Ein Blick hinter die Kulissen der Stiftung intact

  07.08.2017 Burgdorf, Gesellschaft

Mit einer bewachten Velostation beim Bahnhof Burgdorf hat die Geschichte der Stiftung intact im Jahr 1997 ihren Anfang genommen. In den vergangenen zwanzig Jahren war die Stiftung stets in Bewegung und hat sich stark weiterentwickelt. Heute bietet sie an den Standorten Burgdorf, Langnau und Kirchberg Einsatzmöglichkeiten für erwerbslose Menschen an. Dabei setzt sich die Stiftung nicht nur für eine sinnvolle Beschäftigung der Programmteilnehmenden ein, sondern bietet diesen auch ein soziales Netzwerk und Unterstützung in der beruflichen Integration.
Über verschiedenste Tätigkeitsfelder haben die Teilnehmenden die Möglichkeit, den Einstieg in die Berufswelt wieder zu finden. Ob im Gastrobetrieb, beim Hauslieferdienst, im Nähatelier oder in der Landschaftspflege, die Stiftung versucht, für jeden Teilnehmer die passende Tätigkeit zu finden. Zwanzig Jahre Einsatz und Engagement sind Grund genug, einmal einen Blick hinter die Kulissen der Stiftung intact zu werfen. Mit dem Vorstellen von drei Standorten aus Burgdorf darf für einmal in die spannende und vielfältige Welt der Stiftung eingetaucht werden.

Drei Standorte – viele verschiedene Aufgaben – ein gemeinsames Ziel

Viele kreative Köpfe in der Keramikwerkstatt
In der Keramikwerkstatt gibt es viele Schätze zu entdecken. Von bunt, getupft, bis zurückhaltend schwarz-weiss – die Werke, die in der Keramikwerkstatt entstehen, haben ganz unterschiedliche Farben, Formen und Grössen. Während in der einen Ecke Zwerge mit bunten Mützen vom Regal lachen, findet man ein Regal weiter eine grosse Auswahl an formschönen Trinkbechern. Auch Teller, diverse Dekorationsgegenstände sowie ausgefallene, aber dennoch praktische Flaschenverschlüsse kann man in der Werkstatt und in den intact-Verkaufsstellen der Velostation und dem Nähatelier kaufen.
So gross die Auswahl an Keramikgegenständen ist, so vielfältig und bunt ist auch das Team, das mit Fingerfertigkeit und viel Geduld die zerbrechlichen Gegenstände herstellt. Aktuell arbeiten zwölf Teilnehmende in der Keramikwerkstatt.
«Meine Aufgabe ist es», so Regina Salzmann, die Bereichsleiterin des Standortes, «zusammen mit Menschen, welche vorher noch nie mit dem Keramikhandwerk in Kontakt gekommen sind, tolle Keramikprodukte zu entwickeln.» Obwohl die Herstellung nicht allzu anspruchsvoll sein darf, ist es für Regina Salzmann von grosser Bedeutung, dass es sich bei den Produkten dennoch um schöne und hochwertige Werke handelt. «Das Produkt soll am Ende für sich sprechen, egal aus welcher Hand es kreiert wurde.» Damit dieser Anspruch erfüllt wird, muss in der Werkstatt mit grosser Sorgfalt und viel Engagement gearbeitet werden. Salzmann ist aber überzeugt, dass, solange den Teilnehmenden die Arbeit Freude macht, am Ende auch ein gutes Produkt daraus entsteht.
Freude an der Arbeit heisst nicht zuletzt auch, sich in einer angenehmen Arbeits­atmosphäre zu bewegen. Besonders stolz ist die Bereichsleiterin auf die Toleranzfähigkeit ihres Teams: «Die Unterschiedlichkeit der Menschen spielt hier keine Rolle. Ich finde es einfach nur toll, wie die Teilnehmenden aufeinander zugehen. Diese Zusammenarbeit schätze ich sehr und ich bin überzeugt, dass eine solche Atmosphäre den Lernerfolg unterstützt.»
In der Keramikwerkstatt lassen sich für die Teilnehmenden zwei Lernbereiche feststellen: Auf der einen Seite fördert die Keramikarbeit die Kreativität und das handwerkliche Geschick. Die jeweiligen Stärken der Menschen sollen dabei klar miteinbezogen werden. «Während sich einige beispielsweise vor allem auf das Bemalen der Keramik verstehen, sind andere wiederum besser in der Formung des Tons. Prinzipiell dürfen bei uns aber alle die gleichen Arbeiten machen. Da gibt es keine Einschränkungen.» Nebst dem Handwerk lernen die Menschen in der Werkstatt aber auch, was es heisst, in einem Betrieb Verantwortung zu übernehmen. «So, wie jeder Teilnehmer anders ist, so muss auch an unterschiedlichen Stellen mit ihm gearbeitet werden. Ziel ist es, die Arbeitsmoral der Teilnehmenden merklich verbessern zu können. Dafür braucht es eine klare Linie. Das ist wichtig, denn am Ende möchten wir, dass die Teilnehmenden den Weg zurück in die Arbeitswelt finden.» In der Art und Weise, wie Regina Salzmann über ihre Arbeit spricht, merkt man, wie gerne sie die Menschen in diesem wichtigen Prozess unterstützt und begleitet.

BTS – «Mir schaffes nume aus Team»
Obwohl sich das Restaurant BTS in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof Steinhof befindet – das Lokal wurde in den alten Räumlichkeiten des ehemaligen Wartesaals vom Bahnhof eingerichtet – liegt es dennoch etwas versteckt und strahlt eine angenehm ruhige Atmosphäre aus.
Eine gemütlich eingerichtete Garten­ecke lädt im Eingangsbereich zum Verweilen ein. Auch das Interieur besticht mit Helligkeit und einem freundlichen Ambiente. Auf Anhieb fühlt man sich hier als Gast willkommen.
Für die Teilnehmenden beginnt der Arbeitstag im BTS jeweils um 8.00 Uhr. Am Morgen gibt es immer besonders viel zu tun, denn das BTS-Gastro serviert nicht nur von Montag bis Freitag je drei Mittagsmenüs, sondern ist auch noch für viele andere Dienstleistungen zuständig.
Eine Menge Arbeit, welche das fünfzehnköpfige Team von Thomas Wyss, dem Leiter des Gastrobetriebes, aber gerne auf sich nimmt. «Damit wir funktionieren, ist Teamarbeit gefragt. Solange wir alle am gleichen Strang ziehen, schaffen wir auch Tage, die etwas hektischer sind», so Wyss. Und solche Tage werden im BTS immer häufiger, denn das Lokal läuft gut. Bis zu dreissig Personen kann der Betrieb am Mittag bewirten, und nicht selten ist um die Mittagszeit jeder Platz bis zum letzten Stuhl besetzt. In solchen Momenten hat nicht nur der Service alle Hände voll zu tun, sondern vor allem auch die Küche, denn zusätzlich zu den bestellbaren Menüs, ist das BTS auch noch für einen Cateringservice zuständig. So werden am Mittag sechs Kitas mit Essen beliefert, das sind rund 150 Essen. Weiter bewirtschaftet der Gastrobetrieb eine hauseigene Wäscherei und stellt nicht zuletzt allerlei leckere Produkte selber her, die in diversen intact-Verkausstellen gekauft werden können. Eine Betriebsvielseitigkeit, die zwar viel Arbeit und Organisation bedeutet, schlussendlich aber vor allem eine Chance für die Angestellten vom BTS ist. «Dadurch, dass wir so viele Dienstleistungen anbieten, kann bei uns auch viel gelernt werden. So werden für unsere Mitarbeiter die besten Voraussetzungen geschaffen, um später selbstständig in einem Gastro- oder Hauswirtschaftsbetrieb arbeiten zu können», sagt Thomas Wyss. «Im BTS erleben die Mitarbeitenden den Arbeitsmarkt eins zu eins. Damit sie lernen, mit dieser Herausforderung umgehen zu können, ist es wichtig, ihnen auch Verantwortung zu übertragen. Das klappt meistens sehr gut. Ziel ist es, dass die Menschen wieder ein Gespür für den Sinn der Arbeit entwickeln und sich selber auch  als Arbeitskraft wieder mehr schätzen lernen.» So unterschiedlich die Arbeit im BTS ist, so unterschiedlich sind auch die Menschen, die dort arbeiten. Viele Kulturen treffen in der Küche, im Service und in der Lingerie aufeinander. «Das merkt man auch unseren Produkten an», ist sich Wyss sicher. «Gerne probieren wir neue Rezepte aus fremden Kulturen aus. Es gibt bei uns nicht immer nur typisch schweizerisches Essen, zwischendurch darf es auch einmal thailändisch, amerikanisch oder türkisch sein.» Wyss ist überzeugt, dass gerade diese Offenheit gegenüber Unbekanntem für die Einzigartigkeit des BTS steht.

Kunterbuntes Atelier in der Altstadt
Das Atelier, welches seinen Standort in der Altstadt hat, bietet pro Tag bis zu zehn Menschen einen Platz zum Arbeiten. Ähnlich wie die Keramikwerkstatt gehört dieser Standort auch zu einem der Kreativbereiche der Stiftung intact. Mittels handwerklichem Geschick stellen die Teilnehmenden tolle und einzigartige Produkte aus Baumwolle, Leder oder Planen her. Von Gross- bis Klein­aufträgen übernimmt das Atelier die verschiedensten Näharbeiten. «Zu den besonders grossen Rennern gehören beispielsweise die praktischen Velokuriertaschen», erzählt Patrick Jost, Bereichsleiter des Ateliers. «Diese werden nämlich nicht nur für die Region Burgdorf hergestellt, sondern auch von Firmen aus der Stadt Bern oder Thun in Auftrag gegeben.»
Natürlich gibt es im Atelier aber auch für Privatpersonen eine Menge zu entdecken. Gerade die Kindergartentäschli mit den vielen bunten und tierischen Motiven bringen Kinderaugen zum Leuchten. Für die Kleinsten gibt es herzige Babyfinkli aus Leder, für die Grösseren tolle Umhängetaschen oder Etuis aus Planenmaterial. Die Vielfalt an textilen Gegenständen ist gross. Und wem das vorhandene Sortiment noch nicht genügt, der kann sich sogar sein ganz persönliches, individuelles Produkt zusammenstellen lassen. Selbst kleine Flick- und Änderungsarbeiten an Kleidungsstücken wie Hosen kürzen oder Reissverschlüsse ersetzen werden vom Atelierteam erledigt. Vielfalt in der Arbeit wird also auch hier grossgeschrieben: Ob Nähen – sei es von Hand oder mit der Nähmaschine, Abmessen, Einzeichnen oder Flicken, jede Arbeit wird gewissenhaft und genau verrichtet. Obwohl die Teilnehmenden ein Mitspracherecht in der Aufgabenaufteilung haben, wird auf Abwechslung im Arbeitsalltag geachtet. So meint Patrick Jost: «Ich finde es zwar schön, wenn jemand einen Bereich für sich entdeckt und diesen besonders gern macht, natürlich sollen diese Stärken dann auch bestmöglich gefördert werden. Genauso wichtig ist es aber, dass neue Sachen ausprobiert werden. Das erweitert doch den Horizont und lässt einen an sich vielleicht sogar neue Fähigkeiten und Fertigkeiten entdecken.»
So eröffnen sich für die Menschen nach ihrer Zeit bei der Stiftung intact ganz verschiedene Einsatzmöglichkeiten in unterschiedlichen Arbeitsfeldern. «Ob eine Verkaufslehre, die Arbeit in einem Hauswirtschaftsbetrieb oder den Berufseinstieg über ein Praktikum, es ist immer wieder schön, wenn unsere Teilnehmer den Schritt in die Berufswelt schaffen», so Jost.
In den letzten zwanzig Jahren konnten viele Menschen vom Angebot und dem Engagement der Stiftung profitieren. Für das intact-Team ist das aber kein Grund, an Ort und Stelle zu verharren. Stets in Bewegung darf man gespannt sein, wo die Reise für die Stiftung noch hingeht und was für weitere interessante Aufgaben die Zukunft mit sich bringt.

Kathrin Röthlisberger


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