Die Übersetzung von Physik in Malerei
01.11.2015 Aktuell, Burgdorf, KulturZu Beginn des 20. Jahrhunderts löste sie sich vom Gegenstand, um sich dem Spiel von Farbe und Form oder individuellen inneren Welten zuzuwenden. Alle diese Tendenzen sind nach Ansicht des Berner Malers Roset durch unendliche Wiederholungen formal-stilistisch ins Leere gelaufen. Zudem haben sich in den letzten Jahrzehnten die Naturwissenschaften rasant entwickelt, doch die Kunst hat davon kaum Kenntnis genommen.
Hier setzte Roset an. Seit Jahrzehnten befasst er sich eingehend mit der Physik, von den Anfängen bei den alten Griechen bis in die unmittelbare Gegenwart. «Es geht dabei um die Chance, die neuen physikalischen Erkenntnisse, welche näher an den wahren Ursprung des Seins herankommen, mit malerischen Mitteln zu thematisieren», schreibt er. Das Bild soll also eine bestimmte Aussage haben. Diese bezieht sich auf eine unsichtbare Welt, welche aber die sichtbare bestimmt, genauer gesagt: auf die physikalischen Theorien über die Vorgänge im Bereich der Teilchen.
Die Umsetzung solcher abstrakter Gedankengänge in Malerei bedeutet eine Herausforderung. Roset geht dabei vom Nichts aus, welches seiner Ansicht nach die Voraussetzung dafür bildet, dass etwas entstehen kann, und stellt es in gebrochenem Weiss als Hintergrund der Bilder dar. Hinein setzt er Zeichen aus der physikalischen Theorie, wie Strings, Superstrings und Branen. Grössere, leicht farbige Flächen stehen für Paralleluniversen, Linien bedeuten Prozesse. Dies alles sind Symbole, Bildzeichen, nicht eigentliche Abbildungen, und deshalb nennt er seine Werke oft «Icon». Sie bezeichnen bestimmte Aussagen, sind aber gleichzeitig offen. Trotz dieses abstrakten gedanklichen Inhalts wirken die Bilder nicht kühl, sondern poetisch und emotional, sodass sie zur Meditation einladen. Und nicht zu vergessen: Sie können auch witzig und ironisch sein, was in vielen Details und in manchen Titeln zum Ausdruck kommt, die wesentlich zu den Arbeiten gehören. Zum Beispiel: «Physiker und Kosmologe am Tellerrand, auf Inspirationen wartend» bei einem Bild, das mit deutlichen Anspielungen auf den deutschen Romantiker Caspar David Friedrich spielt. Und ähnlich das Motto der Ausstellung: «Wenn wir schon einmal da sind, können wir gleich schauen, wo wir sind.»
Hans Baumann
Die Ausstellung in der Galerie RE ist noch von Donnerstag bis Sonntag, jeweils von 15.00 bis 19.00 Uhr zu sehen.