Studien bei rund 80 Prozent. Ein körperlich arbeitender Patient kann nach etwa drei Monaten nach Meniskusnaht wieder arbeiten. Einige Menisken heilen leider nicht und müssen oft viel später entfernt werden. Bei der Meniskus-­Teilentfernung kann der Patient meis­tens nach ungefähr zwei Wochen wieder arbeiten gehen. Je nach vorherigem Reizzustand des Gelenkes können aber auch noch länger Beschwerden bestehen. Dies ist dann oftmals Ausdruck der beginnenden Arthrose. Da es sich bei den Meniskusoperationen um kurze Eingriffe mittels Arthroskopie – Knopflochchirurgie – handelt, ist die Komplikationsrate gering. Dies hängt aber auch von der Technik ab. Daher ist es sinnvoll, solche Operationen durch Chirurgen mit hohen Fallzahlen durchführen zu lassen.

«D’REGION»: Kommt es häufig neben dem Meniskusriss auch noch gleich zum Kreuzbandriss – und wie viel schlimmer ist diese Konstellation?
Dr. Kusano: Bei jungen Patienten ist der Meniskusriss häufig mit dem vorderen Kreuzbandriss verbunden. Dann ist neben der fehlenden Stossdämpferfunktion des Meniskus auch noch die stabilisierende Wirkung des Kreuzbandes verloren gegangen, und die Arthrose ist vorprogrammiert. Es ist daher bei dieser Konstellation sinnvoll, das Gelenk mittels Kreuzbandplastik zu stabilisieren und den Meniskus zu nähen. Die Meniskusnaht heilt bei gleichzeitiger Kreuzbandplastik deutlich besser. Leider kann hierdurch die Arthrose aber nicht vollständig verhindert werden.

Zur Person
Dr. med. Taro Kusano ist seit Ende 2012 als Leitender Arzt Orthopädie am Spital Emmental tätig. Sein Schwerpunkt liegt in der Kniechirurgie – dies sowohl operativ wie auch nicht-­operativ. Er ist an beiden Standorten des Spitals Emmental tätig, also in Burgdorf und in Langnau.

Hans Mathys


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