Der Brexit- Chancen und Risiken für das Emmental
11.11.2016 Aktuell, Wirtschaft, PolitikEinmal mehr wurde die Regionalkonferenz ihrer Aufgabe, regionalpolitischen Fragen von weiterreichender Bedeutung zu behandeln, gerecht. Nach dem Austritt Grossbritanniens aus der Europäischen Union wurde in Wirtschaftskreisen, auch im Emmental, eine Unsicherheit spürbar. Jede grundlegende Veränderung birgt jedoch ausser Risiken auch Chancen, welche es zu nutzen gilt. Nach der Begrüssung durch Roland Loosli, Präsident Netzwerk Wirtschaft Emmental und Handel- und Industrieverein Burgdorf-Emmental, sprach der Geschäftsleiter der Sommer AG Grünen, Bernhard Stucki, als Gastgeber. In seinem neuen Carterminal stellte er sein Unternehmen vor, das nicht nur Carreisen im In- und Ausland anbietet, sondern auch über eine Lastwagenflotte verfügt.
Der britische Botschafter David Moran äusserte sich
Moran ist trotz widersprüchlichen Berichten in der Presse überzeugt, dass der Brexit geschehen wird, weil es das Volk so bestimmt hat. Grund für den Brexit sei nicht die Wirtschaft, sondern die Personenfreizügigkeit und der Europäische Gerichtshof. In seinem Referat schilderte er anschaulich Parallelen zwischen der Schweiz und Grossbritannien: Beide Länder zeigten unter fairen Bedingungen wirtschaftliches Wachstum und beide Staaten hätten daneben grosse Investitionen in die Bildung, die Wissenschaft und die soziale Integration getätigt. Er beteuerte, dass der Blick Grossbritanniens weiterhin nach aussen gerichtet sei. Wirtschaftsbeziehungen würden weiter gepflegt werden, insbesondere auch mit der Schweiz. Das Handelsvolumen zwischen den beiden Staaten betrug 2015 insgesamt 40 Milliarden Schweizer Franken. Das wolle niemand aufs Spiel setzen. Zahlreiche Bestimmungen, die bis jetzt über EU-Recht geregelt wurden, müssten in Zukunft bilateral vereinbart werden. Unter professioneller Moderation des ehemaligen London-Korrespondenten des Schweizer Fernsehens, Peter Balzli, äusserten zudem Dr. Haig Simonian, ehemaliger Schweizer Korrespondent der Financial Times, und Prof. em. Dr. Franz Jaeger, Leitungsmitglied an der Executive School der HSG, ihre Ansichten zum Thema.
Volksmeinung und Medien
Jaeger sprach Klartext: «Entscheide wie der Brexit oder die Präsidentenwahl in Amerika zeigen deutlich, dass die Medien anders informieren, als das Volk denkt. Das zeigen diese überraschenden, ja fast schon schockierenden Abstimmungsergebnisse.» Er sei überzeugt, dass der Brexit auch für die Europäische Union eine Chance bedeute, denn so, wie sie jetzt organisiert sei, könne sie nicht weiter funktionieren.
Seine Argumente lockten den ehemaligen Korrespondenten und Autor Simonian aus der Reserve: «Die Brexit-Entscheidung ist ein Desaster. Die EU ist mehr als eine Freihandelszone. Neben wirtschaftlichen Interessen gehören auch eine gemeinsame Politik und ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts dazu. Die Briten haben mit ihrem Abstimmungsergebnis entschieden, nur einige Rosinen zu picken, und das wird so nicht funktionieren.»
Danach lieferten sich die beiden versierten Rhetoriker Jaeger und Simonian einen verbalen Schlagabtausch. Beide überzeugten mit grosser fachlicher Kompetenz und boten eine spannende und leidenschaftliche Diskussion. Dabei machte Jaeger deutlich, dass Grossbritannien und die Schweiz Vorbildfunktion übernehmen könnten für ein neues Europa. Beide müssten die Zusammenarbeit in der Bildung intensivieren und den bilateralen Markt fördern. Simonian betonte, dass der Schweizer Wirtschaft – auch zahlreichen international agierenden Firmen im Emmental – alle Türen offen stünden. Man müsse den Kontakt suchen, denn das Zustandekommen eines Freihandelsabkommens würde viele Jahre dauern. Dabei dürfe nicht ausser Betracht gelassen werden, dass die Konkurrenzfähigkeit aufgrund des schwachen Britischen Pfundes schwierig sei.
Trotz widersprüchlicher Meinungen genossen im Anschluss an die Podiumsdiskussion Organisatoren, Redner und Gäste angeregte Gespräche bei einem Apéro riche.
Helen Käser