«Der moderne Hüftgelenkersatz»
02.06.2015 Aktuell, Burgdorf, GesellschaftAm Donnerstag, 4. Juni 2015, 19 bis 20 Uhr – im Kurslokal des Spitals Emmental in Burgdorf – und am Donnerstag, 18. Juni 2015, 19 bis 20 Uhr – im Restaurant des Spitals Emmental in Langnau – finden die letzten Publikumsvorträge vor den Sommerferien statt. Gestaltet werden diese von Dr. med. Henk Eijer, Chefarzt orthopädische Chirurgie. Sein Thema: «Der moderne Hüftgelenkersatz.»
«D’REGION»: Welches werden die Schwerpunkte Ihres Referates sein – was wird das Publikum erfahren?
Dr. Eijer: Ich möchte dem Publikum erklären, dass es für einen Patienten beispielsweise aus Ramsei keinen Grund gibt, eine Hüftgelenk-Operation in Bern oder irgendeiner Privatklinik durchführen zu lassen. Ich werde dem Publikum erklären, wie ein Hüftgelenk funktioniert und wann es angebracht ist, ein künstliches Hüftgelenk einzusetzen. Früher lagen die Patienten, denen ein neues Hüftgelenk eingesetzt wurde, nach der Operation zehn Tage im Spital. Heute sind es vier bis fünf Tage. In der Regel spüren die Patienten bereits kurz nach der Operation, ausser dem Hautschnitt, keine Schmerzen mehr. Darum ist mein Ziel für ausgewählte Patienten, dass diese am Morgen operiert werden und gleichentags am Abend des Operationstages schmerzfrei das Spital verlassen können. Diese Möglichkeit bieten wir übrigens bereits heute an.
«D’REGION»: Sind eher Frauen oder eher Männer von einer Hüftgelenk-Arthrose betroffen?
Dr. Eijer: Es betrifft beide Geschlechter gleich. Die Hüftproblematik hängt vor allem vom Alter der Patienten ab. Die Menschen werden heute älter und sind daher auch mehr als früher von einer Hüftgelenk-Arthrose betroffen.
«D’REGION»: Kommt der Verschleiss des Gelenkknorpels vor allem bei Personen vor, die hart körperlich gearbeitet haben oder eine «gefährliche» Sportart betrieben haben?
Dr. Eijer: Hier im Emmental sind es oft Landwirte und ihre Ehefrauen, die körperlich streng gearbeitet haben. Bei den Sportarten sind es klar die Hockeyspieler, welche betroffen sind.
«D’REGION»: Melden sich die von Arthrose im Hüftgelenk Betroffenen meist beim Hausarzt, wenn sie Schmerzen haben?
Dr. Eijer: Ja. Allerdings sind die Leute hier im Emmental ein besonderer Schlag. Wenn man die Arthrose-Schmerzen in Grade von 1 bis 4 einteilt, so melden sich die Emmentaler meist erst beim Grad 4, also bei sehr starken Schmerzen, beim Arzt – also erst, wenn sie es vor Schmerzen kaum mehr aushalten.
«D’REGION»: Wann ist eine Operation unerlässlich – wenn die Knorpelschicht beschädigt ist, sich so Knochen auf Knochen reiben und dies sehr schmerzhaft ist?
Dr. Eijer: Wenn die Schmerzen des Patienten wegen der Hüft-Arthrose unerträglich werden. Ob aber operiert werden soll, entscheide nicht ich alleine. Diese Entscheidung trifft vor allem der Patient selber.
«D’REGION»: Wie viele Prothesen werden im Spital Emmental eingesetzt?
Dr. Eijer: Es sind etwa 200 bis 250 Hüftgelenk-Prothesen – neben den rund 200 Kniegelenk-Prothesen und 40 bis 50 Schultergelenk-Prothesen. Selber setze ich jährlich ungefähr 150 Prothesen ein. Insgesamt erfolgen am Spital Emmental an den Standorten Burgdorf und Langnau über 3000 orthopädische Operationen – rund 1900 davon in Burgdorf und 1100 in Langnau. Im Jahr 2009 waren es noch 2100 Operationen, wovon 1350 in Burgdorf und 750 in Langnau. Das bedeutet also eine Zunahme von etwa 43 Prozent.
«D’REGION»: Ihr Vortrag heisst «Der moderne Hüftgelenkersatz». Was ist hier vor allem modern?
Dr. Eijer: Schlagworte sind minimal invasiv, kleine Schnitte und so weiter. Revolutionär war in den 1960er-Jahren die erste Hüftgelenk-Operation überhaupt. Längst geht es seither in kleinen Schritten vorwärts. Das ist vergleichbar mit dem iPhone. Nachdem dieses erfunden und 2007 auf den Markt kam, folgten Nachfolge-Modelle bis hin zum aktuellen iPhone 6. Bei den Hüftprothesen sind wir in etwa beim Modell 15. Ich werde dies während meines Vortrages dem Publikum genau erläutern. Die Prothesen, die ich einsetze, werden nach wie vor bei der Firma Sulzer in Winterthur hergestellt, obwohl die eigentliche Firma Zimmer jetzt eine amerikanische Firma ist. Es gibt diverse Materialkombinationen von Prothesenpfanne und Prothesenkopf. Ich habe mich gefragt, welche Kombination ich selber bei mir bevorzugen würde. Das ist jene mit dem Prothesenkopf aus Keramik und Pfanneninlay aus Polyaethylen, also Kunststoff. Dies verwende ich auch bei den Patienten so. Der unzementierte Prothesenschaft und die Prothesenpfanne sind aus Titan.
«D’REGION»: Wie lange dauert eine Hüftgelenkersatz-Operation?
Dr. Eijer: Rund eine bis eineinhalb Stunden. Diese kann bei Voll- oder Teilnarkose durchgeführt werden.
«D’REGION»: Wie sieht es mit der Zufriedenheit der Patienten nach einer solchen Operation aus?
Dr. Eijer: Erfreulich. 95 Prozent der Patienten und mehr sind zufrieden. Das sind weit höhere Zufriedenheitswerte als etwa bei Knieprothesen-Operationen. Nach Hüftgelenkersatz-Operationen staune ich immer wieder – und mit mir die Patienten –, wie problemlos diese Eingriffe sind. Der Patient tritt am Morgen des Operationstages ins Spital ein, wird operiert und kann das Spital meistens nach wenigen Tagen wieder verlassen.
«D’REGION»: Ein moderner Hüftgelenkersatz soll mindestens 10 bis 15 Jahre funktionieren. Welches sind die Schwachpunkte dieser Prothese?
Dr. Eijer: Prothesen lockern sich irgendwann. Das hat vor allem mit dem Abrieb beim Kunststoff, dem Polyaethylen, zu tun. Dieser Kunststoff wurde deswegen im Verlaufe der Jahre mehrfach verbessert, weshalb das Lebensalter der Prothesen kontinuierlich gestiegen ist. Ein Fortschritt in kleinen Schritten findet also auch in diesem Bereich statt. Die Hüftgelenk-Operation wird im Allgemeinen als «jene Operation mit dem weitaus besten Kosten-Nutzen-Faktor» bezeichnet.
Zur Person
Dr. med. Henk Eijer ist Chefarzt am Spital Emmental, wo er seit 2009 tätig ist. Sein Fachgebiet ist die orthopädische Chirurgie mit Spezialgebiet Hüftchirurgie. Er führt vor allem Hüft-, aber auch Knieoperationen durch. Dies in Burgdorf und Langnau – also an beiden Standorten des Spitals Emmental. In Burgdorf hält er jeweils dienstags Sprechstunde, in Langnau mittwochs. Dr. med. Henk Eijer ist 51-jährig und verheiratet. Er lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern, 13- und 16-jährig, in Oberburg.
Hans Mathys