Massive Schelte für den Gemeinderat

  21.10.2014 Aktuell, Hasle bei Burgdorf, Gesellschaft, Politik, Schafhausen

Das geplante Durchgangszentrum für 150 Asylsuchende im stillgelegten Schulhaus von Schafhausen i.E. gab in den letzten Wochen in der Gemeinde Hasle b. B. Anlass zu vielen hitzigen Diskussionen. An einer Orientierungsversammlung wurde nicht nur die Zentrumsgrösse für ein Dorf mit 300 Einwohnern beanstandet, sondern auch die Informationspolitik des Gemeinderats wurde harsch kritisiert.

Bekanntlich soll ab 28. Oktober 2014 im stillgelegten Schulhaus in Schafhausen i. E. ein Durchgangszentrum für 150 Asylsuchende in Betrieb genommen werden («D’REGION» berichtete). Die Wogen schlugen hoch, als dieses Vorhaben in der Öffentlichkeit bekannt wurde, und auch in den sozialen Medien gab es zu diesem Thema Hunderte von Beiträgen, teilweise allerdings aus der «untersten Schublade».

An einem Orientierungsabend, zu dem zuerst nur die Einwohner/innen von Schafhausen, Uetigen und Gomerkinden, in letzter Minute aber auch diejenigen aus dem restlichen Gemeindegebiet, eingeladen worden waren, wollten die verantwortlichen Stellen des Kantons zusammen mit dem Gemeinderat über das Vorhaben orientieren. Unter der Leitung von Regierungsstatthalter Markus Grossenbacher versuchten neben Walter Scheidegger, Gemeindepräsident von Hasle b.B., vom Migrationsdienst des Kantons Bern die Leiterin Iris Rivas und Unterbringungskoordinator Daniel Rudin sowie von der Heilsarmee Philipp Steiner, Abteilungsleiter Marketing, und Daniel Hunziker, Projektleiter Flüchtlingshilfe, zu orientieren und damit auch die Wogen zu glätten. Dass ein Informationsbedürfnis der Bevölkerung bestand, zeigte sich darin, dass am Anlass über 350 Personen teilnahmen – eine Zahl, die normalerweise an einer Gemeindeversammlung nie erreicht wird.

Vom Kanton 25 000 Franken Miete pro Monat
Es herrschte eine spannungsgeladene Atmosphäre in der Mehrzweckhalle von Hasle b. B. an diesem Abend. Der Regierungsstatthalter hielt einleitend fest, dass eine ausserordentliche Lage auch ausserordentliche Massnahmen erfordere, denn allein im dritten Quartal 2014 gab es in der Schweiz 7825 Asylgesuche, Tendenz angesichts der Weltlage mit 61 Prozent mehr Gesuchen als vor einem Jahr massiv steigend. Aus den Informationen war ebenfalls zu hören, dass für das Zentrum in Schafhausen i. E. ca. 650 bis 700 Stellenprozente für eine 24-Stunden-Betreuung vor Ort vorgesehen sind und dass das Zentrum nachts von 23.00 bis 6.00 Uhr geschlossen sein wird.

Die ersten Asylsuchenden werden bereits ab 28. Oktober 2014 im ehemaligen Schulhaus eintreffen, wobei nicht sicher sei, ob die Zahl von 150 Personen je erreicht werde. Laut Gemeindepräsident Walter Scheidegger bezahlt der Kanton für die Miete inklusive Nebenkosten 25 000 Franken pro Monat, was der Gemeinde ca. 200 000 Franken Einnahmen bescheren wird.

Mit 50 Asylsuchenden einverstanden, aber 150 sind zu viel
In der engagiert geführten Diskussion konnte eigentlich keine grundsätzliche Opposition gegen die Aufnahme von Asylsuchenden festgestellt werden. Das im Gegensatz zu einer Medienmitteilung der Jungen SVP, die den Redaktionen vor der Versammlung zugestellt worden war. Die Zahl von 150 Asylsuchenden in einem Dorf von 300 Einwohnern ist jedoch für alle Votanten zu hoch.

«In anderen Kantonen werden die Asylsuchenden im Verhältnis zur Einwohnerzahl zugeteilt, warum nicht auch bei uns? Wenn wir diesen Massstab anwenden, dann hätte ja die Stadt Bern 100 000 Asylsuchende aufzunehmen», meinte ein Bürger. «Ich bin 42 Jahre in diesem Schulhaus ein und aus gegangen. Wenn ich mir vorstelle, dass da 150 Personen hineingepfercht werden, macht es mir Angst. Mit 50 jedoch könnte ich es mir noch vorstellen», sagte ein ehemaliger Lehrer von Schafhausen. Aus Sicht vieler Bürger/innen sei es doch die finanzielle Lage der Gemeinde gewesen und nicht die Humanität, welche den Gemeinderat dazu bewogen habe, das Schulhaus an den Kanton zu vermieten «Zwei bis drei Leuten des Gemeinderats glaube ich die humanitären Gründe, dem Rest aber nicht», so ein Versammlungsteilnehmer.

Massive Kritik an der gemeinde­rätlichen Informationspolitik
Sauer aufgestossen waren jedoch praktisch allen Votanten, und dem Applaus nach zu schliessen auch einer grossen Mehrheit der Versammlung, die Informationspolitik des Gemeinderates. Gerade in diesem Punkt musste der Gemeindepräsident eine ganze Menge verbaler Prügel an seine Adresse und stellvertretend für seine Ratsmitglieder einstecken.

«Die steuerzahlenden Bürgerinnen und Bürger haben Anrecht darauf, vom Gemeinderat ernst genommen zu werden. Doch bei diesem Geschäft fühlen sie sich hintergangen. Zuerst wurde nur Schafhausen zu diesem Anlass eingeladen, doch als es danach rumorte, hat man noch den Rest der Gemeinde eingeladen. «Ich habe den Glauben an den heutigen Gemeinderat verloren», so ein erboster Bürger, der kritisierte, dass erst nach Unterzeichnung des Vertrages vorgesehen war, die Öffentlichkeit zu informieren. Diese Kritik zog sich fast wie ein roter Faden durch den Abend und kam wiederholt zum Ausdruck.

So betonte ein Bürger, der in der Nähe des Schulhauses wohnt, dass er nicht fremdenfeindlich sei, aber: «Ich bin wütend über die gemeinderätliche Informationspolitik. Die Schliessung des Schulhauses hat weh getan, aber wir haben sie akzeptiert. 150 Personen machen Angst, und die Anwohnenden werden nur Nachteile haben. Ich finde es nicht richtig, dass ein kleiner Ort den Kopf hinhalten muss, damit die Gemeinde Geld verdienen kann.»

Runder Tisch mit Beteiligung der Schafhauser Bevölkerung
Wie die Kantonsvertretung erklärte, soll in Zukunft die Mitsprache der Schafhauser Bevölkerung gewährleistet sein. An einem «runden Tisch» sollen unter dem Vorsitz der Kantonsvertretung regelmässige Gespräche stattfinden. Teilnehmende sind die Betreiber, Gemeindevertretung, Kantonspolizei, eventuell Kirchgemeinde und Sozialdienste und drei Personen aus der Bevölkerung von Schafhausen, Nun, die Bevölkerung wird abwarten, wie sich die Sache entwickelt, und wieder in Aktion treten, falls alles nicht zu ihrer Zufriedenheit läuft.

Ernst Marti


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