AHV – wie weiter?

  28.02.2024 Aktuell, Foto, Burgdorf, Politik

Die FDP Burgdorf und die FDP Emmental organisierten eine öffentliche Veranstaltung zum Thema «AHV» im Stadthauskeller. Das grosse Interesse zeigte, dass die Meinungen zu den Abstimmungen vom 3. März 2024 noch nicht überall gemacht sind. Andreas Wyss, Präsident der FDP Emmental, stellte die beiden Abstimmungsvorlagen vor und moderierte den Anlass ausgewogen.

Renteninitiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge»
Um die Renten zu finanzieren, wurden in den vergangenen Jahren die Lohnbeiträge und die Mehrwertsteuer angehoben sowie das Rentenalter der Frauen auf 65 Jahre erhöht. Damit stiegen die Einnahmen und die Ausgaben sanken, was zu einer Stabilisierung der AHV bis zum Jahr 2030 führt. Mit den «Babyboomern» steigt die Zahl der Rentenbezüger/innen schneller als die Zahl der Erwerbstätigen, die in die AHV einzahlen. Mit der Annahme der Initiative würde ab dem Jahr 2028 das Rentenalter bis 2033 schrittweise auf 66 Jahre erhöht und danach automatisch an die Lebenserwartung angepasst. Pro Monat steigender Lebenserwartung stiege das Rentenalter um 0,8 Monate, jedoch nicht mehr als zwei Monate pro Jahr. Entsprechend würde bei gleichbleibender Zunahme der Lebenserwartung das Rentenalter im Jahr 2043 67 Jahre betragen.
Durch diese Anpassungen wären die Einnahmen höher und die Ausgaben tiefer. Das hätte bis zum Jahr 2033 eine Entlastung der AHV von 2 Milliarden Franken jährlich zur Folge. Im gleichen Zeitraum ist mit Zusatzkosten für die IV von 200 Millionen Franken zu rechnen. Bundesrat und Parlament empfehlen die Ablehnung der Initiative.
Andreas Wyss begrüsste die Podiums­teilnehmenden. Von der SP traten Ständerätin Flavia Wasserfallen und Stadträtin Tanja Blume auf die Bühne, von der FDP alt Nationalrätin Christa Markwalder und Stadtrat Elias Maier.
Christa Markwalder beschrieb die AHV als wichtigstes Sozialwerk und empfahl einen sorgfältigen Umgang damit. Es sei in Betracht zu ziehen, dass im Jahr 2050 zusätzlich 1 Million Menschen eine Rente beziehen würden. Flavia Wasserfallen ist überzeugt, dass die demografische Entwicklung bis jetzt gut aufgefangen werden konnte. Die finanziellen Prognosen seien immer zu pessimistisch ausgefallen und die «Babyboomer»-Generation sei ein zeitliches Phänomen. Die Erhöhung des Rentenalters empfindet sie als unfair. Heutzutage gingen 58 Prozent der arbeitstätigen Menschen in der Schweiz in Frührente. Dies seien meist Leute mit einem höheren Einkommen, solche, die es sich leisten könnten. Bei der Erhöhung des Rentenalters treffe es die Falschen.
Dass ein höheres Rentenalter nicht asozial sei, bewiesen zahlreiche nordische Länder, wandte Elias Maier ein. Ihre Bewohner/innen würden trotzdem über 20 Prozent der Lebenszeit als Rentner/innen geniessen. Tanja Blume konterte, dass die Sozialleistungen in diesen Ländern meist besser seien als hier.
Auf die Frage, ob sie als junge Frau nicht Angst davor habe, dass sie und eine zweite erwerbstätige Person ab 2050 eine Rente finanzieren müssten (aktuell stemmen drei arbeitstätige Personen eine Rente, bei der Einführung der AHV waren es sechs), erklärte Tanja Blume, dass die Prognosen schwer zu erstellen seien und bereits mehrmals korrigiert werden mussten. Markwalder wies darauf hin, dass neue Finanzierungsmodelle der AHV zu diesem besseren Ergebnis verholfen hätten.
Als Alternative zur Erhöhung des Rentenalters sieht Flavia Wasserfallen die Möglichkeit, freiwillig länger zu arbeiten. Um in Würde zu altern, sollte die Rente eher steigen als sinken. Markwalder plädierte auf Generationengerechtigkeit für alle. Ohne Finanzierungssicherheit entstünde ein Vertrauensverlust gegenüber der AHV. Die FDP ist klar für die Initiative, die SP dagegen.

Initiative «Für ein besseres Leben im Alter» – für eine 13. AHV-Rente
Die Vorsorge in der Schweiz basiert auf drei Säulen: der staatlichen, der beruflichen und der privaten Vorsorge. Die AHV ist das Fundament der schweizerischen Altersvorsorge. Aktuell beziehen mehr als 2,5 Millionen Pensionierte eine Rente. 12 Prozent der Rentenbezüger/innen profitieren zusätzlich von Ergänzungsleistungen. Die jährlichen Ausgaben der AHV betragen rund 50 Milliarden Franken. Bei der Annahme der Initiative für eine 13. AHV-Rente entstehen Zusatzkosten von 4,1 Milliarden bei der Einführung und weitere 5 Milliarden Franken nach rund fünf Jahren. Die Finanzierung ist offen. Bundesrat und Parlament empfehlen die Ablehnung der Initiative «Für ein besseres Leben im Alter».
Für Tanja Blume ist die aktuelle Rente nicht existenzsichernd. Sie sollte der vollen Teuerung Rechnung tragen. Elias Maier bezeichnet eine 13. Rente als «Helikoptergeld», als eine Rentenerhöhung, die Armen und Reichen zugutekommt. 12 bis 20 Prozent der Rentenbeziehenden seien von Altersarmut betroffen, doch erhalten sollen die zusätzliche Rente 100 Prozent der Rentner/innen. Die junge Generation könne sich weniger leisten und müsse immer mehr bezahlen, so Elias Maier. Die 2. Säule sei im Sinkflug, erklärte Flavia Wasserfallen, und darum sei die AHV für alle bis zu einem Jahreseinkommen von 120 000 Franken wichtig. Damit investiere man in die Kaufkraft einer grossen Bevölkerungsgruppe.
Christa Markwalder will die erwerbstätige Bevölkerung nicht zusätzlich belasten. Sie erwartet, dass die AHV nachhaltig finanziert wird, damit auch zukünftige Generationen von dieser Vorsorge profitieren können. Der soziale Gedanke, dass eine Umverteilung der Finanzen von der reichen an die ärmere Bevölkerung stattfindet, soll erhalten bleiben. Die Initiative sei asozial. Besser wäre es, die kleinen Renten zu erhöhen. Flavia Wasserfallen will die 13. Rente und findet den Gedanken, dass die Lohnnebenkosten um 0,4 Prozent erhöht würden, kein Problem für die Wirtschaft.
Elias Maier bezeichnet jede zusätzliche Steuerbelastung als unfair. Er spricht sich klar gegen die Initiative aus, weil die Finanzierung nicht sichergestellt sei. Tanja Blume wies darauf hin, dass  die Frauen im Durchschnitt eine um einen Drittel tiefere Rente hätten als die Männer, weil ihnen Beitragsjahre fehlten. Darum sei jede fünfte Rentnerin armutsbetroffen. Sie plädiert für eine 13. Rente, um deren Situation zu verbessern. «Dafür profitieren Frauen, weil sie mehr Geld erhalten, als sie je eingezahlt haben», entgegnete Christa Markwalder.
Andreas Wyss bedankte sich bei den Podiumsteilnehmenden und dem Publikum mit dem Schlusssatz: «Wie auch immer Ihre Meinung ist, gehen Sie abstimmen. Wir sind eine Demokratie und akzeptieren die Entscheidungen der Bevölkerung.»

Helen Käser

 


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