Erinnerungen an zwei bedeutende Burgdorfer
17.12.2013 Aktuell, Burgdorf, Gesellschaft
Im Stadtpark beim Ententeich stehen die Grabsteine von Agathon Billeter (1834–1881) und Max Schneckenburger (1819–1849), wobei Letzterer zwar seit 1841 in Burgdorf gelebt hat und hier verstorben ist, doch wurden seine Gebeine gemäss seinem Wunsch am 18. Juli 1886 in seinen Geburtsort Talheim in Deutschland überführt und dort beigesetzt.
Agathon Billeter
Der 1834 in Männedorf als Sohn eines Porträtmalers und Musiklehrers geborene Agathon Billeter erhält seine musikalische Ausbildung in Zürich und 1853/54 am Konservatorium Leipzig. Er wirkt 1855 in Thun, ab 1857 in Burgdorf als Organist und Gesangslehrer an den Burgdorfer Schulen. Als Dirigent der Chöre Gesangsverein und Liederkranz darf er dank Eigenkompositionen an Eidgenössischen Sängerfesten immer wieder grosse Erfolge feiern. Ab 1875 amtet er als Direktor des Bernischen Kantonalengesangvereins. Sein Wirken hat grossen Einfluss auf die Schweizer Sängerkultur. Er ist mit Elise Luise Anna Schiesser, der Tochter eines Burgdorfers, verheiratet und stirbt 1881 in Burgdorf.
Max Schneckenburger
Max Schneckenburger wird niemals der Vergessenheit anheimfallen, ist er doch der Dichter des patriotischen Liedes «Die Wacht am Rhein», dessen Text er 1840 als 21-Jähriger verfasst. Er kommt 1819 in Talheim (Würt-temberg) als Sohn eines Kaufmanns zur Welt. Im nahe gelegenen Tuttlingen und in Herrenberg besucht er die Lateinschulen. Sein Bruder Matthias Schneckenburger wird 1834 Professor an der neu gegründeten Universität Bern, wohin ihm der Jüngere nach der Konfirmation folgt. Er beginnt eine kaufmännische Lehre in einem Berner Geschäft und kann 1838 geschäftlich Frankreich und Grossbritannien bereisen. Nach seiner Rückkehr zieht er 1841 nach Burgdorf, gründet eine Eisengiesserei und heiratet die Tochter eines württembergischen Pfarrers. Erst 30-jährig stirbt er in Burgdorf. Da er sich stets nach seiner Heimat zurückgesehnt hat, werden seine Gebeine 1886 nach Thalheim überführt. Der Grabstein verbleibt in Burgdorf.
Da Frankreich seiner und vieler anderer Meinung nach das linke Rheinufer bedroht und in der französischen Presse revisionistische Ansichten zu lesen sind, verfasst Schneckenburger den Text zur «Wacht am Rhein». Das später von Karl Wilhelm vertonte Gedicht wird im Deutsch-Französischen Krieg (1870 –1871) zum deutschen Nationallied. Das deutsche Reichskanzleramt spricht nach Kriegsende 1871 dem Komponisten und den Hinterbliebenen von Schneckenburger (seiner Witwe und zwei Söhnen) eine Jahrespension von 3000 Mark zu.
Umnutzung der Grabstätte
Alain Spart, Leiter Stadtgrün in der Baudirektion, erläutert die frühere Situa-tion des ehemaligen Friedhofs am Staldenkehr, der als Kirchhof bis Ende 1831 als primärer Begräbnisort gedient hat. Gemäss alten Chroniken ist dieser Freiraum im Mittelalter zusätzlich für soziale Anlässe und den Jahrmarkt genutzt worden. Da der steile «Staldenschnägg» mit zunehmendem Verkehr auf der «Grande Route» von Bern in den Aargau ein immer grösseres Hindernis geworden ist, entschliesst sich der Burgdorfer Stadtrat 1829 für einen Korrekturbau in Form einer überbrückten Strassenschleife, wie Dr. Jürg Schweizer in seinem Werk «Die Kunstdenkmäler des Kantons Bern; Burgdorf» schreibt. Die Brücke wird als klassizistisches Sandsteinbauwerk erstellt, das 1904 durch einen ähnlichen, mit Jurastein verkleideten Neubau aus Beton ersetzt wird.
Unglücklicherweise reisst im September 1829 während der Bauarbeiten des Terrain grossflächig an; der Friedhof rutscht ab. Daher muss für die beschädigte Ruhestätte im Kirchhof ein neuer Platz gesucht werden. Gärtner Abraham Müller entwirft im Rahmen einer Stadtkorrektion den damaligen Stadtpark als neuen Friedhof, der jedoch nur von 1831 bis 1871 entsprechende Verwendung findet. Danach dient er wieder als Stadtpark, wobei die Bezeichnung «Alter Friedhof» in historischen Plänen noch zu finden ist.
1870 verlegt die Stadt den Friedhof nach ausserhalb der Kernzone an die Bernstrasse, wo genügend Platz zur Verfügung steht, sodass dieser auch heute noch den Anforderungen genügt.
Versteckt im Buschwerk
Während vor 50 Jahren noch einige Grabsteine mehr im Stadtpark beim Ententeich zu finden waren, stehen heute nur noch die beiden von Billeter und Schneckenburger versteckt hinter Büschen am Parkrand. Spart betont, dass «es sich bei diesen zwei Männern um Persönlichkeiten gehandelt hat. Mit dem Erhalt ihrer Grabsteine wollte man wahrscheinlich ein bleibendes Zeichen setzen, das auf die Bedeutung der beiden hinweist, deren Lebensläufe für Burgdorf durchaus relevant sind. Beide sind Teil der Burgdorfer Geschichte.»
Spart fährt fort, dass «seit 1871 im Lauf der Jahrzehnte infolge von Umgestaltungen, Sanierungen, Unterhaltsarbeiten usw. einzelne Grabstätten oder Grabsteine verschoben bzw. in den heutigen Friedhof verlegt worden sind. Nur die Grabsteine von Billeter und Schneckenburger befinden sich noch im Stadtpark, wobei ihre Standorte nicht mehr die ursprünglichen sind.»
Endgültiger Platz im Ahneneck
Da es sich trotz allem nicht um geschichtsrelevante Denkmäler handelt und der Baum- und Buschbestand zwischen Stadtpark und «Galerie im Park» (altes AEK-Gebäude) demnächst durchforstet und ausgelichtet wird, werden die beiden Grabsteine in das «Ahneneck» auf dem heutigen Friedhof verschoben. Auf diesem Friedhofteil befinden sich weitere alte Grabsteine von Persönlichkeiten. Wer sich also für bedeutende Burgdorfer interessiert, kann diesen Grabsteinen am neuen Standort einen Besuch abstatten.
Gerti Binz