«Zwischen Wunsch und Verpflichtung – ein Balanceakt in der Angehörigenarbeit»

  02.09.2015 Aktuell, Burgdorf, Gesellschaft

Eine Laudatio auf den unschätzbaren Wert der Arbeit von pflegenden Angehörigen war der Vortragsabend im Zentrum Schlossmatt. Zusammen mit der Schweizerischen Alzheimer-Vereinigung und der Spitex Burgdorf-Oberburg informierte Lucia Schenk, stellvertretende Geschäftsleiterin, zum Thema «Zwischen Wunsch und Verpflichtung – ein Balanceakt in der Angehörigenarbeit».

Eine Leistungsstudie vom Jahr 2013 zeigt auf, dass pro Jahr zirka 63,8 Millionen Arbeitsstunden von Angehörigen geleistet werden – ohne Entschädigung, wobei sich die Pflegeaufgaben und die Anforderungen am Arbeitsplatz oft in die Quere kommen. Weil die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege noch wenig diskutiert wird, war diese Diskussionsrunde besonders wichtig und nachhaltig für das interessierte Publikum.

Diana Bertschi vom Spitex-Zentrum Burgdorf-Oberburg, Fachfrau für pflegende Angehörige, zeigte anhand einiger Film-Fallbeispiele, wie umfassend anspruchsvoll und aufreibend die Anforderungen an pflegende Familien-angehörige, ja an die ganze Familie sind. «Pflegende Angehörige» werde als Sammelbegriff, als homogene Gruppe wahrgenommen, erklärte sie. «Tatsächlich beinhaltet dieser Begriff sehr unterschiedliche Menschen (Angehörige), welche unter verschiedensten Bedingungen ihre Aufgabe erfüllen.

Eine familiäre Pflegebeziehung entwickle sich aufgrund langsamer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der betroffenen älteren Person und werde anfangs kaum bemerkt. «Die Verantwortung für die Pflege wird also unvorbereitet übernommen, und plötzlich ist man mittendrin», stellte sie fest und erhielt betroffenes Kopfnicken einiger Zuhörerinnen.

Hilfe annehmen sei hier – aus den unterschiedlichsten Gründen – oft schwierig. Warum? Weil oft Schuldgefühle entstünden, «weil ich die Pflege nicht so vornehmen kann, wie ich es von mir erwarte», «weil ich die Fäden in der Hand haben will», «weil ich alleine weiss, was mein Mann / meine Frau gerne hat», listete die Fachfrau Einwände Betroffener auf.

Pflegender Angehöriger zu sein ist bereichernd, ist eine neue Lebenserfahrung und ist sinnstiftend. Aber man muss seine physischen und psychischen Grenzen kennen, rechtzeitig Stopp sagen sowie Unterstützung anfordern und annehmen», plädierte sie für die Hilfsangebote von professioneller Hilfe, aber auch von Nachbarschaftshilfe.

In guten wie auch in schlechten Zeiten…
Anne-Katherine Fankhauser, Pfarrerin in Burgdorf, gelang es in humorvoller Art und Weise, Mut zur Annahme von Hilfe und Entlastung zu machen. Aus den zehn Geboten zitierte sie: «Du sollst Vater und Mutter ehren.» Aber es stehe nicht in der Bibel: «Du sollst sie zu Hause pflegen bis zu ihrem Tod und ohne Hilfe», führte sie weiter aus. Hilfe als pflegender Angehöriger anzunehmen sei kein Versagen, meinte sie und erinnerte auch daran: «Man soll seinen Nächsten lieben wie sich selbst.» Ihre Worte gingen zu Herzen. Aus ihnen – und jenen von Diana Bertschi – entwickelte sich eine rege Diskussion, die Erfahrungs- und Meinungsaustausch, aber auch gegenseitige Ermutigung war. Neben der Tag- und Nachtbetreuung im Zentrum Schlossmatt, zur Entlastung von Angehörigen, bietet «Selbsthilfe BE» von der Spitex Burgdorf-Oberburg Unterstützung – für eine Auszeit für pflegende Angehörige.

Sylvia Mosimann


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